Rundes Jubiläum für die am längsten laufende Talksendung Deutschlands: «3nach9» feiert 50. Geburtstag. Die Talkshow von Radio Bremen ging am 19. November 1974 zum ersten Mal auf Sendung, damals noch mit den Gastgebern Marianne Koch (93), Wolfgang Menge (1924–2012) und Gert von Paczensky (1925–2014). Heute führen Judith Rakers (48) und Giovanni di Lorenzo (65) durch die Erfolgssendung und laden am 15. November (22 Uhr, NDR/Radio Bremen Fernsehen) zu einer Live–Ausgabe mit prominenten Gästen wie EU–Chefin Ursula von der Leyen (66), Sängerin Sarah Connor (44) oder Schauspielerin Iris Berben (74).
Es gibt wohl kaum einen Star, der in den letzten fünf Jahrzehnten nicht zu Gast in der Sendung war. «Ich glaube, es waren wirklich schon ALLE da», lacht Judith Rakers im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. Die ehemalige «Tagesschau»–Sprecherin ist seit 14 Jahren Teil der Sendung und blickt im Gespräch auf ihre persönlichen Highlights zurück. Dabei gerät sie auch über ihren Kollegen Giovanni di Lorenzo ins Schwärmen und verrät, von welchem prominenten Gast der «Zeit»–Chefredakteur schon seit vielen Jahren träumt.
Die Talkshow «3nach9» feiert 50. Geburtstag. Was macht die Sendung bis heute so erfolgreich?
Judith Rakers: Die gelungene Mischung aus Information und Unterhaltung und den vielen kleinen überraschenden Momenten, die sich ergeben, wenn sechs Gäste aus ganz unterschiedlichen Bereichen miteinander ins Gespräch kommen. In früheren Zeiten ergab sich die Überraschung oft aus der Konfrontation, heute entsteht der Zauber aus der vertrauensvollen Atmosphäre, die wir bei «3nach9» schaffen und die nicht mehr selbstverständlich ist. Die Gäste öffnen sich und geben Authentisches preis, weil sie sich sicher und ernst genommen fühlen und wertgeschätzt.
Sie sind seit 2010 dabei. Können Sie sich noch an Ihre allererste Sendung erinnern, wie haben Sie die Show damals erlebt, wer war zu Gast?
Rakers: Unglaublich, oder? 14 Jahre! Damit bin ich jetzt die dienstälteste Moderatorin dieser Sendung. Und ich weiss noch genau, wie ich mich in meiner ersten Sendung fühlte. Zu Gast waren unter anderem Tom Jones, Moritz Bleibtreu und Thilo Sarrazin. Ich dachte nur: Du musst überleben. Nur diese eine Sendung! Gib dein Bestes! Und wenn es nicht reicht, geh wenigstens hoch erhobenen Hauptes aus dem Studio! «3nach9» war damals meine erste Talkshow, mir fehlte die Erfahrung in der Moderation einer solchen Gesprächsrunde, und wenn ich eins nie hatte, dann war das: Hybris. Also habe ich die Gefahr des Scheiterns mutig in Kauf genommen, weil ich es unbedingt ausprobieren wollte. Mein Motto ist: Man muss die Tür auch öffnen, wenn eine Chance anklopft. Dann alles geben. 100 Prozent und wenn diese 100 Prozent nicht reichen, dann sollte es eben nicht sein.
Hätten Sie anfangs geglaubt, dass Sie der Sendung so lange die Treue halten werden?
Rakers: Nein, im Leben nicht. Ich erschrecke mich regelrecht, wenn ich die Zahl 14 höre. 14 Jahre. Wie muss sich da erst «3nach9» fühlen, diese wunderbare Sendung feiert ja jetzt schon das 50. Jubiläum! (lacht)
Was war für Sie persönlich Ihr grösster Moment in «3nach9»?
Rakers: Es fällt mir schwer, diesen einen grössten Moment zu identifizieren. Aber ich freue mich immer, wenn ich merke, dass mein Gegenüber sich wirklich öffnet. Wenn das Schutzschild heruntergenommen wird, weil mein Gast spürt, dass ich wirklich echtes Interesse an seiner oder ihrer Geschichte habe. Manchmal fliessen dann Tränen, manchmal wird laut gelacht. Und wenn ein Gast, der eine echte Schicksalsgeschichte erzählt hat, nach der Sendung kommt und mir sagt, dass er sich sehr wohl gefühlt hat in dem Gespräch, dann ist das für mich das schönste Kompliment.
Und was war die grösste Panne, die Sie bisher in der Show erlebt haben?
Rakers: Die grössten Pannen gehören oft zu den besten Talkshow–Momenten. Wir hatten einmal Herbert Grönemeyer zu Gast, der auch live singen wollte bei uns und ausgerechnet in diesem Moment hatten wir einen Kurzschluss im Mischpult der Tonregie, der natürlich nicht sofort als solcher identifiziert werden konnte. 40 Minuten lang mussten wir warten, bis wir fortfahren konnten mit der Aufzeichnung. Und Giovanni und ich hatten wirklich Sorge, dass die Stimmung kippt und Grönemeyer die Lust verliert. Er stand ja schon auf unserer Bühne. Aber Grönemeyer war und blieb zauberhaft und hat das Studio–Publikum in der Wartezeit mit einigen Unplugged–Songs verwöhnt. Als alles wieder lief, hat er fantastisch gesungen und war danach im Gespräch besonders gut gelaunt. Ich schätze, das hätte mit einem anderen Künstler auch anders ausgehen können ...
Es gab kaum jemanden, der in den vergangenen 50 Jahren nicht bei «3nach9» zu Gast war, wer fehlt Ihnen persönlich noch?
Rakers: Ich glaube, es waren wirklich schon ALLE da (lacht) – aber noch nicht in jeder Lebenslage. Angela Merkel zum Beispiel war vor ihrer Kanzlerschaft zu Gast. Jetzt zu hören, wie es ihr geht, was ihr heute wichtig ist im Leben, daran hätte ich grosses Interesse. Und Giovanni wünsche ich Michelle Hunziker als Gast. Davon träumt er, seitdem ich ihn kenne (lacht).
Giovanni di Lorenzo ist bereits seit 1989 an Bord. Was schätzen Sie an ihrem Kollegen besonders?
Rakers: Seine Erfahrung in der Gesprächsführung, seine Expertise als politischer Journalist und seine lustige, private Art. Wir lachen viel zusammen – auch ausserhalb der Sendung.
Müssen Ihre Fans Angst haben, dass Sie nach der «Tagesschau» auch bei «3nach9» bald ihren Abschied ankündigen?
Rakers: Ich moderiere «3nach9» wirklich sehr gern. Es sind elf Sendungen pro Jahr und das kann ich sehr gut mit meinen anderen Tätigkeiten verbinden. Solange Radio Bremen und die Redaktion mich dabei haben wollen, bleibe ich. Und wenn sie irgendwann eine andere Moderatorin auf den heiss begehrten Stuhl setzen möchten, dann gehe ich mit wunderbaren Erinnerungen. Alles hat seine Zeit.
Fehlt Ihnen die «Tagesschau»–Moderation heute manchmal?
Rakers: Bis jetzt noch nicht. Die lieben Kolleginnen und Kollegen fehlen mir manchmal, aber noch geniesse ich es, dass ich um Mitternacht nicht mehr raus muss zur Nachtschicht. Das Arbeiten zu normalen Tageszeiten tut mir nach 19 Jahren Schichtdienst gerade sehr gut. Ich bin jetzt tagsüber in meinem eigenen Büro sehr produktiv und kann viel umsetzen. An den Wochenenden arbeite ich immer noch – an komplett freie Sonntage kann ich mich noch nicht so recht gewöhnen. Aber wenn man die Leidenschaft zum Beruf macht, dann investiert man ja auch gern Zeit.
Das Jahr 2024 brachte für Sie viele Veränderungen. Wie blicken Sie auf das vergangene Jahr zurück?
Rakers: Für mich persönlich war 2024 ein grossartiges Jahr! Ich konnte mit viel Leidenschaft Herzensprojekte verwirklichen und es gab sehr viel positives Feedback auf meine neue, berufliche Ausrichtung: Mein erstes Kinderbuch wurde zum Bestseller, mein Online–Magazin «Homefarming.de» ist mit dem «Goldenen Blogger» ausgezeichnet worden, mein Kosmos–Experimentierkasten «Meine erste Farm» hat im Sommer den «Deutschen Spielzeugpreis» in der Kategorie «Alles fürs Kinderherz» gewonnen und mein Brettspiel für die ganze Familie ist «Lernspiel des Monats August» geworden und nun nominiert zum «Lernspiel des Jahres». Das alles ist 2024 passiert und ich musste mich manchmal regelrecht kneifen, weil eine Auszeichnung auf die nächste folgte. Sehr viel Spass gemacht hat mir auch der Podcast «Auf´m Acker» für das Sozialunternehmen Acker, das Gemüsegärten und naturnahe Bildung an Schulen und Kitas bringt, mein neuer Podcast «Baborie und Rakers» und natürlich die Synchronisation der Hauptrolle im Kino–Blockbuster «Der wilde Roboter». Mein ganzes Leben lang habe ich davon geträumt, mit meiner Stimme Teil eines Kinder–Animationsfilms zu sein. Der Film ist wundervoll und wird sogar für den Oscar gehandelt. Ich habe drei neue Reisereportagen gedreht und darf mit meiner Lieblings–Talkshow «3nach9» einen so aussergewöhnlichen Geburtstag feiern. 50 Jahre! Und privat gab es auch noch ein Highlight: mein Fohlen Charlie ist seit dem Sommer 2024 ein Reitpferd – und das Einreiten hat bisher ohne Runterfallen und Knochenbrüche geklappt. 2024 war sehr gut zu mir!
Was wünschen Sie sich für 2025?
Rakers: 2025 wird nochmal sehr spannend für mich: Ich bin dabei, auf Rügen eine kleine Inselfarm zu bauen für mich, meine Familie und die Tiere. Ich arbeite an einer eigenen Gewächshaus–Serie, die in Deutschland produziert wird und nicht vom Fliessband in Fernost kommt und mein zweites Kinderbuch wird erscheinen. Ich möchte 2025 auch noch ein Neues schreiben. Und natürlich möchte ich auch 2025 viele interessante Talkshow–Abende moderieren an der Seite von Giovanni.