Dass es Nino De Angelo (60) im Jahr 2021 noch einmal gelang, die Spitze der deutschen Charts zu erklimmen, wird ihn mit grösster Genugtuung erfüllt haben. Schliesslich galt er über fast vierzig Jahre lang als lupenreines One–Hit–Wonder, das man ausschliesslich mit seinem 1983 gelandeten Super–Hit «Jenseits von Eden» in Verbindung brachte. Allerdings war der Erfolg dieses Werks derartig monumental, dass er bis heute nachhallt. Niemand, der in den frühen Achtzigern ein Radio oder Fernsehgerät besessen hat, wird den Song jemals wieder aus dem Kopf kriegen.
Schlager–Meisterwerk mit sozialkritischer Note
Neben den drastischen Synthesizer–Einsätzen und dem unverstellten Pathos des Gesangs, ist es vor allem der ungewöhnliche Text dieses poppigen Schlager–Meisterwerks, der weiterhin in den Ohren klingelt. Auf dem Höhepunkt der Umweltbewegung und des Wettrüstens wagte sich Nino De Angelo mit seinem Produzenten an dystopische Textzeilen, die in der damals noch strikt heilen Schlagerwelt bislang undenkbar waren. Zeilen, die nicht nur Bezug auf tagesaktuelle Menschheitsprobleme nahmen, sondern auch noch die Frage nach dem Sinn des Lebens stellten.
Bereits die erste Strophe des Songs hat es in sich: «Wenn selbst ein Kind nicht mehr lacht wie ein Kind / Dann sind wir jenseits von Eden / Wenn wir nicht fühlen / Die Erde, sie weint / Wie kein anderer Planet / Dann haben wir umsonst gelebt». Spätestens, wenn De Angelo im Finale des Songs die bewegenden Zeilen «Irgendwann muss ich für immer gehen / Dann will ich sagen / Diese Welt war schön» herausschmetterte, hatte jeder verstanden, dass sich auf diesem traurigen Planeten dringend etwas ändern musste.
40 Jahre «Jenseits von Eden», 60 Jahre Nino
Als «Jenseits von Eden» am 21.11. 1983 in die deutschen Charts einstieg, um sich dort sieben Wochen lang auf Platz eins zu halten, war De Angelo zarte 19 Jahre alt, erst rund einen Monat später, am 18. Dezember, wurde er zwanzig. Kurz nach dem 40–jährigen Jubiläum der Weltverbesserungs–Hymne feiert am heutigen 18. Dezember 2023 ihr Interpret seinen 60. Geburtstag – und ist damit endgültig Jenseits von Fünfzig.
Auch wenn der 1963 in Karlsruhe geborene Sänger in den vergangenen vierzig Jahren eine Menge Spass und so manche glückliche Stunde gehabt haben dürfte, las sich sein weiterer Werdegang von aussen betrachtet wie eine endlose Folge kommerzieller Niederlagen und privater Katastrophen. Innerhalb dieser vier Jahrzehnte verschliss De Angelo vier Ehen, musste zweimal infolge hoher Schulden Privatinsolvenz anmelden und kämpfte mit diversen schlimmen Krankheiten. In Talkshows und Interviews legte er Drogenbeichten ab und fand sich 2015 auf dem harten Boden des «Promi Big Brother»–Containers wieder. Bis 2021 floppte ausnahmslos jedes seiner Alben, die er in unregelmässigen Abständen auf den Markt warf.
Ausbruch aus dem Schlager–Gefängnis
Bergauf ging es erst, als Nino De Angelo im Jahr 2018 entschied, endgültig aus dem Schlagerbusiness auszusteigen. In der «Bild»–Zeitung verkündete er dazu: «Ich werde nie wieder Schlager singen. Die Branche ist verlogen und gleichgültig. In den grossen Shows bei Carmen Nebel und Florian Silbereisen werden immer die gleichen Leute eingeladen. Die sind alle glatt wie ein Kinderpopo. Der Nachwuchs kriegt keine Chance, alles ist in Vollplayback. Da machte ich nicht mehr mit.»
In weiteren Interviews gestand der Sänger, mit seiner Rolle als Schlagersänger nie glücklich gewesen zu sein. Dem Magazin «Wildwechsel» erklärte er: «Hinter 90 Prozent meiner Songs habe ich nie richtig gestanden. Ich habe immerhin 250 Lieder und 20 Alben aufgenommen und war dennoch nie der Schlagertyp. Dieses reine Schlagerding passte nie zu mir. Ich sass immer zwischen den Stühlen.»
Peter Maffay riet dem Sänger zur Rock–Karriere
In der «Prisma» konstatierte er, in seiner musikalischen Laufbahn viel zu viele künstlerische Kompromisse eingegangen zu sein. Eigentlich habe er bereits seit den Neunzigern auf Rockmusik umsteigen wollen, konnte sich damit jedoch nicht durchsetzen. «Ich musste auf die Plattenfirma hören, auf das Management. Die sagten mir ‹Dann bekommen wir keine Auftritte mehr› oder ‹Oh, dann werden wir da nicht mehr gespielt›. Kompromisse können manchmal gut sein, bei mir war es absolut das Falsche.»
Dabei hätten ihm selbst sehr erfolgreiche Kollegen dazu geraten, den Schlagerkram an den Nagel zu hängen, um eine Rockerkarriere einzuschlagen: «Peter Maffay sagte einmal zu mir, ich erinnere mich genau daran: ‹Du kannst uns eigentlich alle putzen: Grönemeyer, Westernhagen und mich. Du musst nur härter werden mit deiner Musik, viel härter.›»
Mega–Comeback mit Dark–Rock–Kracher
2021 machte Nino De Angelo dann tatsächlich Nägel mit Köpfen und landete mit einer waschechten Dark–Rock–Scheibe sein atemberaubendes Comeback. «Gesegnet und verflucht», produziert von dem Sänger der Dark–Rock–Band Lord of the Lost, katapultierte den Ex–Schlagerstar zum ersten Mal wieder an die Spitze der Charts (wenn auch nur auf Platz 2) und bescherte ihm mit über 100.000 verkauften Einheiten die erste Goldene Schallplatte seit 1984. Im Mai 2023 legte er mit dem noch wesentlich härteren und düsteren Album «Von Ewigkeit zu Ewigkeit» nach, das sich ebenfalls gut verkaufte.
Neben der musikalischen Neuausrichtung charakterisiert diese Alben vor allem, dass die Songtexte wesentlich persönlicher und autobiografischer ausgerichtet sind. Hier singt Nino über den wirklichen De Angelo und lässt dabei sein bisheriges Leben mit allen Höhen und Tiefen schonungslos Revue passieren. So etwa in dem Stück «Gesegnet und verflucht»: «Wie oft stand ich schon allein im Regen / Heute weiss ich nur, so ist das Leben / Wenn du oben bist, ist alles einfach / Wenn's nach unten geht, bezahlst du dreifach.»
Nur «Jenseits von Eden» darf mit in Ninos neues Leben
Der «Abendzeitung München» erklärte der Sänger, dass zukünftig Authentizität bei ihm an erster Stelle stehen werde: «Wenn ich nicht authentisch und autobiografisch bin, habe ich keinen Erfolg. Wenn ich irgendwas mache, woran mein Herz nicht hängt, funktioniert es nicht. Das habe ich nach der ganzen Zeit herausgefunden.»
Mit seinem radikalen Neustart will Nino De Angelo die vergangenen vier Jahrzehnte als Schlagerstar endgültig hinter sich lassen und dabei nichts mitnehmen. Allerdings mit einer gewichtigen Ausnahme: «Es gibt nur einen einzigen Song von damals, den ich auch heute und weiterhin singen werde.» verriet er dem Portal «TAG24». Und der sei natürlich «Jenseits von Eden».