Die Pandemie hat viele Bereiche unseres Lebens verändert, etwa auch unsere Art, uns untereinander zu vernetzen. Das betrifft vor allem Kinder und Jugendliche. Durch Social Distancing sind viele Treffen mit Freunden ins Wasser gefallen. Dadurch hat sich der Austausch der Kinder noch stärker in den virtuellen Raum verschoben. TikTok, Instagram und Co. sind in unsicheren Zeiten zu Fluchtmöglichkeiten in eine vermeintlich heile Welt geworden. Das Internet birgt aber auch Gefahren. Denn: Cybermobbing hat in Zeiten von Corona zugenommen.
Stephan Bayer, Experte für digitale Bildung und Gründer der Online-Lernplattform sofatutor, kennt aus täglichen Gesprächen mit Lehrkräften, Eltern und Schulklassen die Gefahren des Internets. Anlässlich des Aktionstages gegen Cybermobbing (18. November) hat er im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news Tipps für Eltern zusammengestellt, um Kinder vor Cybermobbing zu schützen.
Wann Eltern zur Polizei gehen sollten
"Jede Art von Mobbing hat Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl eines Kindes. Deshalb sind Schuldzuweisungen unangebracht. Stattdessen sollten Sie Ihrem Kind erklären, dass die Gründe für das Mobbing nicht bei ihm, sondern bei den Tätern liegen. Wenn das Cybermobbing in einem schulischen Kontext passiert, ist es ratsam, mit den Klassen- oder Vertrauenslehrkräften in Kontakt zu treten. Indem die Verrohung aus dem Netz ins echte Leben gezogen wird, lernen die Täter zu verstehen, dass das Internet kein straffreier Raum ist. Aber: Nur mit Beteiligung Ihres Kindes. Wenn es übergangen wird, stärkt das sein Gefühl des Kontrollverlustes. Hilfe gibt es auch bei Mobbingberatungsstellen.
In besonders schlimmen Fällen lohnt sich auch der Gang zur Polizei. Vergessen Sie aber nicht, Screenshots der beleidigenden Inhalte anzufertigen. Denn nur dokumentierte Cyber-Attacken können strafrechtlich verfolgt werden. Inzwischen gibt es auch Möglichkeiten, Cybermobbing online anzeigen zu lassen. So können Sie sich zum Beispiel an die Online-Meldestelle REspect! wenden, die u.a. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird. Wichtig ist auch, beleidigende Inhalte bei entsprechenden Seitenbetreibern zu melden."
Selbstvertrauen stärken
«Es gibt keine Zauberformel, um Cybermobbing zu verhindern. Dennoch ist es wichtig, Kindern einen guten Umgang mit den unbegründeten Angriffen beizubringen. Dazu ist ein gesundes Selbstvertrauen unabdingbar. Erlauben Sie Ihrem Kind deshalb, sich auszuprobieren und ein Hobby zu finden. Wenn Ihr Kind etwas unternommen hat, sollten Sie unbedingt seine Anstrengung loben, nicht das Endergebnis. Dadurch wird verhindert, dass es sein Selbstwertgefühl nur von erbrachten Leistungen abhängig macht. Ausserdem sollte es ermutigt werden, sich selbst zu bestärken, statt auf die Anerkennung anderer zu warten.»
Internet-Gefahren erkennen
«Um Kindern einen verantwortungsbewussten Umgang mit sozialen Medien zu vermitteln, sollten Eltern sich selbst mit deren Inhalten und Funktionsweisen vertraut machen. Sinnvoll ist zum Beispiel, sich innerhalb der Familie regelmässig über Medienerfahrungen auszutauschen. Zeigen Sie dabei Interesse am Nutzerverhalten Ihres Kindes und fragen nach, welche Inhalte es besonders interessant findet und wie man auf diversen Plattformen miteinander umgeht. Wichtig ist aber auch, über mögliche Gefahren aufzuklären und Regeln aufzustellen. Machen Sie Ihrem Kind klar, wie wichtig es ist, seine Social-Media-Accounts durch sichere Passwörter zu schützen und dass es eine ‹Netiquette› gibt. Ausserdem sollte sich Ihr Kind in den sozialen Medien auf den Kontakt zu seinen Freunden aus dem echten Leben konzentrieren.»
Freiheit statt Verbot
«Obwohl die Ängste vieler Eltern teilweise berechtigt sind, ist es dennoch wichtig, Kindern ein Mass an Freiheit einzuräumen. Wenn Ihr Kind angemessen auf mögliche Internet-Gefahren aufgeklärt wurde, sollten Sie darauf vertrauen, dass es in der Lage ist, sich selbst zu schützen - so wird gleichzeitig sein Selbstbewusstsein gestärkt. Unnötige Verbote belasten das Eltern-Kind-Verhältnis. Aus Angst vor Medienverboten könnte Ihr Kind internetbezogene Probleme, wie zum Beispiel Cybermobbing oder belästigende Nachrichten, für sich behalten, was in den meisten Fällen zu Überforderung führt.»