Bei Kindern Selbstvertrauen und Toleranz zu fördern, geht bisweilen spielerisch einfach, zum Beispiel mit Büchern wie «Alle anders. Das sind wir!» oder «Meine Freunde, das Glück und ich». Auch die Sammlung «Märchenland für alle», herausgegeben von Boldizsár M. Nagy, ist inklusiv und divers erzählt. Die Geschichten - traditionelle Märchen aus Ungarn neu erzählt - handeln von Prinzessinnen, die lieber Abenteuer erleben möchten, anstatt zu heiraten, von einem Hasen mit drei Ohren oder von Königssöhnen, die nach dem Prinzen ihres Herzens suchen.
«Märchenland für alle» wurde in Ungarn trotz hoher politischer Widerstände zum Bestseller, bevor es in den deutschsprachigen Raum kam. Das Hörbuch (Der Audio Verlag), eine ungekürzte Lesung mit unter anderem Annette Frier (49), Christoph Maria Herbst (57), Abak Safaei-Rad (*1974) oder Anne Düe (40), erscheint am 20. April. Frier verrät im Interview mit spot on news über die Märchen, dass sie «Der Eiskönig» sehr gern mochte: «Das autokratische Herrschen in einem Eispalast ist ein sehr starkes gesellschaftliches Bild, das sich vermutlich wirklich nur mit hartnäckiger Liebe auflösen lässt ...»
Die Märchensammlung mit ihren Heldenfiguren, die Minderheiten angehören, sendet die Botschaft: Es ist gut, anders und vielfältig zu sein. Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass gerade Märchengeschichten diese Botschaft so erfolgreich transportieren?
Annette Frier: Märchen sind per Definition nicht irgendeiner Norm entsprechend. Sie katapultieren uns mit den beginnenden Worten «Es war einmal ...» in jedweden Kosmos. Einen utopischen Ort jenseits aller gesellschaftlichen Konventionen, an dem alles erstmal möglich ist. Vielfalt, Diversität und echte Toleranz sollten sich also im Märchenkosmos grundsätzlich willkommen fühlen.
Was verbinden Sie mit den klassischen Märchen?
Annette Frier: Als Kind habe ich Märchen geliebt und genutzt, um erste Abenteuer im Kopf zu unternehmen. Es geschehen Dinge - im Guten wie im Bösen - die sonst unaussprechlich scheinen, von deren potenzieller Existenz wir aber bereits als Kinder ahnen. Sie waren für mich eine erste fantastische Erfahrung mit den Abgründen und Wunderlichkeiten des Lebens.
Romane von unter anderem Agatha Christie, Ian Fleming und Roald Dahl werden überarbeitet, um sie von Sprache und Beschreibungen zu befreien, die nicht mehr zeitgemäss sind. Was denken Sie darüber?
Annette Frier: Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten. Handelt es sich um den simplen Vorgang, in ein Werk zu kritzeln und den letzten Zeitgeist dort zu verewigen, hat das natürlich etwas Anmassendes und sehr Fragwürdiges. Andererseits habe ich selbst zuletzt eine aktualisierte Bearbeitung (Ebi Naumann) von Roald Dahl - «Sophie und der Riese» - auf Deutsch eingelesen für den Hörverlag.
Ich habe nicht jede Seite mit dem Original verglichen, kann Ihnen aber nur sagen, dass sowohl ich als auch meine Kinder begeistert sind. Als wäre der Roman jetzt entstanden. Nichts Staubiges in der Ausstrahlung, es ist ganz einfach eine wahnsinnig gute Geschichte, die sprachlich ein wenig modernisiert wurde. Was soll daran verwerflich sein? Die Kinder entscheiden sich einmal mehr für eine gute Story anstatt ihrem Smartphone- Display. Das allein reicht mir als gutes Argument gegen die harte Konkurrenz.