Klofrau. Barbra Streisand war tatsächlich Klofrau und schrubbte Toiletten. Das ist durchaus ehrenwert, aber nicht gerade eine Grundvoraussetzung für eine Karriere in Hollywood. Die Allerschönste war sie für damalige Verhältnisse auch nicht, eher ein «hässliches Entlein», wie ihre Mutter einmal sagte. Sie soll ihr vorsorglich geraten haben, keine Schauspielerin zu werden. Sie sei dafür einfach nicht hübsch genug. Gemeint waren damit wohl vor allem der leichte Silberblick und ihre markante Nase. Doch die hat sie nie operieren lassen, sondern als Markenzeichen verkauft und sich selbst als «Mädchen mit den langen Krallen und der Nase eines Ameisenbären» bezeichnet.
Das alles war vor langer Zeit. Heute, ungefähr 60 Jahre später, kann Barbra Streisand an ihrem 80. Geburtstag (24. April) auf ein schier unglaubliches Leben zurückblicken, das sich unter anderem auch in ihrer Trophäensammlung widerspiegelt: zwei Oscars, neun Golden Globes, viermal gewann sie einen Emmy, den wichtigsten TV-Preis der USA, ausserdem 14 Grammy-Awards (bei 34 Nominierungen) und unzählige andere Auszeichnungen.
20 Kinofilme und 60 Musikalben
Sie wirkte in 20 Kinofilmen mit, veröffentlichte einschliesslich ihrer Filmsoundtracks über 60 Alben - das letzte, «Walls», mit 76 im November 2018 - und rangierte in den Charts zeitweise vor den Beatles und den Rolling Stones. Ihr Album «Guilty» verkaufte sich zum Beispiel über 15 Millionen Mal. Als Schauspielerin war sie eine der besten, als Sängerin die Allerbeste.
Das konnte damals im Brooklyner Stadtteil Williamsburg (New York City), wo viele Juden vorwiegend aus Osteuropa lebten, niemand ahnen. Dort wurde Barbara Joan Streisand als Tochter einer jüdischen Familie geboren. Ihr Vater Emanuel Streisand war Lehrer und starb, als sie 15 Monate alt war. Die Mutter heiratete wieder, Barbras Halbschwester Rosalyn Kind wurde ebenfalls Schauspielerin und Sängerin.
Prägende Kindheit in Brooklyn
Ihre jüdische Herkunft hat sie geprägt. Zudem ist Williamsburg offenbar ein fruchtbares Biotop, dem etliche Genies entstammen. Der spätere Schachweltmeister Bobby Fischer (1943-2008) ist ein Jugendfreund, er besuchte die gleiche High School. Mit dem späteren Musikstar Neil Diamond (81) singt sie im Schulchor - und 20 Jahre später bei der Grammy-Award-Verleihung im Duett den Nummer-eins-Hit «You Don't Bring Me Flowers». Ein Freund fürs Leben.
Auch Barbra, so prägnant kürzt sie ihren Vornamen ein, macht ihren Weg, obwohl ihre äusserliche Erscheinung für Hollywood-Verhältnisse eher suboptimal ist. Doch sie hat Intelligenz, Durchsetzungsvermögen und einen treffsicheren Witz. Sie spürt schon als Teenager, dass sie ein grosses darstellerisches Talent hat und eine wundervolle Stimme. Und sie will es in ihrer Heimatstadt New York schaffen, denn wer es in New York schafft, der schafft es überall, so besingt es zumindest Frank Sinatra (1915-1998).
Sie nimmt Schauspielunterricht, tritt als 16-Jährige im Clinton-Theater auf, hat Engagements als Nachtclubsängerin. Und weil das alles nicht zum Leben reicht, arbeitet sie als Klofrau, Telefonistin und Platzanweiserin. Und sie setzt sich durch.
Erster TV-Auftritt in NBC-Show
Mit 19 hat sie ihren ersten TV-Auftritt in der berühmten «Tonight Show» von NBC, sie unterschreibt ihren ersten Plattenvertrag. Der Komponist Harold Arlen (1905-1986), der Songs für die grosse Ella Fitzgerald (1917-1996) geschrieben hat, sagt Anfang der 1960er-Jahre: «Ich rate Ihnen, ihre Karriere zu beobachten. Diese junge Dame hat eine atemberaubende Zukunft.» Ihr Debüt am Broadway als Miss Marmelstein im Musical «I can get it for you wholesale» wird 1962 zu einem Triumph. John F. Kennedy (1917-1963) bittet sie zu einem Konzert ins Weisse Haus und schwärmt danach von ihrer Stimme, die 20-jährige Barbra sagt vor lauter Aufregung: «Sie sind ein Schatz!» Das könnte einem ihrer Filme entstammen.
Sie war und ist eine grosse Komödiantin. Von ihren Kinofilmen bleibt vor allem die Verfilmung des Musicals «Funny Girl» - die Geschichte des hässlichen jüdischen Entleins Fanny Brice, die ein grosser Star wird -, in Erinnerung. Dafür bekommt Barbra Streisand 1969 den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Auch bemerkenswert: Die turbulente Komödie «Is was, Doc» (1972, mit Ryan O'Neal) und «Yentl» (1983), wiederum ein melancholisches Biopic, bei dem Streisand die weibliche und männliche Hauptrolle spielt und gleichzeitig Drehbuchautorin, Produzentin und Regisseurin ist. Sie erzählt das Leben eines Mädchens in der Welt des chassidimischen Judentums Osteuropas. «Yentl» erhält den Oscar für die beste Filmmusik, an der auch Barbra Streisand beteiligt ist, weil im Film einige ihrer Songs zu hören sind. Sie wird für ihre Regie und Produktion mit jeweils einem Golden Globe ausgezeichnet - und für ihre männliche Hauptrolle für die Goldene Himbeere als schlechtester Schauspieler nominiert.
Barbra Streisand sieht sich mehr als Schauspielerin
Man kann nicht sagen, dass Barbra Streisand lieber Schauspielerin ist als Sängerin, doch sie sieht sich von Anfang an als Schauspielerin, die auch singt - und nicht umgekehrt. Das macht ihre Musik zu einem ungewöhnlichen Erlebnis.
«Mit ihrer Vortragskunst gelang es ihr, herkömmliche Songs zur Vollendung zu bringen», urteilt der SWR. Sie selbst sagt, ihr fehle die Begabung vieler Rockstars, die ihre Lieder selbst schreiben. Das ist wieder eine ihrer Untertreibungen, denn für den Film «A star is born» (1976), in dem sie die weibliche Hauptrolle spielt, hat sie das musikalische Liebesthema «Evergreen», das sie im Duett mit dem männlichen Hauptdarsteller Chris Kristofferson (85) singt, auch selbst komponiert. Ihr werden 1977 Oscar und Golden Globe für den besten Filmsong verliehen.
Man könnte diese Erfolgsstory beliebig fortsetzen über eine Frau, die in Armut aufwächst und später ein 25 Millionen Dollar teures Anwesen an Naturschützer verschenkt, die mit einem geschätzten Vermögen von 400 Millionen Dollar zu den reichsten Entertainerinnen und Entertainern der Welt gehört, deren Leben nur aus Positivem zu bestehen scheint.
Doch es gibt auch Schattenseiten in ihrem Leben
Eine der wenigen Niederlagen dürfte das Scheitern ihrer ersten Ehe (1963-1971) mit dem Schauspieler Elliott Goult (83) sein, der ebenfalls aus einer jüdischen Familie in Brooklyn kommt. Dieser Verbindung entstammt ihr Sohn, der Sänger, Schauspieler und Filmemacher Jason Goult (55), der auch bei ihrer erfolgreichen Tour 2012/13 durch die USA, Europa und Israel seine Auftritte hatte und mit der Mutter im Duett singt.
Zum Mythos Barbra Streisand gehören auch die Probleme einiger Menschen, die mit ihr arbeiten, weil sie am Set als schwierig gilt. «Solange ich mich erinnern kann, haben die Leute gesagt, ich sei herrisch und eigensinnig», sagte sie bei einer Filmgala in New York. Das liege eben daran, dass sie tatsächlich so sei - und: «Ein dreifaches Hoch auf herrische Frauen!»
Ihr Witz ist einfach unschlagbar, das hat ihr zweiter Ehemann, der heute 81-jährige Serienstar James Brolin («Hotel»), von Anfang an zu spüren bekommen. In einer Talkshow verriet sie, dass sie beim ersten Date «einen Typen mit braunem Bart und welligen Haaren erwartet» habe. «Und dann sah ich einen Typ, der alle Haare abgeschnitten hatte, ohne Bart.» Sie fuhr ihm mit der Hand über den Kopf und sagte: «Wer hat deine Haare aufgefressen?» Da habe Brolin sofort gewusst: Das ist die Richtige! Die beiden sind seit 1998 verheiratet.
Seitenhieb auf Donald Trump
Wie ätzend ihr Humor aber auch sein kann, bekam der vormalige US-Präsidenten Donald Trump (75) zu spüren. Ihren Song «Don't lie to me!» («Lüg mich nicht an!») hat sie auch dem «korrupten» Mann gewidmet. In einem Interview mit dem «Guardian» fragte sie, was an Trump eigentlich «presidential» aussehen würde: «Diese Haare und dieses Make-up?» Er kehre stets die Realität um. «Es ist wie dieser Witz: Eine Frau kommt rein und ihr Ehemann ist mit einer anderen Frau im Bett. Und er sagt: Wem wirst du glauben, mir oder deinen verlogenen Augen?» Da fehlten selbst einem Donald die Worte.