Zum 75. Geburtstag des US–Musikers Billy Joel erübrigt sich die zu solchen Anlässen gern gestellte Frage, ob es nicht langsam Zeit werde, in die wohlverdiente Rock ‹n› Roll–Rente zu verschwinden, auf äusserst entspannte Weise. Schliesslich handelt es sich bei dem am 9. Mai 1949 in New York City geborenen Künstler um einen der berühmtesten Frührentner der Musikgeschichte.
Kometenhafte Karriere über zwei Jahrzehnte
Nach einer kometenhaften Karriere, die ihn mit Songs wie «Piano Man», «New York State of Mind» oder «She‹s Always a Woman» zu einem der grössten amerikanischen Songwriter der 70er–Jahre machte und in den 80ern mit Superhits wie «Uptown Girl», «We Didn›t Start the Fire» und «Leningrad» einen zweiten Höhepunkt erklomm, veröffentlichte er im Jahr 1993 ein fulminantes letztes Studioalbum namens «River of Dreams» und hängte dann sein bisheriges Rockstarleben im zarten Alter von 44 Jahren weitgehend an den Nagel.
Ausstieg auf dem Höhepunkt des Ruhms
In finanzieller Hinsicht hatte der extrem erfolgreiche «Piano Man» zu diesem Zeitpunkt längst ausgesorgt. Wie Joel seither in diversen Interviews immer wieder beteuerte, hatte sein überraschender Ausstieg rein künstlerische Gründe. So gab er 2014 im «New Yorker» zu Protokoll: «Manche Leute denken, ich sei faul oder einfach nur widerspenstig. Aber nein, ich denke, es ist einfach so, dass ich alles gesagt habe». Und fügte hinzu: «Wenn ich jetzt ein Album herausbringen würde, würde es sich wahrscheinlich ziemlich gut verkaufen, weil ich so bin, wie ich bin, aber das ist kein Grund, es zu tun. Ich würde wollen, dass es gut ist. Und ich habe Künstler in dieser Tretmühle gesehen, die Jahr für Jahr Alben herausbringen, und die Alben werden immer schlechter, immer uninteressanter, und man denkt sich: »Vielleicht solltest du besser mal aufhören.'"
Saubere Klassik statt schmutziger Rock ‹n› Roll
In einem Gespräch mit der «Welt» hatte Billy Joel bereits einige Jahre zuvor bestätigt, seit 1993 keine Songs mehr geschrieben zu haben. Statt sich ständig neue Texte auszudenken, habe er sich auf das Komponieren von klassischen Instrumentalstücken verlegt. In seiner Darstellung kehrte er damit nach zwei turbulenten Jahrzehnten als Rock–Star wieder zu seinen musikalischen Ursprüngen zurück. Sein Verhältnis zum Rock ‹n› Roll beschrieb er dabei in folgendem Gleichnis: «Zuerst war ich in das nette Mädchen von nebenan verliebt. Das war die klassische Musik. Dann kam diese Schlampe in Netzstrümpfen und zerrissenen Schuhen, die mich verführte und in die weite Welt hinauslockte. Das war der Rock ‹n› Roll. Jetzt, da ich älter bin, finde ich das nette Mädchen von nebenan wieder sehr sexy».
Aus seiner wiederentdeckten Leidenschaft für klassische Musik einen weiteren Karrierestrang zu entwickeln, lag dem Ex–Popstar jedoch fern. 2001 überraschte er seine Fangemeinde mit einem Album namens «Fantasies & Delusions», auf dem er den britisch–koreanischen Pianisten Hyung–ki Joo (51) selbst komponierte Solo–Klavierstücke einspielen liess. Danach veröffentlichte er bis zum heutigen Tag kein weiteres Album mehr.
Monatliche Mammut–Gigs im Madison Square Garden
Seinen Gang in die Rock‹n›Roll–Rente vollzog Billy Joel mit beeindruckender Konsequenz, komplett von der grossen Bühne verabschieden mochte er sich dabei jedoch nicht. 2006 ging er nach zwölfjähriger Abstinenz ausnahmsweise wieder auf eine Tournee, bei der es ihm prompt gelang, zwölfmal hintereinander den rund 20.000 Zuschauer fassenden Madison Square Garden in New York zu füllen, was zuvor keinem anderen Künstler gelungen war. Seit 2014 tritt Joel in der legendären Konzertarena zuverlässig einmal pro Monat vor stets ausverkauftem Haus auf. Wie das Magazin «Billboard» berichtete, verkaufte er bis 2023 für diese Shows 1,6 Millionen Tickets und generierte dabei Einnahmen von über 200 Millionen US–Dollar.
Rentnerfreuden im warmen Florida
Ende 2023 gab der singende Multimillionär bekannt, diese Konzertreihe nach 10 Jahren mit seinem 150. Konzert im Juli 2024 auslaufen lassen zu wollen. Dem Magazin «Newsday» verriet er wenig später, dass er zu den letzten fünf Konzerten entgegen seiner bisherigen Gewohnheit nicht mit dem eigenen Helikopter von seinem Anwesen auf Long Island zum Veranstaltungsort fliegen wird, sondern der besseren Erdung halber den Weg mit dem Zug zurücklegt.
Wie «Page Six» berichtet, will sich der «Piano Man» nach dem Abschluss seiner Residency–Konzertreihe von seine New Yorker Villa an der Oyster Bay, die er seit 2002 bewohnt, trennen. Dass er das Anwesen für rund 50 Million Dollar verkaufe, bedeute jedoch nicht, dass er New York verlassen werde – schliesslich habe er ja noch ein weiteres kleines Häuschen auf Long Island. Angesichts seines gehobenen Alters will er sich nun allerdings noch ernsthafter als bisher seinem fröhlichen Rentnerdasein widmen. «Ich werde einfach ein bisschen mehr Zeit in Florida verbringen», so Joel, «wie es alte jüdische Jungs aus Long Island tun.»