Hinter Biyon Kattilathu (40) liegt ein aufregendes Jahr: Der Bestseller–Autor wurde erstmals Vater, nahm bei «Let's Dance» teil, stand wegen eines Rosenkriegs im Fokus der Öffentlichkeit – und schrieb nebenbei auch noch ein neues Buch. «Die Fragen deines Lebens – Wie du alle Antworten in dir selbst finden kannst» erscheint am 18. September. Darin will der einstige «DSDS»–Kandidat die Leser nicht nur zu den Antworten auf schwerwiegende Fragen führen, die bereits in ihnen selbst schlummern, sondern teilt auch persönliche Geschichten.
Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät Biyon Kattilathu, was für ihn persönlich die grösste Frage seines Lebens ist und wie er seine eigenen Tipps umsetzt. Ausserdem reflektiert er über seine neue Rolle als Vater, erinnert sich an seine «DSDS»– und «Let's Dance»–Teilnahmen zurück – und spricht natürlich auch über den Skandal rund um seine Person.
«Die Fragen deines Lebens» ist für Sie Ihr bisher persönlichstes Buch. Was macht das Buch so besonders?
Biyon Kattilathu: In dem Buch geht es um sehr viele persönliche Geschichten. Es geht natürlich um Tipps, es geht um Nachhaltigkeit, dass Menschen wirklich was mitnehmen für ihr Leben, aber es geht auch um Ehrlichkeit und um meine Geschichte dahinter. Die Menschen werden mich danach noch mal ganz anders sehen und verstehen, warum ich über diese Dinge spreche und warum ich auf die jeweilige Frage antworten darf.
In Bezug auf den Titel Ihres Buches – was ist für Sie die grösste Frage Ihres Lebens?
Kattilathu: Es gibt ein paar grosse Fragen, die uns alle beschäftigen, zum Beispiel: Was macht glücklich? Was ist der Sinn des Lebens? Das sind die Fragen, die immer mitschwingen, auch bei mir natürlich. Das sind die Fragen, die jeden Tag mit mir aufstehen und schlafen gehen.
Sie sagen selbst über sich, dass Sie nicht der beste Autor sind. Wie schaffen Sie es trotzdem, Ihre Gedanken in Worte zu fassen?
Kattilathu: Ich will ich gar nicht der beste Autor sein. Wenn man vom «Besten» spricht, dann steht man ja automatisch im Vergleich zu anderen – ich versuche aber wirklich, meine Sachen ohne Vergleich zu machen. Das klingt ein bisschen poetisch, aber es ist oft so, dass ich mich einem Thema einfach hingeben muss, dann schreibt es sich fast von selbst. Es ist ein Eintauchen ins Sein – also nicht das Schreiben an sich wird in den Vordergrund gestellt, sondern: Ich möchte jetzt sein. Ein Mensch sein, der seine Gedanken aufs Papier bringt, weil da jemand ist, dem ich helfen kann mit ein paar Worten. Das ist das Wichtige, für uns alle, fürs Leben, dass es vielmehr darum geht zu sein und nicht zu versuchen, uns über unser Tun zu definieren.
Sie sprechen am Anfang des Buches darüber, dass Ihre Teilnahme bei «DSDS» 2007 Ihr «Weg von der Strasse» war. Wieso haben Sie sich für DSDS als diesen Ausweg entschieden?
Kattilathu: Gefühlt war es damals so, dass man mit wenigen finanziellen Möglichkeiten versucht hat, etwas zu bewegen, für sich und für andere. Ich habe gerne gesungen, das war die eine Sache. Auf der anderen Seite war «DSDS» damals total im Hype, jeder hat davon gesprochen. Mich und meine Freunde hat es vor allem gereizt, dass es da um Talent ging, um eine Kunstform. Es ging nicht um Kontakte oder darum, woher du kommst. Deswegen dachte ich, ich gehe einfach mal hin. Ich glaube, dass es die Mischung aus diesem Prinzip Hoffnung war und dieser Kunstform, die man liebte. Dazu kam unsere krasse Neugier, denn wir wollten einfach immer neue Dinge ausprobieren. Wir haben das Ganze aber spielerisch gesehen, es war also nie mit bitterem Ernst verbunden.
Würden Sie sagen, Ihre Teilnahme bei «DSDS» war ein Wendepunkt in Ihrem Leben?
Kattilathu: Ich glaube, es war kein Wendepunkt, sondern ein Punkt meines Lebens. Steve Jobs hat damals von «connecting the dots» gesprochen – die Punkte verbinden. Der Punkt wirkt sich heute auf mein Leben aus: Ich habe mich meinen Ängsten gestellt, ich musste Mut entwickeln, ich musste auf den Punkt konzentriert sein. Das hat mich schon beeinflusst.
Ihren ersten Vortrag haben Sie vor zwölf Menschen gegeben, von denen sechs Ihre Freunde waren. Wie ist es für Sie, heute vor ausverkauften Hallen zu sprechen?
Kattilathu: Ich habe auch sehr gerne vor zwölf Leuten gesprochen, das macht total Spass. Wenn du in 24 kritische Augen blickst, ist es manchmal herausfordernder, als wenn du vor 2.000 Leuten spricht, die dich gar nicht richtig ansehen können. Es ist nicht besser oder schlechter und beim Aufregungslevel tut sich da auch nicht viel. Damals wie heute ist das Warum bei mir gleich geblieben. Ich habe damals gedacht: Ich habe jetzt die Chance, das Leben von zwölf Menschen zu verändern. Das ist ein krasses Geschenk, das ist nicht zu unterschätzen. Deswegen bin ich auch sehr froh, dass diese sechs Leute da waren – und natürlich auch die sechs Freunde, auf die ich auch heute noch immer zählen kann.
In Ihrem Buch geben Sie viele Tipps bezüglich Selbstliebe. Schaffen Sie es, sie wirklich alle selbst umzusetzen?
Kattilathu: Ich stehe vor ähnlichen Herausforderungen wie jeder andere Mensch. Ich muss mich selbst oft daran erinnern, manchmal höre ich sogar meinen Podcast im Auto und denke mir: Hey, stimmt, der hat Recht! Diese ständige Erinnerung ist entscheidend. Deswegen war es mir auch so wichtig, ein Buch zu verfassen, damit wir ein Werk haben mit Fragen, die immer da sind und man immer wieder darauf zurückgreifen kann. Natürlich gibt es auch bei mir Dinge, die ich nicht beeinflussen kann – Gott sei Dank, es wäre komisch, wenn ich immer gut drauf wäre. Was sich verändert hat bei mir: Ich habe ein krasses Bewusstsein für mich und meine Gefühle entwickelt und finde dann relativ schnell eine Lösung.
Sie schreiben, dass Sie im letzten Jahr eine «mediale Aufmerksamkeit» erfahren haben, mit der Sie nie gerechnet hätten. Wie war es für Sie, jeden Tag neue Dinge über Ihr Privatleben zu lesen?
Kattilathu: Es war wechselhaft. Mal spannend, mal sehr interessant. Da waren auch viele Dinge, die ich selbst noch gar nicht wusste – das ist natürlich humorvoll gemeint. Es ist anders, ein Jahr später auf Dinge zurückzublicken, als in dem Moment zu sein. Aber ich sage ja nicht ohne Grund: Manchmal gewinnst du, manchmal lernst du. Ich habe aus allen Momenten gelernt und es hat mich persönlich natürlich geformt. Es hat meine Beziehungen geformt, ich habe festgestellt, auf wen ich zählen kann. Und natürlich ist das auch der Preis, den man zahlt. Jeder, der in der Öffentlichkeit stehen oder Social Media nutzen möchte, muss bereit sein, einen Preis zu zahlen. Und ich bin bereit, diesen Preis zu zahlen, weil mir die Arbeit und das, was ich tue, viel wichtiger ist als Dinge, die mit meiner Person verknüpft sind.
Wie geht es Ihnen damit, dass diese Aufmerksamkeit jetzt ja auch wieder abgeebbt ist? Spürt man da eine Leere?
Kattilathu: Nein, eine Leere spüre ich Gott sei Dank relativ selten. Es sind andere Dinge, die mich erfüllen. Presseartikel erfreuen mich vielleicht mal oder verwundern mich, manchmal ärgern sie mich – aber das sind alles Emotionen, die kommen und gehen. Wirkliche Erfüllung ist nur durch Liebe möglich und die geht in erster Linie von meiner Familie aus. Wenn ich meinen Sohn gleich mit seinen Hühnern spielen sehe, dann ist das erfüllend – und dann ist da kein Platz für Leere.
Sie schreiben, dass Sie die Gefühle zu Ihrem Sohn nicht in Worte fassen können. Wie hat er Ihr Leben verändert?
Kattilathu: Das ist übermenschlich, was da passiert, das Wunder der Geburt ist faszinierend. Bei der Geburt meines Sohnes war Höhepunkt und Tiefpunkt direkt nacheinander, das wünscht man keinem Menschen. Die Geburt war der siebte Himmel – und dann ein paar Sekunden später zu erfahren, dass er leblos ist und fünf Wochen auf der Intensivstation verbringen wird... Von ganz oben nach ganz unten zu fallen, das war eine sehr harte Landung. Das hat natürlich sehr viel in mir verändert. Aber Gott sei Dank, mit der Liebe der Familie, mit dem Glauben, mit Gottes Hilfe sieht alles sehr gut aus. Und dafür sind wir unendlich dankbar.
Kommen wir noch mal zurück zu dem Medienrummel. Anfangs haben Sie sich sehr mit den Hate–Nachrichten auseinandergesetzt. Wie sieht es heute aus: Bekommen Sie noch viele solcher Nachrichten und wie ist Ihr Umgang damit?
Kattilathu: Hate–Nachrichten gehören eben auch zu dem Preis, den man zahlen muss, wenn man in der Öffentlichkeit steht. Vor ein paar Jahren hatten sie noch eine Chance, mich irgendwie zu berühren. Wenn es Phasen gibt, wo es mehr Hate gibt, ist es natürlich intensiver, aber ich habe ein sehr, sehr grosses Herz und sehr viel Mitgefühl mit diesen Menschen. Nicht Mitleid, sondern Mitgefühl, weil ich ja weiss, dass die oftmals in einem grossen Schmerz leben. Die Lösung ist auch hier die Liebe: Ich versuche, die Wut rauszunehmen und mit Liebe zu antworten – das ist der Moment, in dem ich das gebe, was dem Gegenüber fehlt. Das versuche ich einfach zu leben.
Sie haben sich nie wirklich zu dem Skandal rund um ihre Person geäussert. Haben Sie manchmal das Bedürfnis, Ihre Sicht der Dinge doch noch auszupacken?
Kattilathu: Nein, für mich ist alles gesagt. Es geht ja auch im Buch darum, die Vergangenheit loszulassen, nicht in der Vergangenheit zu leben. Deswegen bin ich sehr präsent und grösstenteils voll im Moment. Wenn ich mir die Welt anschaue, nicht nur die individuellen Wünsche, sondern auch die gesellschaftlichen Herausforderungen, dann gibt es einfach viel Wichtigeres als kleine Kriege und irgendwelche Dinge, die mein Ego vielleicht noch streicheln würden.
Apropos kleine Kriege: Als Jugendlicher mussten Sie wegen einer Prügelei Sozialstunden ableisten. Kamen Sie danach je wieder in Konflikt mit dem Gesetz?
Kattilathu: Es gab schon die eine oder andere Prügelei – ich kann zeitlich nicht einordnen, ob es danach noch etwas gab. Das war einfach eine Zeit, in der man auf der Strasse rumhing. Jetzt im Nachhinein würde ich sagen, ich hing viel mit den falschen Leuten ab, die immer in stressige Situationen kamen und dann war ich mittendrin. Die Sozialstunden waren von daher wirklich gut, weil sie mir die Augen geöffnet haben. Auch mithilfe meiner Eltern, die voller Trauer und Enttäuschung waren, als ich vor Gericht verurteilt wurde. Das zu sehen, hat extrem viel verändert. Manchmal ist es so, dass einem erst klar wird, was man eigentlich gemacht hat, wenn man andere leiden sieht. Deshalb war das ein wichtiger Wendepunkt in meinem Leben.
Sie schreiben, Sie haben zu Beginn Ihres Berufslebens den Lebenstraum Ihrer Eltern gelebt, statt Ihres eigenen. Hegen Sie deswegen Groll gegen sie?
Kattilathu: Es ist immer alles richtig so, wie es gekommen ist. Es war in jedem Moment immer die beste Leistung von allen. Meine Eltern haben aus dem damaligen Moment heraus, mit ihren Wertvorstellungen und ihrer Perspektive aufs Leben, immer versucht, ihr Bestes zu geben. Für sie persönlich war das Beste das, was sie sich für sich selbst wünschten, beziehungsweise was in Indien als wünschenswert galt. Deswegen haben sie mich dazu motiviert, Ingenieur zu werden und meinen Doktor zu machen. Ich bin total dankbar für die Momente, ich habe im Studium Freunde fürs Leben getroffen, ich habe gelernt, strukturiert zu arbeiten – also Dinge und Eigenschaften, die ich nicht missen möchte. Manchmal ist es ja auch gut zu wissen, was man nicht möchte und was einen nicht erfüllt.
Sie beschreiben, dass Ihre Kollegen bei «Let's Dance» die Zeit dort oft als stressig wahrgenommen haben, was bei Ihnen nicht so war. Wie blicken Sie heute auf Ihre Teilnahme zurück?
Kattilathu: Voller Dankbarkeit. Es gab Leute, die diesen Weg nicht geniessen konnten, dabei ist das für uns alle so wichtig. Wir brauchen natürlich Ziele, um uns in eine gewisse Richtung zu bewegen, wir brauchen Visionen, um mit höherschlagenden Herzen loszugehen. Aber der Weg ist entscheidend. Es geht darum, mich voll einzulassen und zu versuchen, mein Bestes zu geben, um jeden Moment kostbar zu machen. Gestern bin ich von Berlin nach Hause gefahren und habe viele Dinge Revue passieren lassen, weil ich an vielen Stationen meines Lebens vorbeigefahren bin und da habe ich gedacht: «Let's Dance» war richtig, richtig schön. Tolle Menschen, tolle Erfahrungen und die möchte ich nie mehr missen.