Björn Resener (40) lebt mit seiner Frau Elisabeth (41) und den Söhnen Arthur (11) und Enno (6) da, wo man einen Gewerkschafter zuletzt vermutet: am bürgerlich geprägten Zürichberg. «Klar werde ich oft hochgenommen, wenn ich sage, wo ich wohne. Doch mittlerweile betone ich es sogar», sagt der Geschäftsführer des Zürcher Gewerkschaftsbundes und schmunzelt. Als der Deutsche seiner Frau vor rund zehn Jahren von Berlin-Kreuzberg nach Zürich folgte – sie hatte damals bereits eine Stelle als Fagott-Spielerin am Zürcher Opernhaus –, habe die Mietwohnung mit Gartenzugang am besten gepasst. «Zudem trifft das Klischee von den reichen Leuten am Zürichberg längst nicht auf alle zu.»
Resener hat die Kampagne zum Mindestlohn in Zürich und Winterthur orchestriert. Der Erfolg ist auch für ihn «überwältigend»: Zwei Drittel stimmten am Sonntag Ja. «Als ich die ersten Resultate sah, dachte ich, da sei ein Fehler passiert.» Über die Gründe für das klare Votum kann Resener, der von SP und Grünen unterstützt wurde, nur spekulieren. «Natürlich spüren alle die steigenden Kosten für Miete oder Lebensmittelpreise. Und wissen darum, dass man mit weniger als 23.90 Franken Stundenlohn in Zürich nicht leben kann.» Der Schlüssel zum Erfolg sind für ihn die Betroffenen, welche die «Ein Lohn zum Leben»-Kampagne prägten: «Frauen aus Tiefstlohnbranchen wie der Reinigung sind öffentlich hingestanden. Ohne ihren Mut hätte es nicht funktioniert.»
Seinen Sinn für sozialen Ausgleich und Gerechtigkeit geprägt hat seine Mutter Bettina, 69. Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 musste sich die Gymnasiallehrerin in einer Kleinstadt in Sachsen-Anhalt neu bewerben, wie viele im Osten. Zwar behält sie die Anstellung, allerdings wurde sie als «Ost-Lehrerin» in eine tiefere Gehaltsklasse eingestuft. «Ein Berufseinsteiger aus dem Westen verdiente mehr als meine Mutter mit jahrelanger Erfahrung. Unfassbar!»
Bevor Resener in Berlin Politikwissenschaften studiert, geht er als Kadersportler aufs Internat – er spielt Volleyball und Beachvolley. «Zum Profi fehlte mir das Talent, und mich interessierte einfach noch anderes als Sport.» Nach dem Studium arbeitet er für einen Gewerkschafter im Bundestag. «Diese Erfahrungen helfen mir bis heute.» Die letzten Wochen waren für die Reseners intensiv. «Wir haben am Sonntag kurz angestossen. Als die Anspannung von mir abfiel, konnte ich nur noch aufs Sofa liegen.»
Seine Frau Elisabeth ist froh, dass sich die Arbeit ausgezahlt hat. «Ich freue mich sehr, dass Björn mit seinen Ideen etwas bewegt hat.» Auch sie war stark eingespannt: Als Mitglied der Gleichstellungskommission des Kantons Zürich engagierte sie sich für den Frauenstreik. Zu Hause sorgte derweil «Omi Resi» für Ordnung. Sie reist jeweils aus Deutschland an, wenns brennt. «Dort wurde ich schon gefragt, ob ich noch keinen Schweizer Pass habe», sagt sie augenzwinkernd.
Björn Resener will nächstes Jahr Schweizer werden – seine Frau und die Kinder haben den roten Pass bereits. «Ich fühle mich hier inzwischen zu Hause.» Auf die Frage, was er an der Schweiz am meisten schätzt, ist die Antwort klar: «das System der direkten Demokratie.» Dass die Gegner des Mindestlohns diesen nun gerichtlich anfechten wollen, bringt Resener, der 7900 Franken im Vollzeitpensum verdient, nicht aus der Ruhe. «Wir haben alles rechtlich geprüft. Der Rekurs ist chancenlos.» Leid tue es ihm um die Verzögerung. Dafür freut er sich über Städte wie Luzern oder Bern, die jetzt nachziehen wollen. «Es ist schön zu sehen, wie wir den Mindestlöhnen in der Deutschschweiz zum Durchbruch verholfen haben.»