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Ein Mann kämpft um sein Leben

Christoph Daum: Die krebskranke Trainer-Legende wird 70 Jahre alt

Christoph Daum, einer der legendärsten deutschen Fussball–Trainer, hat Lungenkrebs, lässt sich davon aber nicht bremsen. Er zeigt sich unbeugsam und feiert seinen 70. Geburtstag mit etwa 200 Gästen und anschliessender TV–Dokumentation.

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Christoph Daum am 21. Oktober 2023 bei der «NDR Talk Show».
Christoph Daum am 21. Oktober 2023 bei der «NDR Talk Show». Imago/APress

Es geht ihm nicht besonders gut, man könnte auch sagen, es geht ihm schlecht. Christoph Daum, einer der bekanntesten deutschen Fussballtrainer, hat Lungenkrebs. Eine Diagnose, die anderen den Boden unter den Füssen wegzieht. Doch was macht Daum? Er feiert!

Am Dienstag, den 24. Oktober, wird er 70. Er sagt, dass es nie eine Option war, seinen runden Geburtstag nicht zu feiern. Also hat er rund 200 Freunde und Weggefährten in ein brasilianisches Restaurant in Köln eingeladen. Vorher schaut man sich in einem Kino noch Ausschnitte eines Films an, den der TV–Sender Sky über ihn gedreht hat. Die Doku «Daum – Triumphe und Skandale» wird am kommenden Freitag von Sky und Wow ausgestrahlt. Es ist eine journalistische Aufarbeitung des Lebens von Christoph Daum. Er würde sich aber auch als Hauptfigur eines Spielfilms eignen, denn er hat mit seiner verwegenen Mentalität und einer abenteuerlichen Vergangenheit viel zu bieten.

Die Dokumentation zeigt die Geschichte eines intelligenten und überaus ehrgeizigen jungen Mannes, der nach dem Abitur Sportwissenschaften und Erdkunde auf Lehramt studiert und als Jugendtrainer des 1. FC Köln eine atemberaubende Karriere startet, auf deren Haben–Seite elf Titel in Deutschland, Österreich und der Türkei stehen. Daum kann aber auch mit einer markanten negativen Seite dienen, wie sie nun mal zu jeder guten Geschichte dazugehören muss.

Beinahe wäre Christoph Daum DFB–Trainer geworden

Auf dem Höhepunkt seiner sportlichen Laufbahn soll er – nach einer deutschen Meisterschaft mit dem VfB Stuttgart, einem Pokalsieg, einer Meisterschaft in der Türkei (mit Beşiktaş Istanbul) und einer Beinahe–Meisterschaft mit Bayer Leverkusen – die Michael Ballack (47) durch ein legendäres Eigentor in Unterhaching vergeigt hat – im Jahr 2001 Trainer der deutschen Nationalmannschaft werden. Da sagt sein damaliger Intimfeind Uli Hoeness (71) in einem Interview über den «verschnupften Daum», der DFB könne doch keine Aktion «Keine Macht den Drogen» starten «und Herr Daum hat vielleicht damit was zu tun...»

Diese Äusserung versetzt nicht nur Fussball–Deutschland in Aufruhr. Millionen von selbsternannten Experten verweisen auf Daums angeblich eigenartig stechenden Blick, es wäre doch sonnenklar, dass so einer immer auf Speed oder sonst was sei. Wie der sich auch an der Seitenlinie gebärde...

Daum beteuert öffentlich seine Unschuld und veranlasst eigenständig eine Haaranalyse auf Drogenrückstände: «Ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe.» Dieser Satz wird ihm zum Verhängnis. Wenige Tage später wird ihm in einem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Uni Köln Kokainkonsum nachgewiesen. Er wird als Trainer von Bayer Leverkusen fristlos entlassen, der DFB löst seinen Vertrag als Nationalcoach auf. Daum ist am Ende und flieht nach Florida.

In der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck eines rauschgiftsüchtigen Lügners, der sich mit Kokain eine Scheinwelt aufgebaut hat, die alle Realitäten leugnet und ihn glauben lässt, dass selbst ein freiwilliger Haartest ihm nichts anhaben kann... Später sagt er im «Spiegel», er habe «zuvor eine anonyme Haaranalyse im Ausland durchführen lassen, das Ergebnis war negativ. Damit glaubte ich, nichts befürchten zu müssen und liess mich auf diesen Satz ein, auch wenn ich kein absolut reines Gewissen hatte. Dieser Satz fällt mir noch heute auf die Füsse. Aber: Ich habe ihn ausgesprochen, ich übernehme die Verantwortung dafür.»

So kam es zum Konsum von Kokain

In einem RTL–Interview erklärt er, wie es zu seinem Kokskonsum gekommen ist. Er habe sich nach der Trennung von seiner ersten Frau Ursula in einer schwierigen Situation befunden. «Du hast was getrunken, Freunde oder Bekannte sind mit dabei und sagen: ‹Komm, nehmen wir alle, ist doch nicht schlimm.› Und wenn du dich dann in einer labilen Lebenssituation befindest, wie es bei mir der Fall war, denkst du dir: ‹So what?› Dann nimmst du mal etwas, um eine Art Selbsttest zu machen, wie das wirkt.»

Er hat auch danach erfolgreich gearbeitet, wieder in der Türkei (zwei Meisterschaften mit Fenerbahçe Istanbul), in Österreich (Meisterschaft und Pokalsieg mit Austria Wien), als Nationaltrainer von Rumänien (Qualifikation zur WM 2018). Auch wenn der ganz grosse Wurf in der Bundesliga nicht mehr dabei war (abgesehen von einem Aufstieg mit dem 1. FC Köln), sportlich war Daum rehabilitiert.

Privat lief ebenfalls alles wieder in ruhigeren Bahnen: 2007 heiratet er die Musical–Sängerin Angelica Camm, mit der er einen Sohn und eine Tochter hat (plus zwei Kinder aus erster Ehe). Die Trauung wird standesgemäss im Mittelkreis des Kölner Stadions vollzogen. Diese Symbolik passt zu Daum. Er fightet nun für seinen guten Ruf, denn eines ist ihm geblieben: Die Leute wissen, dass er kämpfen kann, dass er nie klein beigibt. Koste es, was es wolle.

Doch dann wird er krank. Im Sommer 2011 wird bekannt, dass er an Hautkrebs leidet. Und Christoph Daum, der bislang als extrovertierter Einzelgänger gilt, umgibt auf einmal die Aura des Tragischen. Die hatte nur Franz Beckenbauer (78) schon zehn Jahre vorher bei ihm erkannt. «Er ist krank, man muss ihn heilen», sagte der damalige DFB–Vizepräsident, als Daums Kokain–Affäre bekannt wurde. Nach mehreren Operationen erklärt Daum, dass er den Hautkrebs überstanden habe, doch im Mai 2022 wird dem ehemaligen Raucher nach einer Routineuntersuchung erklärt, dass er Metastasen an Brustwirbel vier habe, später werden auch in der Lunge Krebszellen entdeckt.

Christoph Daum hatte 22 Chemotherapien

Mit der Diagnose kommen natürlich auch Ängste auf, doch davon lässt sich Christoph Daum nicht einsperren. In der TV–Doku spricht er von seinen 22 Chemotherapien, er erzählt, wie er Gewicht und Haare verloren hatte, wie er um sein Leben kämpft und die Therapien eine «positive Wirkungen» zeigen, «die Krebszellen gehen leicht zurück». Wie sein Arzt ihm Hoffnung macht: «Sie sind ein extrem unkomplizierter Patient. Sie beschweren sich nie, Sie haben eine extrem positive Haltung.» Die Kameras begleiten ihn zur Chemo in die Uniklinik, er hängt am Schlauch. «Dieser Tropf verdeutlicht mir auch immer so ein bisschen unsere Endlichkeit», sagt er auf der Krankenliege.

Uli Hoeness hat ihn angerufen und ihm Mut gemacht, für die TV–Doku ist er sogar an den Tegernsee gefahren und hat den Ehrenpräsidenten des FC Bayern getroffen. Die beiden ehemaligen Feinde reden miteinander, und Hoeness sagt, dass «nur zwei grosse Persönlichkeiten sich so bekämpfen» könnten. Daum antwortet, dass ihn dieser Satz «sehr berührt» habe.

Nach der Geburtstagssause möchte er ein grosses Weihnachtsfest feiern, mit seiner Frau, den Kindern und Enkeln. Man wolle gemeinsam nach Österreich, bis dahin plane er jedenfalls.

Als ihn die «Bild»–Zeitung bei einem Interview zu seiner Krebserkrankung ernsthaft fragt, ob er «zur Schmerzlinderung» Marihuana rauchen würde, antwortet Daum schmunzelnd: «Nee, das lehne ich ab. Von Drogen aller Art habe ich die Nase voll!» Da war er wieder, sein Sündenfall von vor über 20 Jahren. Er wird ihm bleiben, egal was geschieht.

Christoph Daum weiss das und sagt, das gehöre nun mal zu seiner Vita: «Dat nennt man Leben.»

Von SpotOn am 24. Oktober 2023 - 12:50 Uhr