Der Darm ist der Schlüssel zu unserer Gesundheit. Das sensible Organ wirkt sich nicht nur auf die Verdauung aus, sondern kann die Haut, die Psyche und das allgemeine Wohlbefinden beeinflussen. Das weiss auch Saskia Johanna Rosenow, deren eigene persönliche Notlage sie in die Welt der Darmgesundheit geführt hat. Jahrelang litt sie unter massiven Beschwerden im Unterleib, deren Ursache zunächst nicht gefunden werden konnte. Erst die Diagnose von Verwachsungen und der jahrelange Einsatz von Schmerzmitteln führten dazu, dass sie selbst die Verantwortung für ihre Gesundheit übernahm. «Anstatt die Ursache zu behandeln, wurden über Jahre hinweg nur die Symptome behandelt», sagt die Ernährungsberaterin im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.
Noch während des Abiturs begann sie, sich mit alternativen Heilmethoden, ganzheitlichen Ansätzen und traditionellen Hausmitteln zu beschäftigen. Inzwischen ist sie ausgebildete Gesundheits– und Ernährungsberaterin und teilt ihr Wissen mit anderen, unter anderem in ihrem neuen Buch «Der 4–Schritte–Plan für einen gesunden Darm» (ZS Verlag, ab 5. Februar erhältlich). In vier Schritten vermittelt sie, wie entscheidend der Darm für unsere Gesundheit ist, gibt Tipps zur gezielten Entgiftung des Darmtraktes, den Aufbau einer gesunden Darmflora und zum Erlernen gesunder Gewohnheiten im Alltag. Zudem gibt die Autorin konkrete To–dos und passende Rezepte mit auf den Weg.
Im Interview erklärt sie, warum der Darm auch unser «zweites Gehirn» ist, welches Getränk jeder in seinen Alltag einbauen sollte und welche Lebensmittel man lieber weglassen sollte.
Warum ist der Darm für die Gesundheit des gesamten Körpers so entscheidend?
Saskia Johanna Rosenow: Im Darm sitzen etwa 80 Prozent unserer Immunzellen, und er ist der Spiegel unseres emotionalen Zustands. Er produziert etwa 90 Prozent des Serotonins, das sogenannte Glückshormon. Ein gesunder Darm kann somit nicht nur unsere Verdauung, sondern auch unsere Stimmung und unser Wohlbefinden positiv beeinflussen.
Darüber hinaus sorgt der Darm für die Aufnahme essenzieller Nährstoffe, die für nahezu alle Prozesse in unserem Körper benötigt werden – von der Energiegewinnung bis zur Zellreparatur. Ein gestörter Darm kann zu Nährstoffmängeln führen, die langfristig körperliche und geistige Beschwerden verursachen können.
Was viele nicht wissen: Der Zustand unserer Darmflora, also der Billionen von Mikroorganismen im Darm, entscheidet mit darüber, wie gut unser Immunsystem funktioniert, wie belastbar wir sind und wie gut unser Körper Entzündungen regulieren kann. Eine gestörte Darmflora kann die Entstehung chronischer Erkrankungen wie Allergien, Autoimmunerkrankungen oder sogar Depressionen begünstigen.
Was sind die häufigsten Anzeichen dafür, dass unser Mikrobiom aus dem Gleichgewicht geraten ist?
Rosenow: Die Haut wird oft als Spiegel des Darms bezeichnet, da beide über die sogenannte Darm–Haut–Achse eng miteinander verbunden sind. Typische Anzeichen sind Verdauungsbeschwerden, die von der Norm abweichen – zum Beispiel, wenn kein täglicher, problemloser Stuhlgang stattfindet oder die Konsistenz nicht stimmt. Weitere Symptome können Nahrungsmittelunverträglichkeiten, chronische Energielosigkeit, depressive Verstimmungen oder ein geschwächtes Immunsystem sein.
Wie hängen der Darm und die Psyche zusammen?
Rosenow: Über die Darm–Hirn–Achse steht der Darm in direkter Verbindung mit unserem Gehirn und reagiert auf unsere Emotionen – Stress, Angst oder andere Gefühlszustände wirken sich direkt auf seine Funktion aus. Da der Darm auch ein eigenes, «enterisches Nervensystem» besitzt, nennt man ihn auch unser «zweites Gehirn» oder «Bauchhirn».
Stress ist dafür ein gutes Beispiel: Bei starker Anspannung oder Angst schüttet der Körper das Stresshormon Cortisol aus, was die Darmbewegungen entweder beschleunigen oder hemmen kann. Das erklärt, warum viele Menschen vor wichtigen Ereignissen oder in extrem aufregenden Situationen regelrecht «Schiss» haben – im wahrsten Sinne des Wortes – und mit Durchfall oder Bauchkrämpfen reagieren. Emotionaler Ballast und dadurch übermässige unbewusste Anspannung führt zum Beispiel oft dazu, dass die Darmmuskulatur ebenfalls angespannt ist, wodurch sich die Verdauung verlangsamt, was häufig zu Verstopfung führt – sich «bedrückt fühlen» wäre hier dann passend.
Welche häufigen Fehler machen viele Menschen in Bezug auf ihre Ernährung, die sich negativ auf die Darmflora auswirken können?
Rosenow: Viele Menschen sind heute leider viel zu bequem geworden, wenn es um ihre Ernährung geht. Fertiggerichte wie Tiefkühlpizza oder Döner sind schneller und einfacher, aber sie bieten kaum Nährstoffe und tragen wenig zur Förderung einer gesunden Darmflora bei. Unsere heutige Ernährung ist oft «tot», weil wir keine Lebensmittel mehr fermentieren oder haltbar machen, wie es früher der Fall war. Dabei sind genau diese Lebensmittel wichtig, um unsere probiotischen Bakterien zu füttern und zu unterstützen.
Stattdessen sind unsere heutigen Mahlzeiten häufig von Zucker, Konservierungsstoffen und Zusatzstoffen geprägt, die unsere gesunden Darmbakterien überfordern. Dazu kommt die Einnahme von Medikamenten, insbesondere Antibiotika, die den Verdauungstrakt negativ beeinflussen und das Gleichgewicht der Mikroorganismen stören. Dazu kommen Umweltgifte und chronischer Stress. Dies alles führt dazu, dass unerwünschte Bakterien oder Pilze wie Candida albicans freien Lauf haben und sich ausbreiten können. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass unser Darm aus dem Gleichgewicht gerät ...
Welche Lebensmittel sind besonders gut für den Darm?
Rosenow: Lebendige Nahrungsmittel, die voller probiotischer Mikroorganismen sind, also solche, die natürliche Fermentation durchlaufen haben. Dazu gehören Lebensmittel wie selbstgemachtes Sauerkraut, Kimchi, Kefir und Joghurt, aber auch ballaststoffreiche Lebensmittel wie Obst und Gemüse. Auch Präbiotika, die zum Beispiel in Zwiebeln, Knoblauch, Chicorée und Artischocken vorkommen, sind entscheidend, da sie das Wachstum gesunder Bakterien im Darm anregen. Am besten findet man Stück für Stück zurück zur traditionellen Ernährungsweise, denn selbstgemachte Lebensmittel (wie z. B. das Sauerteigbrot aus meinem Buch) sind immer förderlich für unser Mikrobiom.
Auf welche Nahrungsmittel sollte man auf jeden Fall verzichten?
Rosenow: Gesunde Ernährung bedeutet nicht Verzicht, sondern bewusste Entscheidungen zu treffen und weniger gesunde Nahrungsmittel durch bessere Alternativen zu ersetzen. Anstatt auf stark verarbeitete Lebensmittel wie Fertiggerichte, Fast Food oder zuckerhaltige Snacks zu setzen, kannst du sie durch selbstgemachte, natürliche Optionen ersetzen. Zum Beispiel kannst du fertige Saucen oder Dressings durch eigene, frische Varianten aus Olivenöl, Essig und Gewürzen ersetzen. Oder statt industriell gefertigte Snacks auf selbstgemachte Energieriegel oder Nüsse zurückgreifen.
Gibt es eine Sache, die jeder in seine tägliche Routine einbauen kann, um eine gute Darmgesundheit zu fördern?
Rosenow: Oh ja, und zwar kennen viele bereits das morgendliche Zitronenwasser, das ist eine gute Möglichkeit, gesund in den Tag zu starten. Doch für die Darmgesundheit gibt es eine noch gezieltere Option: das morgendliche Glas Wasser mit einem kleinen Schuss naturtrübem Apfelessig. Apfelessig ist lebendig, da er noch die natürlichen Enzyme und probiotischen Bakterien enthält, insofern diese im Herstellungsprozess nicht zerstört wurden (immer auf die Qualität und den Schriftzug «nicht pasteurisiert» achten). Diese lebendigen Mikroorganismen können das Mikrobiom im Darm unterstützen, die Verdauung anregen und somit die Darmgesundheit fördern. Es ist eine einfache, aber äusserst effektive Gewohnheit, die man leicht in die tägliche Routine integrieren kann.
Wie lange dauert es in etwa, den Darm zu heilen?
Rosenow: Ein kranker Darm kann sich auf verschiedenen Ebenen bemerkbar machen. Körperliche Symptome (wie Reizdarm oder chronische Verstopfung) können auf eine ungesunde Ernährungsweise hinweisen, aber ebenso auf emotionale Belastungen oder frühkindliche Traumata. Und genauso individuell wie die Symptome sein können, ist auch die Heilungsdauer. Es ist schwer, eine pauschale Zeitspanne zu nennen, da jeder Körper und jede Situation einzigartig ist.
Als kleine Motivation möchte ich jedoch sagen, dass sich die Schleimhautzellen im Darm alle vier bis sieben Tage erneuern. Dein Körper arbeitet also ständig daran, deine Darmgesundheit zu verbessern – mit dir und für dich. Wenn du die richtigen Weichen stellst, wird sich auch dein Darm nachhaltig erholen. Schon wenige Tage nach Beginn eines gezielten Programms wie dem in «Der 4–Schritte–Plan für einen gesunden Darm» können erste positive Veränderungen spürbar werden.