Ueli Ramseier, 74, ist ein Dorforiginal wie aus dem Bilderbuch: Im Emmentalerdialekt erzählt er alte Geschichten, während er den Strohhut richtet. Gleichzeitig schaut er sich im wohl wichtigsten Raum von Zäziwil um, in einem Holzschuppen an der Hauptstrasse. Riffelbretter, Brechböcke und andere Gerätschaften lagern hier, bis einmal im Jahr ihr grosser Auftritt ansteht: an der Brächete – dieses Jahr am 27. September. Wie Flachs früher zu Leinenstoffen verarbeitet wurde, zeigt der 68-jährige Brauch. 40 Jahre war Ramseier Mitorganisator und teilte altes Handwerk – Brächen, Schingeln, Weben und Dreschen – mit jüngeren Generationen. «Trotzdem bezahle ich gleich viele Steuern …» Seit vier Jahren besucht er die Feier nun als Gast. Bei der letzten Brächete habe es wie aus Kübeln gegossen. «Die Zäziwiler und die vielen Besucher aus nah und fern hat das nicht gestört. Das Fest war super, wie immer», sagt Ramseier. Dass das Zäziwiler Urgestein ein wichtiger Bestandteil der Brächete wurde, beruht auf Zufall. 60 Jahre war er in der einheimischen Hornusser-Gesellschaft. «Es hiess: ‹Ihr könnt bestimmt auch bohren und Festzelte aufbauen›, und schon waren wir eingespannt.» Dafür genossen die Hornusser grosse Beliebtheit. «In unserer Stammbeiz spendierten uns Gäste damals öfter einen Liter Bier.»
Ueli Ramseier, 74, ist ein Dorforiginal wie aus dem Bilderbuch: Im Emmentalerdialekt erzählt er alte Geschichten, während er den Strohhut richtet. Gleichzeitig schaut er sich im wohl wichtigsten Raum von Zäziwil um, in einem Holzschuppen an der Hauptstrasse. Riffelbretter, Brechböcke und andere Gerätschaften lagern hier, bis einmal im Jahr ihr grosser Auftritt ansteht: an der Brächete – dieses Jahr am 27. September. Wie Flachs früher zu Leinenstoffen verarbeitet wurde, zeigt der 68-jährige Brauch.
Nicht weit vom bedeutsamen Holzschuppen steht das Gemeindehaus. Urs Hirschi, 49, ist Präsident des Gemeinderats. Über die Kür zum «Dorf des Jahres» freut er sich. Luftsprünge machen die Bewohner und Bewohnerinnen jedoch nicht. «Dafür ist unser Dorf zu bescheiden.» Die Nominierung für den Wettbewerb verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Sogar Bekannte aus Thailand hätten für Zäziwil abgestimmt. Verdient habe sein Dorf den Sieg allemal. «Hier gibt es echtes Brauchtum, und doch wird Zäziwil gleichzeitig immer urbaner.» Das Dorf sei ruhig, aber gut vernetzt. «Toleranz und Gemeinschaftssinn sind uns wichtig. Jeder hilft dem anderen. Und trotzdem schauen wir den Nachbarn nicht ins Gärtchen.»
Vor 30 Jahren ist Urs Hirschi nach Zäziwil gezogen. Nun ist er mit einem Pensum von etwa 20 Prozent Gemeindepräsident im vierten Amtsjahr. «Momentan fühlt es sich an wie 100 Prozent.» Zudem arbeitet der 49-Jährige als Landwirt. Seit seine drei Kinder ausgezogen sind, bieten er und seine Lebenspartnerin Pia Kindern ein Zuhause.
Dafür vielleicht ins Flachsfeld. Eines der wenigen, die es noch gibt, bearbeitet Margret Aebersold aus dem Nachbarort Niederhünigen BE. Dank der 66-Jährigen kann Zäziwil für seine Brächete den Flachs lokal beziehen. Ihre entsprechende Arbeit macht die Bäuerin ehrenamtlich. «Dafür muss man etwas spinnen», witzelt sie. Es sei schön, wenn sie einen Beitrag zur Brächete leisten könne. An dieser sei es so harmonisch. «Weil wir uns eben nur einmal im Jahr sehen.» Die Landfrau gönnt ihrem Nachbarort den «Dorf des Jahres»-Sieg von Herzen. «Ich bin zwar nicht allzu oft in Zäziwil, aber wenn ich mit dem Velo vorbeifahre, gefällt mir der Ort immer gut.»
Die 66-jährige Bauernfrau versorgt die Brächete mit selbst angebautem Flachs. Vor 25 Jahren hat die Landfrau aus dem benachbarten Niederhünigen BE die Brächete erstmals besucht. Eine Zäziwilerin, die dort ihr Handwerk zeigte, gab ihr ein «Hämpfeli» Flachssamen zum Anpflanzen mit. «Die ersten paar Male gingen total schief.»
Wer meint, im Dorf mit seinen 1600 Einwohnerinnen und Einwohnern gebe es höchstens ein kleines Dorflädeli, der irrt. So produziert die zehnjährige Käserei Eyweid im Zentrum von Zäziwil Emmentaler und Meringue, bietet 40 Arbeitsplätze und hat 90 Lieferanten und auch internationale Kundschaft. «Darauf sind wir stolz», sagt Inhaber Urs Glauser, 65. Gleichzeitig ist es eine Verantwortung, die er und seine Frau Dora gern wahrnehmen. An Dorffesten wie der Brächete sind die beiden immer präsent. «Mittlerweile kennen mehr Leute unsere Gesichter, als uns lieb ist», schmunzelt sie. «Aber dieses Brauchtum muss man einfach erlebt haben!» Für Zäziwil wünscht sich die 64-Jährige, dass es so weitergeht wie bisher. «Und dass aus unserem Dorf keine Schlafgemeinde wird.»
Das Paar mit vier erwachsenen Kindern wohnt seit 30 Jahren in der Region. Der Käse, den ihre Chäsi Eyweid (stammt von «einer Weide») in Zäziwil produziert, wird lokal und über die Jumi AG international vertrieben. Urs, 65, und Dora Glauser, 64, sind im Dorf bekannt als «die mit dem Käse». Die Terrasse vor ihrer Käserei ist ein Ort der Begegnung für die Einheimischen. «Wir haben viele Stammgäste, die bei uns einkaufen oder einen Kaffee trinken.»
Schlafen ist zumindest bei Oliver Sullivan in so mancher Nacht kein Thema. Der 20-Jährige ist nebenberuflich DJ und feiert gerade im Ausland grossen Erfolg. Angefangen hat seine Karriere in seinem Kinderzimmer in Zäziwil. Inspiriert von einem Video des «Tomorrowland», einem elektronischen Tanzmusikfestival in Belgien, begann Sullivan mit zwölf Jahren, auf einem Mischpult zu experimentieren. «Es klang grauenhaft.» Viele Übungsstunden später hatte er seine ersten Gigs. Zuerst in Jugendtreffs, danach in Clubs – obwohl er selbst minderjährig war. «Üblicher wäre es als Zäziwiler gewesen, wenn ich in ein Blasorchester gegangen wäre.» Von seinem jetzigen Wohnort Lyss kehrt der DJ gerne in seine Heimat zurück. Sie erinnert ihn an seine Kindheit. «Wir haben viel ‹Seich› gemacht.» Beispielsweise Klingelstreiche oder Kartoffel-Kanonen gebaut. «Was man auf dem Land eben so macht», bemerkt er trocken. Heute bringt Zäziwil Ruhe in Sullivans Alltag. Das Dorf gefällt ihm. «Na ja, alles ausser dem modernen Kirchturm.
Mit 20 Jahren landete Oliver Berger, wie der DJ bürgerlich heisst, einen Charthit auf Mallorca. Sein Song «Summer on Me» wurde bereits über eine Million Mal gehört. Zwar wohnt Sullivan nicht mehr in Zäziwil, kommt aber immer gern nach Hause. «Das ruhige Dorf ist mein idealer Ausgleich zum lauten Nachtleben», so der Musiker.