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Digitale Dystopie

Ferdinand von Schirach warnt vor Macht Sozialer Medien

Der bekannte Autor und Jurist Ferdinand von Schirach zieht in einem Kommentar erschreckende Parallelen zwischen George Orwells «1984» und der heutigen Informationslandschaft.

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Bestseller-Autor Ferdinand von Schirach hat einen kritischen Blick auf die moderne Informationslandschaft
Bestseller-Autor Ferdinand von Schirach hat einen kritischen Blick auf die moderne Informationslandschaft imago/Panama Pictures / Christoph Hardt

Der prominente Autor und Jurist Ferdinand von Schirach («Schuld», 60) erhebt in einem gesellschaftspolitischen Kommentar erneut seine Stimme. Diesmal mit einer eindringlichen Warnung vor den Gefahren Sozialer Medien. Deren Rolle erinnere ihn an das grotesk manipulative «Wahrheitsministerium» in George Orwells (1903–1950) dystopischen Roman «1984» aus dem Jahr 1949.

Von Schirach, der vor seiner Karriere als Schriftsteller hauptsächlich als renommierter Rechtsanwalt in Erscheinung trat, ist bekannt für seine juristischen Analysen gesellschaftlicher Phänomene. An den aus seiner Sicht verheerenden Auswirkungen der Sozialen Medien auf das Denken der Menschen und das politische Weltgeschehen arbeitet er sich bereits seit Jahren in öffentlichen Bekundungen und Interviews in scharfen Worten ab.

«Wahrheit und Wirklichkeit» in den Sozialen Medien

In einem aktuellen Kommentar für die «Welt» demonstrierte er nun unter der Überschrift «Wahrheit und Wirklichkeit», wie selbst gut dokumentierte und grausame Ereignisse durch digitale Desinformation infrage gestellt werden können. Seinen Artikel beginnt er dabei mit einer detaillierten und schonungslosen Schilderung der Gräueltaten, die am 7. Oktober 2023 von Hamas–Terroristen in Israel verübt wurden. Er stützt sich dabei auf umfangreiche Recherchen der «New York Times» und zahlreiche Zeugenaussagen, die von Morden, Folterungen und systematischer sexueller Gewalt berichteten.

Hamas–Gräuel als Beispiel für digitale Realitätsverzerrung

Obwohl es zu den Massakern am 7. Oktober 2023 in Israel «über 1500 Zeugenaussagen, über 60.000 Videos – unter anderem aus den beschlagnahmten Körperkameras der Terroristen» gäbe, glaubten aufgrund der über Twitter, TikTok und Co. verbreiteten Terror–Propaganda und Falschinformationen «über 90 Prozent der Palästinenser im Gazastreifen und Westjordanland, die Hamas habe in Israel keine Gräueltaten verübt».

Social Media so schlimm wie Orwells «Wahrheitsministerium»?

Nach seiner sehr expliziten Beschreibung begangener Hamas–Gräueltaten zieht der Schriftsteller schliesslich eine beunruhigende Parallele zu George Orwells dystopischem Roman «1984». Insbesondere zur Idee des «Wahrheitsministeriums», das die Realität, beziehungsweise die Wahrnehmung der Realität in den Köpfen der Menschen, durch gezielte Sprachmanipulation verändert.

In seinem Meinungsartikel argumentiert Schirach, dass soziale Medien heute eine ähnliche, aber weitaus mächtigere Rolle spielten: «Die sozialen Medien sind weitaus mächtiger, als es ein ‹Wahrheitsministerium› je sein könnte. Mit einem Tastenklick werden dort Opfer zu Tätern und Täter zu Opfern gemacht.» Die Wahrheit scheine heute nur noch Meinungssache zu sein, die Wirklichkeit scheine «nicht mehr zu existieren, selbst bei den schrecklichsten Verbrechen».

Der Autor schliesst seinen Beitrag mit einem düsteren Zitat aus Orwells «1984»: «Wenn Sie sich ein Bild von der Zukunft machen wollen, dann stellen sie sich einen Stiefel vor, der ein menschliches Gesicht zertrampelt – unaufhörlich.» Von Schirach fügt dem hinzu: «Diese Stiefel sind heute die sozialen Medien.»

Von SpotOn am 20. Oktober 2024 - 18:42 Uhr