Die Nachricht vom Tod von Franz Beckenbauer (1945–2024) stellt eine Zäsur in der Welt des Fussballs dar. Keine andere Persönlichkeit prägte hierzulande die vergangenen Jahrzehnte dieses Sportes so extrem wie der Kaiser. Mehrere Komponenten trugen dazu bei, dass Beckenbauer über die Grenzen hinaus zu einer Legende dieses Sports wurde. Zum einen sein unnachahmlich eleganter Spielstil, der ihn zu einem der besten Spieler aller Zeiten machte. Zum anderen aber auch seine späteren Erfolge als Teamchef, Trainer und Funktionär. Was aber nicht vergessen werden darf: Vor allem seine charmante, freundliche Art und Weise brachte ihm neben den sportlichen Erfolgen auf dem ganzen Globus riesige Sympathien ein.
Dieser Faktor formte bereits den jungen Beckenbauer über den damals noch recht isolierten Fussballkosmos hinaus zu einem der bekanntesten Gesichter der 60er– und 70er–Jahre. Eine schier grenzenlose Medienpräsenz war die Folge. Robert Schwan (1921–2002), der legendäre Manager des FC Bayern, nahm Beckenbauer schon früh unter seine persönlichen Fittiche und vermarktete seinen Schützling als ersten deutschen Fussballspieler überhaupt als omnipräsente Medienfigur.
Franz Beckenbauer wurde früh zum Schlagerstar
Bereits Mitte der 60er–Jahre, als sich der FC Bayern München gerade erst in der Bundesliga nach dem Aufstieg 1965 etablierte, schickte sich Beckenbauer an, auch abseits des Platzes bekannt zu werden. Unter anderem brachte ihm der unvergessene Song «Gute Freunde kann niemand trennen» grossen Ruhm und sogar Erfolge in den deutschen Singlecharts ein. Was viele nicht wissen: Das Lied war eigentlich nur als B–Seite der Single «Du allein» gedacht, die allerdings nicht an den Erfolg des heutigen Klassikers herankam. Bis zuletzt lief «Gute Freunde kann niemand trennen» regelmässig in der Allianz Arena und wird von Bayern–Fans weltweit als Hymne angestimmt.
Die zweite Beckenbauer–Single «Du bist das Glück» mit der B–Seite «1:0 für die Liebe» wenige Monate später war hingegen nicht mehr erfolgreich und ist mittlerweile in Vergessenheit geraten. Seine frühen Ausflüge in die Welt der Popstars kommentierte Beckenbauer einst in der Zeitschrift «Bravo» mit seiner gewohnten Leichtigkeit: «Zwei Schallplatten habe ich besungen. So schlecht, wie andere meinen, singe ich gar nicht.»
Auch in einigen Filmen spielte Franz Beckenbauer mit
Neben der Musik machte der Kaiser auch einige Ausflüge in die Welt der Schauspielerei. Zum ersten Mal war er in einer kleinen Rolle im Jahr 1971 in der Komödie «Olympia–Olympia» an der Seite der TV–Ikonen Beppo Brem (1906–1990), Heidi Brühl (1942–1991) und Joachim Fuchsberger (1927–2014) zu sehen. 1973 kam dann der halb–dokumentarische Kinofilm «Libero» in die Lichtspielhäuser, der ein semi–fiktionales Porträt des Fussballers Franz Beckenbauer zeigte. Es folgten weitere kleinere Nebenrollen, wie zum Beispiel im Italo–Klamaukstreifen «Der Superbulle jagt den Paten» aus dem Jahr 1978. Doch eine echte Leinwand– blieb ebenso wie die Gesangskarriere aus – und war von Beckenbauer auch nie angestrebt.
Der Kaiser als Werbeikone
Vielen bis heute am präsentesten sind Beckenbauers Ausflüge in die Welt der Werbung. Seine Reklame für den Lebensmittelhersteller Knorr mit dem legendären Beckenbauer–Spruch «Kraft in den Teller – Knorr auf den Tisch» ist bis heute in vielen Küchen ein geflügeltes Wort. Auch sein verdutztes «Ja, is‹ denn heut› scho' Weihnachten?» aus einem Werbespot für den Mobilfunknetzbetreiber E–Plus ätzte sich in das kollektive Gedächtnis der Deutschen.
Doch nicht nur Beckenbauer selbst nutzte seine eigene Popularität aus, sondern auch Künstler arbeiteten sich an ihm ab. So wurde er nicht nur zahlreich parodiert (zum Beispiel von Olli Dittrich in der TV–Satire «Schorsch Aigner – Der Mann, der Franz Beckenbauer war»), sondern Beckenbauer–Porträts wurden auch zum Kunstobjekt. Legendär ist bis heute die mehrfarbige Lithografie von Andy Warhol (1928–1987), die der US–Amerikaner während der Zeit von Beckenbauer bei New York Cosmos anfertigte.
Kritik nach Gazprom–Deal
Besonders ein Werbe–Engagement brachte dem Kaiser jedoch auch Kritik ein. Anfang der 2010er–Jahre wurde ein Deal mit Russlands Gasgesellschaft RGO, deren wichtigstes Mitglied der russische Staatskonzern Gazprom ist, bekannt gegeben. Beckenbauer solle als Sportbotschafter in einer «mehrjährigen Zusammenarbeit» sportliche Grossprojekte unterstützen. 2014 fanden in Sotschi die Olympischen Winterspiele statt, 2018 folgte die Fussball–Weltmeisterschaft.
Zusammenhänge mit der WM–Vergabe nach Russland wurden konsequent zurückgewiesen. Beckenbauer bestritt immer, dass der Gazprom–Deal mit den Wahlen zu tun hatte. Es habe sich vor der Abstimmung kein Vertrag mit Gazprom angebahnt, so Beckenbauer, der von 2007 bis 2011 im FIFA–Exekutivkomitee sass. Er sei erst danach zum ersten Mal angesprochen worden, nicht wie von einigen Medien kolportiert bereits im Juni 2010 vor der Vergabe der Weltmeisterschaften nach Russland.
Beckenbauer umspannte zeit seines Lebens eine Aura, von denen viele profitieren wollten. Fast jeder wollte sich neben Beckenbauer in dessen Lichte sonnen: der normale Fan, Sportler, Filmemacher, Musikproduzenten, Unternehmer – und letzten Endes auch Politiker und Staatschefs. Lange Jahre ging das für Beckenbauer gut, an dem sich kaum bis nie echte Kritik entfachte. Bis aufgrund des Gazprom–Deals und der bis heute nicht völlig aufgeklärten Ungereimtheiten bei der WM–Vergabe nach Deutschland vor 2006 in den letzten zehn Jahren seine Strahlkraft anfing, auch Schatten zu werfen.
Nichtsdestoweniger hat Deutschland eine Ikone verloren, einen wahren Weltbürger und eines der bekanntesten Gesichter dieses Landes überhaupt. Und das besondere an Beckenbauer war: Nicht nur sein fussballerisches Können machte ihn zum Superstar, sondern auch seine lockere Art, sein Umgang mit Menschen und sein Credo in jeder Phase seines Lebens: Allen Menschen erst einmal mit Respekt und Interesse zu begegnen.