Wer Freiburg–Trainer Christian Streich (58) nur aus den knappen Spieltag–Zusammenfassungen der «Sportshow» und Co. kennt, dürfte sich in manch Fussball–Vorurteil bestätigt fühlen. Ein Wüterich an der Seitenlinie, der sich viel zu sehr über die Schiedsrichter, das gegnerische und/oder zuweilen das eigene Team echauffiert und sich darüber regelrecht zu vergessen scheint.
Wie zuletzt schon Jürgen Klopp (56) in Liverpool spürte nun auch Streich diese Inbrunst zunehmend am eigenen Leib zehren – so verkündete er am Montagmorgen (18. März) und nach zwölf Jahren seinen Rücktritt als Freiburg–Trainer zum Ende der Saison. Neutrale Zuschauer und selbst Menschen, die mit Fussball kaum etwas am Hut haben, werden speziell jenen Streich abseits des Stadions vermissen. Denn vor dem Anpfiff und nach dem Schlusspfiff mutierte Streich nicht selten zum Social–Media–Unterhalter – oder zur Stimme der Vernunft.
Witz und klare Kante
Mit südbadischem Charme sinnierte er in seinen kultigen Pressekonferenzen schon über die «eingeölten Muskeln» von Cristiano Ronaldo (39), bezeichnete sich selbst derweil als «relativ unsexy» oder massregelte die anwesenden Journalisten bezüglich der korrekten Verwendung des Konjunktivs.
Vor allem aber Streichs Angewohnheit, sich sozialkritisch zu äussern, wurde in den vergangenen zwölf Jahren als Cheftrainer des SC Freiburg zu seinem Alleinstellungsmerkmal. Mal kritisierte er König Fussball mit deutlichen Worten: «Meine Spieler werden angeboten wie auf dem Viehmarkt. Ihre Ausstiegsklausel kann man in der Zeitung lesen – das ist furchtbar.» Mal rührte er für die Wahlen und gegen Rechts die Werbetrommel: «Geht wählen! Damit wir gegen diese unsägliche, fremdenfeindliche und gästefeindliche Politik von einigen Parteien Stimmen sammeln können.»
Seine vielleicht emotionalste Pressekonferenz hielt er diesbezüglich am Jahr 2016, als er auf das Thema Flüchtlinge angesprochen wurde und einen flammenden Appell an ganz Deutschland hielt: «Jetzt geht es darum, dass man sich den Menschen öffnet, dass man sie empfängt, dass man Ängste abbaut. Es geht oft um die Angst vor dem Anderen und die Angst vor dem Fremden. Das kann man bei sich selbst beobachten. Es geht darum, andere Denkweisen kennenzulernen.»
Prominente Umstimmungsversuche
Noch acht Bundesligaspiele stehen aus, dann wird Christian Streich, der sogar schon seit 29 Jahren im Verein tätig ist, den SC Freiburg verlassen. Manch prominenter Fan des Clubs hatte im Vorfeld der offiziellen Ankündigung des Abschieds noch versucht, Streich ins Gewissen zu reden – etwa Roberto Blanco (86): «Lieber Christian Streich, ich habe gehört, dass du dich vielleicht zurückziehen willst. Tue uns das doch bitte nicht an», sagte der Sänger unlängst zur «Bild»–Zeitung. Seine Argumentation: «Guck mal, ich bin 86 Jahre alt und mache auch noch weiter. Du hast noch genug Zeit. Alle möchten, dass du bleibst, also bleib dabei!»
Doch der Trainer des Jahres 2022 tut weder Blanco noch seinen weiteren Fans diesen Gefallen. Wie genau seine Zukunft ohne den SC Freiburg aussehen wird, steht noch nicht fest. Aber das ist offenbar ganz im Sinne des 58–Jährigen, wie er einst feststellte: «Ich weiss nicht, was morgen ist. Wenn ich das wüsste, das wäre ja furchtbar.»