Er hatte sie alle, fast alle. Bei ihm gaben sich die Superstars des Pop und Rock‹n›Roll die Türklinke zum Studio in die Hand. Seit 50 Jahren – und ein Ende ist nicht in Sicht. Am 3. August wird Fritz Egner, der bekannteste Plattenaufleger im deutschsprachigen Radio, 75 Jahre alt.
Er war und ist immer da
Eigentlich ist so ein Geburtstag im Rentenalter ein Anachronismus, denn Jahrzehnte sind gewiss nicht die passende Masseinheit für Popularität im scheinbar ewig jungen Musikgeschäft. Aber er war und ist immer noch da, mit seiner wohltuenden normalen Stimme, die nur leicht von bayrischen Melos gefärbt ist, mit einem sanft rollenden R. Es klingt so schön zeitlos, wenn er von Musik erzählt, seit 1979, als er beim Bayerischen Rundfunk (BR) anfing.
Dass er aus seinem völlig unglamourösen Vornamen Fritz eine unverwechselbare internationale Marke – «Fritz & Hits» – gemacht hat, spricht für seine wache Intelligenz. Seine Radio–Sendungen erregten nicht nur in Bayern und Deutschland Aufmerksamkeit, wenn zum Beispiel ein Pop–Weltstar mit Reibeisenstimme die Hörer begrüsste: «Hi, I‹m Rod Stewart and you›re listening to ‹Fritz & Hits›, 'cause Fritz has the hits!»
Wie alles begann
Am Anfang dieser einzigartigen Karriere stand ein nicht besonders guter Witz. Der Münchner Fritz Egner, Sohn eines Bundesbahn–Beamten, machte nach dem Abitur eine Lehre als Elektrotechniker, das Studium zum Starkstromtechniker brach er jedoch ab.
Der junge Mann war musikbegeistert und arbeitete beim Aufbau des Musicland–Studios des bekannten Südtiroler Musikproduzenten Giorgio Moroder (84) mit. Und weil er wie viele seiner Altersgenossen täglich den amerikanischen Armeesender AFN Munich mit der besten Musik hörte, bekam er mit, dass die US–Station 1974 dringend einen Studiotechniker suchte.
Fritz Egner bewarb sich – und wurde genommen. Später sagte er: «Ich befand mich nun in einem Kosmos, der für mich die Welt bedeutete. Für mich war ein Traum in Erfüllung gegangen.»
Er bekam einen Dienstausweis der US–Armee (Installation Pass) und war nicht nur für das Funktionieren der Technik zuständig. Schon bald durfte er mit Verkehrsnachrichten auf Sendung gehen, weil er «Mittlerer Ring» und «Donnersberger Brücke» korrekt aussprechen konnte. Sein Englisch war mittlerweile so gut, dass er den Wetterbericht vorlas – und ihm der Münchner AFN–Chef Neil Fontaine versprach, sollte jemals ein Moderator morgens verschlafen, dürfe er, der Fritz, das Mikrofon zur Sendung übernehmen.
Der «Guy mit dem netten deutschen Akzent»
Am Ostermontag 1977 verschlief tatsächlich Morning–Host Ron Todd seinen Einsatz, im Studio sass nur noch der Techniker Fritz Egner, und der übernahm um 6 Uhr spontan und unvorbereitet die Moderation. Über 90 Minuten war Fritz on the air, als Todd endlich eintraf. Genervt fragte Fontaine den Deutschen: «Bist du etwa auf Sendung gegangen?» Als Fritz erwiderte, dass er ihm das doch selbst vorgeschlagen habe, meinte Fontaine, das sei «nur ein Witz gewesen!»
Immerhin hatte die Ehefrau des US–Standortkommandeurs die Sendung mit Fritz Egner gehört und sich köstlich über den jungen Mann amüsiert. Sie meinte, dass man diesen Guy mit dem netten deutschen Akzent öfter hören sollte. Damit nahm seine Karriere trotz eines schlechten Witzes Fahrt auf.
Egner moderierte fortan «Discosoul» jeden Donnerstag um 21 Uhr im europäischen AFN–Programm und wurde Sidekick–Moderator als «Fritz, the tap–dancing engineer» (der stepptanzende Techniker) in den Sendungen des AFN–DJs Rick Demarest. «Die Zeit bei AFN war eine unbezahlbare Lehrzeit in Sachen modernes Musikradio», sagte er später in einem Interview mit dem Fachmagazin «Radioszene».
Das hätte ewig so weitergehen können, denn Fritz fühlte sich bestens aufgehoben bei der nach seiner Meinung besten Radiostation Europas. Doch dann kam 1979 ein Anruf des jungen Thomas Gottschalk (74), der Fritz Egner fragte, ob er nicht Lust auf unkonventionelles Radio beim Bayerischen Rundfunk hätte.
Legendäre Ära bei Bayern 3
Fritz hatte. So begann bei Bayern 3 die legendäre Ära der jungen Wilden mit Thomas Gottschalk, Günther Jauch, Fred Kogel, Jürgen Hermann, Jim Sampson, der ebenfalls vom AFN zum BR stiess, und Fritz Egner.
Gleichzeitig nahm er Anfang der 80er–Jahre ein Angebot von Warner Brothers an. Fünf Jahre arbeitete er in Los Angeles, New York und München für Anwälte und Manager des Musikgeschäfts. «Ich konnte hinter die Kulissen schauen und sehen, wer die Stars steuert», sagte er der «Süddeutschen Zeitung». So bekam er Einsicht in die Vorgänge des Music Business, ebenfalls eine unbezahlbare Erfahrung.
«Sein Wort hatte Gewicht», urteilte die «Radioszene», das Magazin für Radiomacher. Fritz Egner sei «eine ‹Hitnase›, die mit dem umfassenden Wissen um die Musikszene immer wieder neue Stars und Bands von morgen entdeckte.»
Er hat auf seine unaufgeregte Art die vielleicht eindrucksvollste Musikkarriere im Radio gemacht, weil er auf liebenswürdig–verbindliche Weise immer der Fritz Egner geblieben ist, der 1974 beim AFN angefangen hatte. Daran haben auch seine Erfolge als TV–Moderator nichts geändert.
Fernsehgeschichte mit «Dingsda»
Von 1985 bis 1994 präsentierte er die ARD–Rateshow«Dingsda», ab 1990 die Sendung «Showfritz» (über TV–Unterhaltung in anderen Ländern). Im ZDF moderierte er ab 1994 «Entweder oder» und «Glücksspirale» sowie von 1995 bis 2003 die «Versteckte Kamera». 1996 bis 2005 arbeitete er für Sat.1 («WWW – Die witzigsten Werbespots der Welt» und «Weltgeschichte des Tierfilms»).
Seine grosse Leidenschaft jedoch gilt nach wie vor dem Radio. Über 35 Jahre lang unterhielt er bis 2015 sein Publikum mit Songs und Interviews mit den Interpreten auf Bayern 3. Seit dem 1. Januar 2016 heisst es jeden Freitagabend ab 20:00 Uhr auf Bayern 1 für drei Stunden «Fritz & Hits – die grössten Künstler der Musikgeschichte». Dazu sagt er: «Ich habe da eine grosse Bandbreite. Der Spagat reicht von Country bis Jazz, von Pop über Rock zu Funk und Soul, dazu Anekdoten, historische Zusammenhänge, Interviewausschnitte.»
Über 500 Stars hat der bescheidene Fritz Egner, der mit seiner Frau Katrin, einer mittlerweile erwachsenen Tochter und einem minderjährigen Sohn in der Nähe von München lebt, im Laufe seiner Karriere getroffen, gesprochen und die Eindrücke seinen Hörern weitervermittelt. Unter ihnen waren neben Rod Stewart auch Mick Jagger, James Brown, Madonna, Sting, Phil Collins, Tina Turner, ABBA, Whitney Houston, Diana Ross, Bob Marley, Michael Jackson, Stevie Wonder, Ringo Starr, Lionel Richie, Bruce Springsteen und viele andere. Es fehlen nur wenige, John Lennon zum Beispiel, Ray Charles oder Aretha Franklin.
Ein Privatarchiv voller Schätze
In seinem Privatarchiv befinden sich neben 25.000 LPs und 20.000 CDs auch die Mitschnitte der rund 500 Interviews, zum Grossteil archiviert, digitalisiert und auf Festplatten gespeichert, alles in Englisch und international verwendbar. Daraus wurde in diesem Jahr die Game–App «Quiz mit Fritz», die Egners persönliches Archiv der letzten 50 Jahre enthält, mit 2.200 Fragen zu James Brown und den Beatles bis Ariana Grande und Justin Bieber.
Mit den Recken aus alten Rundfunkzeiten wie Thomas Gottschalk verbindet ihn eine jahrzehntelange Freundschaft, über die er einmal sagte: «Wer Thomas Gottschalk zum Freund hat, der kann sich den Psychiater sparen».