Produzent, DJ und Sänger Fritz Kalkbrenner (43) veröffentlicht am 1. November sein neues Album «Third Place». Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erzählt der Berliner, was sich hinter dem «dritten Ort» verbirgt, wie er auf die nachwachsende Generation in der DJ–Szene blickt und ob er selbst noch gerne in der Partyszene unterwegs ist.
Zudem verrät der Musiker, was er an der Techno–Szene in Berlin besonders findet und wie er die Auszeichnung für die Berliner Technokultur als Immaterielles UNESCO–Kulturerbe sieht, die unter anderem die Erhaltung der Szene unterstützen soll.
Im März wurde die Berliner Technokultur formal als Teil des Immateriellen Kulturerbes Deutschlands anerkannt, vor wenigen Tagen gab es dann noch die Urkunde. Wie finden Sie diese Anerkennung für Techno und für Ihre Heimatstadt?
Fritz Kalkbrenner: Anerkennung ist schön, keine Frage, manchmal aber auch eine leere Hülse. Natürlich ist es eine wichtige Auszeichnung und Wertschätzung, die offensichtlich auch über Berlin hinaus vorhanden ist. Wünschenswert wäre aber: Es darf nicht bei einer leeren Hülse bleiben.
Was zeichnet für Sie die Berliner Technokultur aus?
Kalkbrenner: Es gibt auch viele andere Städte, in denen Techno ein Kulturbestandteil ist, ob jetzt Barcelona oder Kopenhagen – Kulturen sind ja weltoffen und nicht ortsbestimmt. In Berlin ist auch nach diesen vielen Jahren nach wie vor eine sehr hohe Ballung an Szene vorhanden, weil hier viele Veranstalter leben, das Publikum im hohen Masse vorhanden ist und natürlich die Clubs da sind – auch wenn es leider zu immer mehr Schliessungen kommt. Die Infrastruktur, die hierzu gegen ist und sich seit mehreren Dekaden auch selbst trägt, das gibt es nicht überall.
Wie erleben Sie sie als Teil davon, wie hat sie sich über die Jahre verändert?
Kalkbrenner: Wie es mit dem Lauf der Dinge so ist, irgendwann werden die älteren etwas ausgesiebt, was auch völlig in Ordnung ist, und dementsprechend wächst dann eine neue Generation nach. Natürlich gibt es dann auch stilistisch Sachen, die der neue Zeitgeist sind. Wenn man sich die letzten zwanzig Jahre im Grossen und Ganzen anguckt und dann in andere Genres wie z. B. Rock reinschaut, dann sind die Unterschiede dort deutlich eklatanter. In der elektronischen Musik gibt es auch Veränderungen, die ist im Gegensatz zu anderen aber sehr konsistent.
Ihre Album–Release–Show findet im Metropol in Berlin statt. Welche Locations mögen Sie in Berlin am liebsten und warum?
Kalkbrenner: Da gibt es zahlreiche und auch viele übliche Verdächtige, ob jetzt Ritter Butzke, Berghain oder das Watergate. Und warum es genau diese sind, hängt für mich mit einem guten Booking zusammen. In der Zeit, in der ich noch viel weggegangen bin, war am Ende immer der Künstler in der jeweiligen Location dafür ausschlaggebend, wo ich hin bin.
Gehen Sie selbst noch gerne feiern oder auf Konzerte und wie sieht ein guter Abend für Sie aus?
Kalkbrenner: Es ist seltener geworden, was viel auch mit dem Faktor Zeit zu tun hat. Mit Mitte zwanzig gibt es oft einfach deutlich weniger wichtigere Dinge zu erledigen bzw. mehr Zeit und Reserven, die zur Verfügung stehen. Für mich darf es mittlerweile mehr Klasse statt Masse sein, daher geht man dann zu ausgewählten Happenings, wo wir dann wieder bei den Künstlern sind, die einen dazu verleiten, doch mal wieder loszuziehen. Ein guter Abend ist für mich, wenn ich wohl beseelt nach Hause gehe und es nicht bis ins Morgengrauen künstlich in die Länge ziehe.
Wie erleben Sie mit 43 Jahren die DJ–Szene. Spüren Sie Generationenkonflikte?
Kalkbrenner: Ich spüre nicht unbedingt einen Konflikt, aber vielleicht verheimlichen ja andere etwas vor mir. Die Möglichkeit, dass es sowas gibt, besteht natürlich. Ich empfinde das so aber nicht, auch wenn die nachwachsende Generation spürbar jünger ist und andere Ansatzpunkte hat, aber das sollte positiv aufgenommen werden, um so auch wiederum seinen eigenen Horizont zu erweitern.
Ihr neues Album heisst «Third Place», angelehnt an Orte, an denen Kreativität und Gemeinschaft gelebt werden können. Was sind für Sie solche Orte? Müsste es mehr davon geben?
Kalkbrenner: Der dritte Ort ist der, der jenseits von Wohnen und Arbeiten, einen Gegenpol bildet. Das kann auf Kreativität und Gemeinschaft bezogen werden, allerdings auch viele andere Bedürfnisse. Vom Club, über die Stammkneipe bis hin zu einem Hundezüchterverein kann das vieles sein – die Bedürfnisse eines einzelnen sind da ja sehr individuell. Daher ist es nicht ausschlaggebend, was genau dieser Third Place für ein Ort oder Raum ist, sondern dass diese Third Places weiterhin belebt werden. Und ja, davon sollte es definitiv noch mehr geben, vor allem wenn man es deutschlandweit, in den ländlicheren Regionen und nicht nur aus der Bubble einer Metropole wie Berlin betrachtet.
Was steht für Sie abseits der Albumveröffentlichung dieses Jahr noch an, wie werden Sie 2024 ausklingen lassen und worauf freuen Sie sich in 2025?
Kalkbrenner: Mit der Veröffentlichung von meinem neuen Album lassen wir den Stift nicht fallen. Am 2. November spiele ich noch eine Release–Show im Metropol. Das Jahr ausklingen werde ich höchstwahrscheinlich mit einer Show zu Silvester. 2025 freue ich mich dann hoffentlich wieder auf viel neue Musik, was am Ende ja meine Leidenschaft und Arbeit ist, die mich erfüllt und es glücklicherweise nichts ist, wozu ich gezwungen werden muss – der Drang danach kommt von ganz allein.