Harrison Ford (80) kehrt in «Indiana Jones und das Rad des Schicksals» ein allerletztes Mal als Peitsche-schwingender Archäologe zurück. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht der mittlerweile 80-jährige Superstar über einen Abenteurer, der seine Lust fürs Abenteuer verloren hat, die Freuden des Filmemachens und sein mögliches Karriereende.
In «Indiana Jones und das Rad des Schicksals» sind Sie umgeben von vielen neuen Gesichtern. Wenn Sie sich für eine Person entscheiden müssten: Wer hat sie am meisten beeindruckt?
Harrison Ford: Ich habe keine Favoriten und vergleiche nicht den einen mit der anderen. Ich sage nicht: Der hier ist besser oder lustiger als jemand anderes. Das ist verrückt. Sie sind wundervoll. Jedes Individuum. Der Junge, Ethann Isidore, bringt wahres Vergnügen auf die Leinwand. Er ist solch ein aufregender junger Darsteller. Phoebe Waller-Bridge natürlich, die brillant, raffiniert und ehrgeizig ist. Eine vollkommene Schauspielerin. Mads Mikkelsen mit seiner Trickkiste. Mit seinem grossartigen Gefühl für das Erfinden und das Erschaffen einer Figur. All diese Menschen leisten ihren Beitrag zu diesem Film. Es bereitet einfach Freude, mit ihnen zusammen zu sein und mit ihnen zu arbeiten.
An welchem Punkt seines Lebens befindet sich Indiana Jones am Anfang dieses Films? Was geht in ihm vor?
Ford: Er steht eher am Ende seines Lebens als am Anfang. Er schaut den Konsequenzen seines Lebens ins Auge. Es ist der letzte Tag seiner akademischen Laufbahn. Er zieht sich von seiner Lehrtätigkeit zurück. In einem kurzen Moment des Films kann man sehen, dass er desinteressierte Studenten in Archäologie unterrichtet.
Er hat ein wenig die Freude an seinem Leben verloren - und seinen Geschmack für das Abenteuer. Sein Familienleben ist zerrüttet. Er erlitt den Verlust seines Sohns in Vietnam. Seine Ehefrau und er haben Probleme, sie sind zerstritten.
In den ersten 20 Minuten des Films sehen wir den alten Indiana Jones am Ende des Zweiten Weltkriegs. Dann schneiden wir ins Jahr 1969. Vor Beginn der neuen Geschichte sehen wir diesen Mann, der in seiner Unterwäsche aus einem Sessel aufsteht, mit einem leeren Glas in der Hand. Er ist mit Rock ‹n› Roll-Musik seiner Nachbarn konfrontiert.
Das ist die Freude des Filmemachens. Dieser harte Schnitt und diese starken Umstände - auf wunderschöne Art zum Leben erweckt von James Mangold und unserem Kameramann Phedon Papamichael.
Natürlich haben sich die Drehbuchautoren das ausgedacht, aber mir war es wichtig, dem Thema Älterwerden ins Gesicht zu blicken, weil es so offensichtlich ist (zeigt von Kopf bis Fuss auf sich selbst), dass ich nicht mehr 40 bin. Und wir haben keine Action-Helden, die 80 Jahre alt sind.
Aber das ist der Typ und das ist das Leben, und man kennt diesen Typen. Macht es Spass, ihm dabei zuzuschauen, immer noch zu versuchen, dieser Kerl zu sein? Bis er richtig in die Gänge kommt, ist es möglicherweise unangenehm. Für mich liegt darin aber der Spass, eine Figur zu erschaffen. Das Drehbuch unterstützt einen weiteren Ausdruck der Figur.
Sie haben gesagt, dass Indiana Jones in diesem Film fehl am Platz ist. Was meinten Sie damit?
Ford: Ich meinte, dass er im Jahr 1969 eine Person ist, die immer noch daran glaubt, dass wir die Zukunft verstehen werden, wenn wir über die Vergangenheit nachdenken. Jetzt ist er in einer Welt, in der niemand so sehr über die Vergangenheit nachdenken möchte wie über die Zukunft. Und ich denke, Indiana Jones wird erkennen, dass das nicht ausreicht. Das meinte ich mit ‹sich fehl am Platz fühlen›. Er lebt in einer Gesellschaft, mit der er nicht mehr im Einklang steht.
Wie in den bisherigen «Indiana Jones»-Filmen steckt auch «Das Rad des Schicksals» voller grossartiger Action-Sequenzen. Welche Stunts waren die herausforderndsten?
Ford: Wahrscheinlich die Verfolgungsjagd mit den Tuk Tuks, denn da gab es so viele kleine Elemente. Der Spass an den «Indiana Jones»-Filmen besteht aber darin, dass wir Action-Sequenzen haben, und sich gleichzeitig Dialoge abspielen und alle möglichen Charakter-Dinge geschehen. Es gibt auch den durchgängigen Faden der Emotion, der durch die Filme läuft. Figuren streiten sich und beginnen, eine Beziehung zueinander aufzubauen. Sie erhalten kleine Stücke an Informationen übereinander und enthüllen sich.
Stichwort digitale Verjüngung: Waren Sie für diese Szenen am Set, oder kam ein Double zum Einsatz?
Ford: Nein, ich habe all diese Szenen gespielt - mit Markierungen auf meinem Gesicht, aber ich habe sie gespielt.
Da ich über so lange Zeit für Lucasfilm gearbeitet habe, verfügen sie über eine Sammlung an Bildern von mir. Jedes Stückchen Film, das jemals benutzt wurde, und auch jedes Stück, das nicht benutzt wurde, war gesammelt und eingelagert worden. Mithilfe von künstlicher Intelligenz kann das dann genutzt werden - um das richtige Licht im richtigen Winkel zu erhalten und so weiter.
Ich weiss verdammt nochmal nicht, wie sie das machen, aber am Ende kommt mein Gesicht von vor 40 Jahren dabei heraus. Es ist kein Photoshop-Gesicht. Das ist tatsächlich mein Gesicht. Dieser künstliche Schritt fehlt. Also sieht es sehr überzeugend aus.
Ich war begeistert von diesem Instrument. Anfangs war ich gar nicht so versessen auf die ganze Idee mit der digitalen Verjüngung, denn ich dachte, sie würden sagen: ‹Oh, das ist der Typ, den wir mögen.› Und anschliessend: ‹Ach je! Was für eine Enttäuschung. Was ist mit seinem Gesicht passiert?› (Lacht). Aber wir reden hier vom Alter. Wir wollen über das Alter reden. Davor laufen wir nicht davon.
Ich hoffe, Sie empfinden die nächste Frage nicht als respektlos ...
Ford: Nur raus damit! Ich kann's kaum erwarten.
Planen Sie, Ihrer sagenhaften Karriere ein Enddatum zu setzen?
Ford: Nein, über ein Enddatum denke ich nicht nach. Ich denke an Möglichkeiten, die vielleicht immer noch existieren, und die Freude am Arbeiten. Auch denke ich darüber nach, nicht zu arbeiten und zu versuchen, der Verlockung zu widerstehen, mit dieser märchenhaften Maschine zu spielen ...
Sie meinen das Filmemachen?
Ford: Ja, das Filmemachen. Die Maschinerie des Filmemachens. Aber ich muss aktiv sein, muss beschäftigt sein und Angst haben. Ich muss darüber nachdenken, wie ich etwas erschaffe, und das ist das, was ich erlernt habe. Also will ich es auch weiterhin tun.