Die erfolgreiche Band Pur ist seit Jahrzehnten nicht mehr aus der deutschen Musiklandschaft wegzudenken. Angefangen als Schülerband im kleinen Örtchen Bietigheim-Bissingen in Baden-Württemberg, begeistern sie bis heute Millionen und füllen regelmässig ganze Stadien. 2020 feierte die Band um Frontmann Hartmut Engler (60) bereits 40-jähriges Jubiläum - ans Aufhören denkt niemand. Im Gegenteil: Am 4. November erscheint mit «Persönlich» das 17. Studioalbum.
Darin behandelt die Band sehr emotionale Themen - wie etwa den überraschenden Tod ihres Ex-Schlagzeugers Martin Stoeck im Juni 2021. «Die Todesmeldung hat uns damals sehr getroffen - es war ein Schlag in die Magengrube», erklärt Hartmut Engler. Auch Gitarrist Martin Ansel (57) hat Pur vor Kurzem verlassen. Angst davor, dass die Band langsam zerbricht, hatte der Sänger deshalb aber nicht. Albträume bereitet ihm eine ganze andere Person, wie er im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät.
Das neue Album trägt den Titel «Persönlich». Inwiefern ist es Ihr persönlichstes Album?
Hartmut Engler: In den Texten verpacke ich grundsätzlich meine Geschichten. Dieses Album haben wir während der Pandemie produziert. Deshalb habe ich mich weniger mit den anderen Bandmitgliedern ausgetauscht, weshalb es diesmal noch persönlicher ist. Die anderen haben mich aber mit toller Musik beliefert - wir hatten insgesamt 80 Songs. Die richtigen auszuwählen, hat einige Monate gedauert. Ich musste erst mit der neuen Situation zurechtkommen. Die Pandemie hat eine grosse Verunsicherung ausgelöst. Irgendwann habe ich mich dem Druck der tollen Musik gebeugt, mich hingesetzt und angefangen, die Texte zu schreiben.
Alle haben am Album getrennt voneinander gearbeitet. Wie war das für Sie? Haben Sie es vermisst, gemeinsam im Studio zu stehen?
Engler: Jeder hatte zu Hause die Möglichkeit, Songs aufzunehmen. Ich habe Stücke angeboten bekommen, die sehr weit vorproduziert waren. Es haben nur noch Melodie und Gesang gefehlt. Insofern habe ich die Titel mit meinen Inhalten gefüllt und sie im Studio eingesungen.
Sie haben den Song «Herzensgut» dem verstorbenen Ex-Schlagzeuger Martin Stoeck gewidmet, der 2021 überraschend an Krebs verstarb. Wie haben Sie die Meldung als Band aufgenommen bzw. verarbeitet?
Engler: Ich war zum Zeitpunkt der Trennung von Martin Stoeck in Südafrika, stand für «Sing meinen Song» vor der Kamera. Von den atmosphärischen Störungen und musikalischen Uneinigkeiten innerhalb der Band habe ich deshalb nicht viel mitbekommen. Leider haben wir uns danach aus den Augen verloren. Die Todesmeldung hat uns damals sehr getroffen - es war ein Schlag in die Magengrube. Ich habe, wie immer bei emotionalen Dingen, erstmal geweint.
Als es dann mit dem neuen Album losging, war für mich klar, dass ich seinen Tod nicht so stehen lassen kann und ihn verarbeiten muss. Wir wären nicht Pur, wenn wir dazu keine Stellung beziehen würden. Ich bin aber ehrlich geblieben, wir waren nicht immer auf einer Wellenlänge unterwegs. Wir waren sehr unterschiedlich. Aber ich bin trotzdem froh über die gute Zeit, die wir miteinander hatten.
Auch Gitarrist Martin Ansel hat mittlerweile die Band verlassen. Wie gehen Sie mit solchen Abschieden um? Haben Sie Angst, dass die Band langsam zerbricht?
Engler: 2010 gab es die erste Umbesetzung. Roland Bless hat damals die Band verlassen und wir hatten richtig Angst, dass alles zerbricht. Wir hatten auch unter der Krebserkrankung von Ingo Reidl zu leiden. Es geht ihm mittlerweile besser, er kann im Studio wieder mitarbeiten. Er wird aber vermutlich nicht wieder live mit uns unterwegs sein können.
Seit Kurzem ist ein junges Talent bei uns als Nachfolger von Martin Ansel: Severin von Sydow, der Sohn unseres Managers. Ihn kenne ich, seit er sieben Jahre alt ist und habe seinen musikalischen Werdegang immer verfolgt. Als er noch ein kleiner Junge war, waren wir alle zusammen im Familienurlaub und jetzt spielt er an der Seite von Rudi Buttas. Bei uns stehen drei Generationen auf der Bühne. Aus all diesen Erfahrungen haben wir mitgenommen: Der Einzelne ist nicht so wichtig, wie die Musik.
In «Verschwörer» thematisieren Sie die Querdenker-Bewegung. Wie gefährlich sind Ihrer Meinung nach Verschwörungstheorien?
Engler: In Deutschland ist es gesamtgesellschaftlich noch nicht zu einem grossen Problem geworden. In den USA war unter Donald Trump schon die Demokratie in Gefahr. Wenn er wieder zurückkommen würde, wäre das ein Albtraum. Putin auf der einen Seite und der wahnsinnige Cowboy auf der anderen. Ich hoffe, dass es nicht so weit kommt. In Deutschland haben die demokratischen Kräfte zum Glück die Mehrheit. Wir wollen als Musiker dazu beitragen, dass das so bleibt.
Welche Theorie ist die verrückteste, die Sie jemals gehört haben?
Engler: Die QAnon-Verschwörungstheorie ist schrecklich. Die Anhänger glauben, dass sich reiche Menschen Kinder halten und deren Blut trinken. Das hat mich sehr geschockt als ich davon erfahren habe. Aber es gibt natürlich auch Theorien, die einfach witzig sind. Zum Beispiel, dass die Erde eine Scheibe ist. Obwohl es genügend Aufnahmen gibt, die das Gegenteil beweisen (lacht). Das Schlimme ist, dass einige Menschen Dinge glauben, nur weil sie davon im Internet gelesen haben. Sie brüllen aber gleichzeitig «Lügenpresse» und stellen sich gegen ausgebildete Journalisten, die anständig recherchieren.