Frauen und Männer erleben Krankheiten oft unterschiedlich. Dennoch werden medizinische Studien meist an Männern durchgeführt, was bei Frauen zu schwerwiegenderen Nebenwirkungen führen kann. Die Gendermedizin beschäftigt sich genau mit diesen geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Prävention, Diagnose und Therapie von Krankheiten.
Unterschiede bei Symptomen und Behandlung
Ein prägnantes Beispiel für das Ungleichgewicht in der medizinischen Versorgung von Frauen gegenüber Männern kommt aus der Herz–Kreislauf–Forschung: Bei Verdacht auf Herzinfarkt zögern Frauen oft, für sich selbst den Notarzt zu rufen, während sie dies für ihren Partner schnell tun würden. Polnische Studien aus dem Jahr 2019 haben gezeigt, dass Frauen oft familiären Verpflichtungen den Vorrang geben, was auf mangelnde Aufklärung zurückzuführen ist. Zudem haben Frauen oft andere Symptome als Männer, was die eigene Diagnose erschwert: Statt der typischen Schmerzen im Arm und dem Stechen in der Brust leiden Frauen meistens unter Rückenschmerzen und Übelkeit.
Ein weiteres Problem ist die Wirkung von Medikamenten. So wurde etwa das Schlafmittel Zolpidem lange Zeit ohne geschlechtsspezifische Anpassung verschrieben. Eine Studie der US–Arzneibehörde FDA aus dem Jahr 2013 zeigt jedoch, dass Frauen den Wirkstoff langsamer abbauen und deshalb häufiger unter Müdigkeit leiden.
Aber auch Herz–Kreislauf–Medikamente wie ACE–Hemmer verursachen bei Frauen häufiger Reizhusten als Nebenwirkung, während Diuretika zur Behandlung von Bluthochdruck bei Frauen oft zu Muskelschwäche und Herzrhythmusstörungen führen können. Betablocker müssen bei Frauen in der Regel zudem niedriger dosiert werden.
Gender Health Gap: Eine lange ignorierte Tatsache
In der Vergangenheit galten Frauen aufgrund hormoneller Schwankungen als zu komplex für Studien. Dosierungen und Behandlungsmethoden basieren daher meist auf Daten von Männern. Der Deutsche Ärztinnenbund e.V. (DÄB) weist darauf hin, dass Gendermedizin in der medizinischen Ausbildung noch nicht ausreichend verankert ist.
Obwohl anerkannt ist, dass Genderaspekte in die medizinische Lehre integriert werden müssen, zeigt eine Umfrage des DÄB aus dem Jahr 2016, dass dies noch nicht ausreichend geschieht. Demnach wurden nur an fünf Fakultäten gendersensible Inhalte in der Kardiologie und der klinischen Pharmakologie gelehrt, darunter in der Berliner Charité. Einige Fakultäten haben jedoch Massnahmen ergriffen. So werden seit Anfang 2024 an der Universität Magdeburg diese Unterschiede auch in der universitären Lehre und klinischen Versorgung berücksichtigt, um das Fach Geschlechtersensible Medizin aufzubauen.
Bessere Versorgung durch Gendermedizin
Aber nicht nur Frauen, sondern auch Männer profitieren von dieser Forschung. Denn dadurch wird eine differenzierte und individuell angepasste medizinische Versorgung ermöglicht. Auch für andere spezifische Unterschiede wie bei Trans–Personen oder intersexuellen Menschen soll dies in Zukunft zu besseren Behandlungsergebnissen führen.