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«Bundes-Jogi» feiert 65. Geburtstag

Jogi Löw: Der ewig unterschätzte Weltmeister

Joachim Löw, den alle nur Jogi nennen, wird 65 Jahre alt. Deutschlands Weltmeister–Trainer hat sich nie durch laute Töne hervorgetan, sondern liess Taten sprechen. Doch bis heute hat er dafür nicht die öffentliche Wertschätzung erhalten, die er verdient. Ändert sich das zu seinem runden Geburtstag?

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Einer der Besten: Joachim «Jogi» Löw
Einer der Besten: Joachim «Jogi» Löw Alizada Studios/Shutterstock.com

Joachim Löw ist kein Grosssprecher. Die lauten Töne waren – mit wenigen Ausnahmen – nie seins. Dabei hätte er sich als Deutschlands Bundestrainer mit den meisten Spielen, den meisten Siegen und als Vater des WM–Titels 2014 schon längst ein paar öffentliche Eskapaden leisten können. Doch auch zu seinem 65. Geburtstag am 3. Februar sind solcherlei Auffälligkeiten von «Jogi» nicht zu erwarten. Löw ist und bleibt auch mit 65 der, der er immer war: sympathisch, bodenständig und immer einen Hauch geheimnisvoll.

Fremdeln mit Löw

Sepp Herberger (1897–1977) war der Vater des «Wunders von Bern». Für Helmut Schön (1915–1996) sang Udo Jürgens einst volkstümlich vom «Mann mit der Mütze». Rudi Völler (64) galt sowieso als Liebling der Massen, Franz Beckenbauer (1945–2024) gar als Lichtgestalt. Während der aktuelle Bundestrainer Julian Nagelsmann (37) allerseits als «einer von uns» angesehen wird, der den deutschen Fussball wieder aus dem Tal der Tränen führen soll, fremdeln Teile der deutschen Öffentlichkeit bis heute mit Joachim Löw und seiner Lebensleistung. Sogar nach seinem glanzvollen WM–Triumph vor elf Jahren fragten sich manche immer noch laut hörbar, ob der Titel wegen oder trotz Löw errungen wurde.

Diskussion um Karriereende

In einer aktuellen ARD–Doku spricht Löw darüber, dass er nach dem WM–Titel 2014 regelrecht in ein psychisches Loch gefallen sei. Ein Bundestrainer, der sich nicht über den Gewinn des WM–Pokals freuen konnte, rührt an und hätte allenthalben Mitgefühl und Wertschätzung verdient. Stattdessen fiel das Ende von Löws Amtszeit als Bundestrainer besonders unwürdig aus. Spätestens seit dem frühen Aus bei der WM 2018 in Russland verstummten die Rufe nach einem Löw–Aus bis zum tatsächlichen Abschied 2021 sowohl bei manchen Medienvertretern und TV–Experten als auch bei Teilen der Fanschaft nicht mehr. Als hätte Löw ihnen etwas versprochen und dann nicht eingehalten. Hat er das? In der TV–Doku wägt Löw die Frage ab, ober er eventuell doch früher hätte abtreten sollen. Hatten die Kritiker damals also alle recht?

Im Schatten des «magischen Dreiecks»

Es lohnt ein kurzer Blick auf Löws Laufbahn. Im beschaulichen Schönau im Schwarzwald aufgewachsen schaffte er es immerhin zum Bundesliga–Stürmer, wenn auch nur kurz. Der damalige Junioren–Nationalspieler erlitt in der Saisonvorbereitung des VfB Stuttgart 1980 einen Schien– und Wadenbeinbruch, der eine erfolgreichere Kicker–Karriere wohl verhinderte. Doch Löw liess sich von Rückschlägen nie beeindrucken. Zielstrebig schlug er ab 1994 die Trainer–Laufbahn ein und übernahm bereits 1996 seinen Stuttgarter Ex–Verein als Cheftrainer. Während dem sogenannten «magischen Dreieck» um Balakow (58), Elber (52) und Bobic (53) die ganze Aufmerksamkeit gehörte, blieb Löw für viele weiter ein Rätsel im Hintergrund. Folgende Trainer–Stationen in der Türkei und Österreich verstärkten diesen Eindruck eher.

Klinsmann Stratege 2006

Als die deutsche Nationalmannschaft 2004 an ihrem «tiefsten Tiefpunkt» angekommen war, war es Zeit, für Jogi Löw ins Rampenlicht zurückzukehren. Sein ehemaliger Banknachbar in der DFB–Trainerausbildung, Jürgen Klinsmann (60), erinnerte sich an ihn. Schon als Trainer–Azubi konnte Löw taktische Formationen und Spiel–Strategien in Nullkommanichts entschlüsseln. So einen brauchte Klinsmann, der den neuen DFB nach aussen als strahlend selbstbewusster Motivator repräsentierte. Hinter den Kulissen galt Löw schon damals als taktischer Kopf des «Sommermärchens», der Deutschland als WM–Gastgeber 2006 vor einer Blamage im eigenen Land bewahrte.

Lauter Löw im Regen von Recife

Als Klinsmann 2006 zurücktrat, trauten viele Löw den Job als Bundestrainer trotzdem nicht zu. Aber Löw blieb stark. Bei den Europameisterschaften 2008 und 2012 und bei der WM 2010 zeigte die deutsche Nationalmannschaft begeisternden Offensivfussball und wurde wieder ein echter Titelkandidat. Den WM–Pokal holten sich Löws Jungs 2014 dann auch ebenso souverän wie folgerichtig. Im Gedächtnis bleiben, neben dem «Mach es, er macht es!»–Siegtreffer von Götze (32) und der historischen 1:7–Klatsche für die brasilianischen Gastgeber im Halbfinale, vor allem der 1:0–Sieg gegen die USA im letzten Gruppenspiel. Warum? Der Trainer der US–Boys hiess Jürgen Klinsmann. Und Löw rastete im Dauerregen von Recife auf bis dahin ungekannte Weise aus. Mit klatschnassen Haaren und einem am Leib klebenden Polo–Shirt wirft Löw brüllend Fäuste in Richtung der eigenen Elf, die seine taktischen Anweisungen missachtet und den WM–Titel – und den Sieg über Klinsi – dadurch gefährdet.

Einer der Besten

So viel Leidenschaft, so viel Dezibel, aber auch die darauffolgende Portion Coolness, Sonnenbrille, Feierlaune, Genuss–Zigarette gestand man «Jogi» selten zu. Statt sich über seine Leistungen als Trainer zu freuen, musste sich Löw sogar öffentlich dazu äussern, ob er ein Toupet trage oder schwul sei. All das mutet absurd an. Und es stellt sich die Frage, warum einem der erfolgreichsten deutschen Trainer der Geschichte nicht die Wertschätzung zuteilwird, die er verdient. Liegt es an seinem ruhigen Charakter? Herberger, Schön oder Berti Vogts (78) waren ebenfalls keine Lautsprecher. Liegt es daran, dass er sein Privatleben vom Rampenlicht fernhält? Für einen Bundestrainer eher ein Qualitätsmerkmal, weil es um Fussball gehen soll. Löw hat nichts vollmundig versprochen, sondern vieles gehalten. Es steht dem also nichts im Weg, Joachim Löw an seinem 65. Geburtstag als den zu feiern, der er ist: einer der besten Bundestrainer, die dieses Land je hatte.

Von SpotOn vor 2 Stunden