Vor 40 Jahren haben die Kastelruther Spatzen ihr erstes Album «Viel Spass und Freude» veröffentlicht. Zum Jubiläum bringen die sieben Musiker aus Südtirol am 16. Juni 2023 ein Best-of-Album heraus. «40 Jahre - Geschichten, die das Leben schreibt» beinhaltet die für sie 40 wichtigsten Lieder ihrer Karriere. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news blickt Frontmann Norbert Rier (63) zurück auf schöne und schlimme Momente. Zudem macht er sich Gedanken über den richtigen Zeitpunkt für die Spatzenrente.
Wie schwierig war es, die 40 Lieder aus dem grossen Repertoire der Kastelruther Spatzen auszuwählen?
Norbert Rier: Es gibt inzwischen knapp 700 Lieder von den Spatzen. Mir geht es selber oft so, dass ich ein Lied höre und denke, es kommt mir bekannt vor. Dann komm ich irgendwann drauf, dass es von uns ist. Dabei habe ich die ja sogar alle selber gesungen! Die Auswahl war also nicht ganz einfach. Unser Manager und die Plattenfirma haben uns Vorschläge gemacht, wir haben drüber geschaut, und jeder hat die für ihn wichtigen Lieder ausgewählt. Wir haben kreuz und quer Lieder von damals bis heute zusammengestellt unter dem Motto «Geschichten, die das Leben schreibt». Im Herbst kommt dann noch eine neue CD mit 18 ganz neuen Liedern raus. Da bin ich gespannt, wie die ankommen.
Welches Lied war Ihnen persönlich für das Best-of-Album besonders wichtig?
Rier: «Das Mädchen mit den erloschenen Augen», weil es unser erstes Erfolgslied war. Jeder von uns sieben hat so seine bestimmten Lieblingslieder. Aber wir konnten uns einigen. Bei den Tourneen ist es auch immer ein Thema, ein Programm zusammenstellen, das für alle passt. Wir versuchen immer, dass für jeden ein Lieblingslied dabei ist.
Welche Ereignisse aus den 40 Jahren sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Rier: Es gab so viele schöne Erlebnisse. Zum Beispiel, wie wir unsere erste Aufnahme in den Händen hielten und die vielen Auszeichnungen bekommen haben. Das hat man so richtig genossen, und es war eine wunderschöne Zeit. Aber es hat auch Schattenseiten gegeben wie den Tod unseres damaligen Managers Karl-Heinz Gross und den Tod unseres ehemaligen Mitglieds Andreas Fulterer. Das waren schlimme Momente, die wir überstehen mussten und die einem zeigen, dass das Leben auch anders sein kann. Trotzdem ist es so, wie es auch in einem unserer Lieder heisst: «Ich schau mit Freude zurück». Vor allem, weil wir mit all dem Erfolg nicht gerechnet haben. Das hätte ja niemand von uns geglaubt, dass wir so weit kommen. Aber so ist es ja oft: Wenn man zuviel erwartet, wird man enttäuscht. Wenn man nicht so hohe Erwartungen hat, kann man einfach geniessen.
Das Album enthält auch ein Duett mit Oswald Sattler, der 1993 aus der Gruppe ausgestiegen war...
Rier: Er wollte eigene Musik machen, und wir sind im Guten auseinander gegangen. Ich freue mich, dass er mit seiner Kirchenmusik erfolgreich ist. Dass er jetzt mit uns noch einmal singt, zeigt, dass wir ein gutes Verhältnis haben. Vielleicht ist sogar ab und zu ein gemeinsamer Auftritt im TV oder auf der Bühne möglich, wenn es die Terminkalender zulassen.
Die Showbranche ist sehr schnelllebig. Warum sind gerade die Kastelruther Spatzen über so viele Jahrzehnte so erfolgreich?
Rier: Ich glaube, wir hatten Glück, dass wir nicht den einen grossen Hit hatten. Darüber sind viele Künstler abgehoben und haben gedacht, jetzt liegt ihnen die Welt zu Füssen. Aber danach waren sie weg vom Fenster. Uns war wichtig, dass wir immer normal bleiben und mit den Füssen am Boden. Das Publikum hat auch gemerkt, dass wir ganz Normale sind. Wir haben uns unsere Fans langsam aufgebaut und uns auch immer wieder bedankt bei den Leuten. Denn wir haben alles den Fans zu verdanken, die uns im Guten wie im Schlechten die Treue halten. Jeder kann tolle Musik im Studio machen, aber entscheiden tut das Publikum! Deshalb sind auch schöne Tourneen wichtig. Wir haben grossen Wert drauf gelegt, dass wir unter dem Motto «Ehrlich währt am längsten» alles live gesungen und gespielt haben bei den Aufritten. Das war uns persönlich immer wichtig und ist glaube ich auch ein Teil des Erfolges.
Apropos Tourneen. Dieses und nächstes Jahr stehen schon wieder sehr viele Termine in Ihrem Kalender. Wie schaffen Sie das ganze Pensum?
Rier: Ich staune selber immer. Man merkt mit zunehmendem Alter speziell die langen Fahrten. Wir fangen deshalb an, etwas früher oder sogar einen Tag vorher zu den Auftrittsorten zu fahren. Nach den Konzerten fahren wir aber immer noch sofort nach Hause, selbst wenn es wie von Lübeck mehr als 1000 Kilometer sind. Mir persönlich wäre es lieber, wenn es ein bisschen weniger würde, aber die Nachfrage ist nach wie vor gross. Ich versuche schon, unseren Manager ein bisschen zu bremsen. Aber es ist auch immer wieder schön, auf der Bühne zu stehen und die Begeisterung des Publikums zu erleben. Doch man sollte jetzt schon ein bisschen mehr darauf schauen, dass es nicht zu viel wird. Man merkt wie gesagt das Alter schon. Das ist ein ganz logischer Vorgang.
Anfang des Jahres kursierten bereits Gerüchte, die Kastelruther Spatzen würden bald aufhören...
Rier: Im Internet wird immer viel geschrieben. Es hiess sogar mal, ich sei gestorben. Aber sicher, irgendwann werden wir wohl aufhören. Früher habe ich schon mal gedacht, ich würde mit 50 aufhören. Nun bin ich 63. Ich habe immer gesagt, dass ich nicht mehr auf der Bühne stehen möchte, wenn es keinen Spass mehr macht. Und eins ist sicher: Wenn wir eine Abschiedstournee machen, soll es auch eine sein. Und nicht wie bei Kollegen, wo die vermeintliche Abschiedstournee eher ein Gag war, um Leute anzulocken, und danach gab es ein Comeback. Es wäre schön, den richtigen Zeitpunkt für einen Abschied zu finden. Aber wir sind zu siebt, da muss es für alle passen. Das ist nicht so einfach.
Wäre es denkbar, jüngere Musiker in die Gruppe zu holen und eine neue Spatzengeneration aufzubauen?
Rier: Das kann ich mir nicht vorstellen. Es wäre ideal, dass wir in der jetzigen Formation aufhören und es nicht langsam vor sich hinbröckelt.
Was wünschen Sie sich noch für die Kastelruther Spatzen?
Rier: Dass wir gesund und fit bleiben, weiter Spass haben und den Leuten weiterhin viel Freude mit unserer Musik machen können. Es ist immer wieder schön, wenn man von den Leuten Sachen hört wie: «Durch Eure Musik habe ich wieder einen Sinn gefunden» oder «Eure Musik hat mir Kraft gegeben».
Auch in Ihrem Privatleben ist in vier Jahrzehnten so Einiges passiert...
Rier: Im Januar war ich 40 Jahre verheiratet - und immer noch mit derselben Frau. Das ist in der Showbranche etwas Besonderes. Wir haben vier Kinder bekommen und inzwischen vier Enkelkinder, und ich hoffe, dass mein Sohn Alexander irgendwann unseren Hof übernimmt. Dort habe ich auch immer noch genug zu tun, wenn ich mal in Spatzenrente gehen sollte. Ich habe ja zwei Hobbys zum Beruf: die Musik und die Landwirtschaft.
Wünschen Sie sich mehr Zeit mit Ihrer Frau Isabella?
Ja, das wäre schön. Wir haben ja auch noch Feriengäste auf dem Hof, ich bin viel unterwegs. Da bleibt oft wenig Zeit füreinander. Wir versuchen aber, uns immer mal wieder kurze Auszeiten zu nehmen.