Knapp drei Monate, nachdem ihn ein Londoner Gericht vom Vorwurf der sexuellen Nötigung von vier Männern freigesprochen hatte, legte der Hollywood–Star Kevin Spacey (64) seinen ersten öffentlichen Auftritt an der altehrwürdigen Uni Oxford hin. Im Rahmen eines Vortrags des englischen Publizisten und Autors Douglas Murray (44) über Cancel Culture betrat Spacey zur Überraschung des Publikums durch eine Seitentür den Raum. Spacey hielt jedoch keine Rede, vielmehr liess er William Shakespeare himself für sich und sein Anliegen sprechen. In der Rolle des Timon von Athen übte er dabei heftige Kritik an falschen Freunden und der Cancel Culture, als deren Opfer er sich sieht.
«Jemand, den ich mit Stolz meinen Freund nenne»
Spaceys Kurz–Auftritt in der Rolle des Timon dauert ganz fünf Minuten und zehn Sekunden – aber die haben es in sich. Murray leitet ein, indem er «jemanden» ankündigt, «den ich mit Stolz meinen Freund nenne: Kevin Spacey.» Dann betritt Spacey in Alltagskleidung und mit einem Glas Wasser und Stichwort–Karten in Händen die Bühne des kleinen Vortragssaals der traditionsreichen Universität. Und er legt los, indem er Shakespeare und dessen Timon von Athen in einem Monolog zum Leben erweckt. Timon beklagt sich darin in drastischen Worten darüber, dass er eben noch unzählige Freunde anzog, als er reich und freigebig war. Als ihm das Glück nicht mehr zur Seite steht, sind auch die angeblichen Freunde verschwunden – eine Situation, die so auch auf Spacey zutreffen könnte.
Kevin Spacey beklagt Vorverurteilung
Spacey, der sich in seinem Auftritt immer wieder direkt an sein Publikum richtet, trägt den energischen Monolog frei vor. In der Seele zutiefst gekränkt, so stellt er Timon – und damit wohl auch sich selbst – dar. Der Auftritt endet mit den Worten: «Diese Welt macht mich krank. Ich werde sie niemals lieben!» Dann geht er ab. Und als Spacey den Raum erneut betritt, um sich der Reaktion des Publikums zu stellen, erntet er stehende Ovationen.
Nachdem er im Juli von den Vorwürfen der sexuellen Nötigung in vier Fällen freigesprochen worden war, hatte der zweifache Oscargewinner noch seine Vorverurteilung beklagt: «Ehe die erste Frage gestellt war, verlor ich meinen Job, meinen Ruf. Ich habe innerhalb weniger Tage alles verloren.» Noch am Sonntag sagte ein Londoner Kino die Premiere seines neuen Streifens «Control» kurzfristig ab. Die stehenden Ovationen des Oxforder Publikums könnten Spacey darin bestärken, wieder häufiger die Öffentlichkeit zu suchen.
Darum ging es in dem Prozess
Der Prozess gegen Spacey hatte Ende Juni in London begonnen. Dem im Rahmen der MeToo–Bewegung von Hollywood fallen gelassenen Schauspieler wurde vorgeworfen, zwischen 2001 und 2013 in Grossbritannien vier Männer unsittlich berührt oder zum Geschlechtsverkehr genötigt zu haben. Spacey bestritt die Anschuldigungen und plädierte in allen Anklagepunkten auf nicht schuldig. An seinem 64. Geburtstag war er Ende Juli in London schliesslich in allen Punkten freigesprochen worden.
Schon 2022 hatte es für Spacey in den USA einen Freispruch gegeben. Eine New Yorker Jury hatte ihn für nicht schuldig befunden. Sein Schauspielkollege Anthony Rapp (51) hatte ihm vorgeworfen, ihn sexuell belästigt zu haben, als dieser gerade einmal 14 Jahre alt war.