1. Home
  2. News
  3. «Maestro»: Bradley Cooper als Meister vor und hinter der Kamera
Ab 20. Dezember auf Netflix

«Maestro»: Bradley Cooper als Meister vor und hinter der Kamera

Drehbuch, Regie, Hauptrolle: Bradley Cooper hat sich für seinen Film «Maestro» intensiv mit Leonard Bernstein beschäftigt. Ist ihm die Hommage an den berühmten Komponisten und Dirigenten gelungen?

Artikel teilen

Bradley Cooper als leidenschaftlicher Dirigent Leonard Bernstein.
Bradley Cooper als leidenschaftlicher Dirigent Leonard Bernstein. Jason McDonald/Netflix

Mit «Maestro» wurde Leonard «Lenny» Bernstein (1918–1990) ein Denkmal gesetzt. Der Dirigent und Komponist, unter anderem des Musicals «West Side Story», wird in dem Film (seit 6. Dezember in ausgewählten Kinos, ab 20. Dezember weltweit auf Netflix) bei verschiedenen Stationen seiner Karriere begleitet. Doch vor allem seine Beziehung zu seiner Frau Felicia Montealegre Cohn Bernstein (1922–1978) rückt in den Mittelpunkt, das klassische Biopic wird zur Hommage an eine besondere Liebesgeschichte.

Hintergrund zum Film

Dargestellt wird Bernstein von Bradley Cooper (48), der nach «A Star Is Born» (2018) erneut nicht nur vor der Kamera den Takt angab, sondern als Regisseur und einer der Produzenten auch hinter der Kamera dirigierte und mit Josh Singer das Drehbuch verfasste. Steven Spielberg (77), der die Regie aufgrund zu vieler anderer Projekte an Cooper abgab, und Martin Scorsese (81) waren ebenfalls im Produzententeam. Und um die Riege der grossen Namen zu komplettieren, verkörpert die Oscar nominierte Carey Mulligan (38) Bernsteins Frau.

Sechs Jahre hat Cooper an «Maestro» und seiner Verwandlung in die Musiklegende gearbeitet. Dazu tauschte er sich auch mit den Kindern Bernsteins aus, die ihm den Kompositionskatalog ihres Vaters und ihr Zuhause in Connecticut als Drehort zur Verfügung stellten. Die Voraussetzungen für eine gelungene Darstellung waren also geschaffen, doch kann Cooper auch liefern?

Komplexe Persönlichkeit wird zur Herausforderung

Ein grosser Moment im Leben des Dirigenten wird an den Anfang des Films gestellt: Ein Zufall führt dazu, dass Leonard Bernstein 1943 in der New Yorker Carnegie Hall für einen Kollegen einspringt, auf die Bühne tritt und seine Begabung als Dirigent unter Beweis stellen darf.

Es ist der Beginn einer grossen Karriere, Bernstein wird später zum ersten US–amerikanischen Musikdirektor des New York Philharmonic Orchestra (1958–1969) und tritt als Gastdirigent auf. Das Werk Gustav Mahlers (1860–1911) fand seine besondere Beachtung und Bewunderung. Doch er will nicht nur dirigieren, sondern auch komponieren. Bühnenwerke wie die «On the Town» (1944) oder «West Side Story» (1957) werden zum grossen Erfolg. Der Begriff Maestro steht nicht nur für einen grossen Musiker oder Komponisten, sondern kann auch Meister oder Lehrer bedeuten, was Bernstein gerecht wird, da er als Dozent seine Fertigkeiten auch weitergegeben hat.

Doch nicht primär die grossen Durchbrüche in seiner Karriere, sondern seine Beziehung mit der chilenischen Bühnen– und Fernsehschauspielerin Felicia Cohn Montealegre werden im Verlauf und über Jahrzehnte hinweg im Film beleuchtet. Schnell wird klar: Nicht nur die Leidenschaft zur Musik macht den Dirigenten und Komponisten umtriebig und rastlos. Auch in seinem Liebesleben scheint er seine Freiheiten zu geniessen und seine grosse Menschenliebe auf verschiedene Personen verteilen zu wollen. Auch als Felicia in sein Leben tritt, will er sich nicht auf seine Familie konzentrieren. Seiner Frau wird bewusst, dass sie ihn nicht davon abhalten kann und akzeptiert seine homoerotischen Ausflüchte aus ihrer Ehe – unter einer Bedingung.

Das Streben nach Authentizität

Um die Jahrzehnte im Leben des Ehepaares im Bild verstreichen zu lassen, beginnt der Film in Schwarz–Weiss. Die Szenen über die ersten Erfolge Bernsteins und die Kennenlerngeschichte des Paares werden zu einer blassen Erinnerung und sorgen anfangs für eine gewisse Distanz des Zuschauers zu den Figuren. Erst der Wechsel zu Farbe lässt einen näher an die Charaktere und deren intensive Beziehung heranrücken.

Entscheidend für das Durchleben der verschiedenen Zeitperioden vor und auf der Leinwand sind zudem die optischen Veränderungen, die Cooper und Mulligan in ihren Rollen erleben. Durch verschiedene Prothesen passen sie sich gekonnt dem fortgeschrittenen Alter ihrer Figuren an, sodass besonders Cooper als alternder Bernstein immer mehr hinter seiner Rolle verschwindet.

Dass die körperliche Transformation auf authentische Weise gelang, bestätigte Bernsteins Tochter Nina Bernstein Simmons in einem Interview: «Ich kann mich an einen Tag erinnern, an dem ich einen Anruf per FaceTime von einer Nummer bekam, die ich nicht kannte. Ich nahm den Anruf an und es war mein Vater. Es war Bradley nach der Maske und dem Styling und ich konnte nicht aufhören zu lachen. Es war total verrückt. Ich sah ihn mit Zigarette und Brille und das war alles einfach nur total schräg.»

Cooper, der zudem auf eine nicht unumstrittene Nasenprothese («Jewfacing»–Vorwurf) und Veränderung der Stimme setzte, um Bernstein möglichst ähnlich zu sehen, strebte auch in der Darstellung der Arbeit des Musikers nach Authentizität. Mit vollem und schweisstreibendem Körpereinsatz und ausdrucksstarker Mimik widmete er sich etwa gekonnt dem von Bernstein typisch wilden Stil des Dirigierens, der vor allem in der starken Performance bei Mahlers 2. Sinfonie in der Ely Cathedral zum Ausdruck kommt. Dass Cooper die von Bernstein komponierten und dirigierten Werke als Grundlage für Szenen und als Filmmusik zur Verfügung hatte, ist ein entscheidender Faktor für die Ausdruckskraft des Films.

Ausdrucksstark ist auch das Schauspiel von Carey Mulligan, die neben Cooper ganz und gar nicht im Schatten steht. Die Schauspielerin, Künstlerin und Aktivistin Felicia Montealegre Cohn Bernstein stellt sie als starke Frau dar, die eine tiefe Liebe zu ihrem Mann empfindet und sich trotz der augenscheinlichen Akzeptanz seiner Liebschaften unzufrieden und verletzt zeigt. Am Ende sorgt sie für die berührendsten Szenen des Films, die ihre verletzliche Seele besonders deutlich zeigen.

Fazit

Dass die Bernstein–Ehe im Mittelpunkt des Films steht, führt von selbst dazu, dass die tiefere Auseinandersetzung mit dem Schaffen des Komponisten, wie etwa die Arbeit an seinen Musicals, auf der Strecke bleibt. Auch seine fluide Sexualität wird zwar thematisiert, jedoch mit wenig Details oder expliziten Szenen ausgestattet. Dafür bekommt Carey Mulligan zu Recht mehr Leinwandzeit und sorgt für die emotionalen Höhepunkte im Film.

«Maestro» beantwortet sicherlich nicht alle Fragen und zeigt nicht jede Facette von Bernsteins Leben und seiner komplexen Persönlichkeit. Der Film weckt aber Interesse an ihm und seiner vielfältigen Kunst, vor allem bei Zuschauern, die zuvor mit seinen Werken weniger vertraut waren. In den Weiten des Internets lohnt ein ergänzender Blick in alte Aufnahmen, etwa von Bernsteins Auftritt als Dirigent von Mahlers 2. Sinfonie, die die Filmszenen noch einmal aufleben lassen und zeigen, wie authentisch Coopers Performance wirklich ist.

Von SpotOn am 21. Dezember 2023 - 02:33 Uhr