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Neue Staffel «MAITHINK X - Die Show»

Mai Thi Nguyen-Kim: «Ich war eine richtige Streberin»

Ein gutes Gespräch über Wissenschaft zu führen, war schon bei Partys Mai Thi Nguyen-Kims Ziel. Längst macht sie das auch im Fernsehen. Spannende Details zu ihrem Werdegang und der neuen Staffel ihrer Wissenschaftsendung «MAITHINK X - Die Show» hat sie im Interview verraten.

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Mai Thi Nguyen-Kim präsentiert ihre neue Sendung: "MAITHINK X - Die Show".
Mai Thi Nguyen-Kim präsentiert ihre neue Sendung: "MAITHINK X - Die Show". ZDF / Ben Knabe

Dr. Mai Thi Nguyen-Kim (35) meldet sich mit ihrer TV-Show «MAITHINK X» zurück. In den sechs neuen Folgen der präzise recherchierten und zugleich sehr humorvollen Wissenschaftssendung geht es um die emotional aufgeladenen Themen Atomkraft, Tierversuche, Fussball, Kryptowährungen, Kosmetik und Homöopathie. Letztere steht im Mittelpunkt der Auftaktfolge, die am 18. September um 22:15 Uhr bei ZDFneo ausgestrahlt wird. Seit Jahren engagieren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegen Homöopathika, trotzdem werden sie immer noch als apothekenpflichtiges Arzneimittel verkauft. Die promovierte Chemikerin und Wissenschaftsjournalisten stellt nun die Frage: «Was ist, wenn Homöopathie wirklich wirkt?» 

Wie Mai Thi Nguyen-Kim (35) überhaupt zu ihrer Wissenschaftssendung kam, welche Rolle der ehemalige US-Präsident dabei spielte und was die Zuschauerinnen und Zuschauer beim Thema Kosmetik erwartet, erklärt sie im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. Dabei hat sie auch verraten, welche kleine Small-Talk-Challenge ihr auf Partys besondere Freude bereitet hat und was aus ihrem Engagement gegen Hasskommentare geworden ist.

Sie sind promovierte Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin. Wann war Ihnen klar, dass der Weg nicht in die Forschung geht?

Mai Thi Nguyen-Kim: Das war mir erst sehr spät klar. Die allermeisten Chemiker machen ihren Doktor. Das ist vergleichbar mit den Medizinern. Und während ich meine Doktorarbeit gemacht habe, habe ich als Hobby einen YouTube-Kanal begonnen, auf dem ich über Wissenschaft gesprochen habe. So wurde das Onlineangebot Funk von ARD und ZDF auf mich aufmerksam. Dessen Start im September 2016 fiel zufälligerweise mit dem Ende meiner Doktorarbeit zusammen, also hat man mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, einen Wissenschafts-YouTube-Kanal für Funk zu machen. Von dieser damals total schrägen und witzigen Idee der öffentlich-rechtlichen Sender, auch ein jüngeres Publikum ansprechen zu wollen, war ich schnell überzeugt.

War das für Sie dann sofort die berufliche Alternative?

Nguyen-Kim: Ich hatte es mir eher als ein Sabbatjahr vorgestellt, ein Jahr raus aus der Forschung, mal verrückte Sachen in den Medien machen und dann wieder zurückkehren. Das habe ich dann aber nicht gemacht und aus Spass wurde immer mehr ernst. Das ist auch gut so, weil ich wirklich gerne über Wissenschaft spreche und meine Leidenschaft mit anderen teile. Spätestens durch Trump und seine «alternativen Fakten» ist mit klargeworden, wie wichtig das Vermitteln wissenschaftlicher Fakten ist und so bin ich dann doch sehr bewusst nicht in die Forschung zurückgegangen. 

Wann hat Ihr Interesse an Chemie und Wissenschaft angefangen? Schon in der Schule?

Nguyen-Kim: Ja, Naturwissenschaften, Physik, Chemie, Mathe haben mir immer Spass gemacht und ich war auch gut darin. Ich war generell extrem neugierig, habe schon immer gerne gelernt und war eine richtige Streberin. Das ist für mich auch überhaupt nichts Negatives. Ich habe einen Chemiker-Papa, ohne den ich wahrscheinlich Physik studiert hätte, bei den Naturwissenschaften wäre ich aber wohl in jedem Fall gelandet.

Und wie darf man sich das vorstellen, wenn Sie in Urlaub fahren oder entspannen? Lesen Sie dann einen ganz normalen Roman oder Krimi? Oder geht es auch da eher um Wissenschaften?

Nguyen-Kim: Seit ich Mutter bin, habe ich kaum noch Zeit Fiktionales zu lesen. Wenn ich Langeweile hätte, würde ich auch mal einen Roman lesen. Aber generell ist es schon so, dass ich sehr gerne Sachbücher lese. Und das Schöne ist, dass ich diese Leidenschaft beruflich voll ausleben kann.

Und beim Small Talk auf Partys wollen dann auch alle immer etwas Wissenschaftliches von Ihnen hören? 

Nguyen-Kim: Inzwischen ist es so, dass die Leute das von mir erwarten, ja. Aber als ich noch nicht so in der Öffentlichkeit stand, war es für mich schon eine Art Disziplin oder eine kleine Challenge, bei Partys ein gutes Gespräch über Wissenschaft zu führen, ohne dass die Leute davon abgeschreckt wurden. Das hat mir viel Spass gemacht. 

Ähnlich ist es auch mit Ihrer Sendung «MAITHINK X - Die Show». Da werden die Zuschauerinnen und Zuschauer auch ganz unkompliziert zu wissenschaftlichen Themen abgeholt. Ist das das Ziel?

Nguyen-Kim: Absolut. Das Traurige an den Naturwissenschaften ist ja, dass wenn man sie nicht studiert, hat man nach der Schule nichts mehr damit zu tun. Es sollte aber kein akademischer Exklusiv-Club sein, weil es so viel Schönes beinhaltet. Und ich bin total froh, dass ich durch meine Arbeit dazu beitrage, dass man es nicht studieren muss, um etwas damit zu tun zu haben.

Nach der ersten Staffel folgten im Frühjahr bereits ein paar Folgen der zweiten Staffel und jetzt geht es mit neuen Episoden weiter. Wie ist denn das Feedback auf die Sendungen? Und was hat Sie daran überrascht?

Nguyen-Kim: Wie zu erwarten war, gab es bei Themen wie Schwangerschaftsabbruch Kritik. Von YouTube war ich zwar einiges gewohnt, was dann aber in den Briefen an das ZDF geäussert wurde, hat mich schon überrascht. Denn es war erstaunlich konstruktiv. Ich hatte eher das Gefühl, dass mit der Sendung Diskussionen losgetreten wurden. Das war cool und ungefähr so, wie wenn sich nach einem Vortrag eine rege Diskussion entwickelt.

Auf Social Media war es aber auch schon anders. Vor ungefähr einem Jahr haben Sie ein Video bei maiLab hochgeladen, in dem Sie transparent über Ihr Community Management reden und vorgeschlagen haben, wie als Community mit Hasskommentaren umgegangen werden könnte. Was hat sich seitdem verändert?

Nguyen-Kim: Das Video und die Folgen davon waren unglaublich schön für mich und mein kleines Team. Wir waren immer sehr tolerant bei den Kommentaren, weil wir ja alles erwachsene Menschen sind. Ausserdem kann ich die Wissenschaft und die Sprache sehr gut von mir als Person trennen. Insofern fühle ich mich nicht persönlich getroffen, wenn jemand mich beschimpft. Stattdessen empfinde ich eher Fremdscham. Aber irgendwann lief es ein bisschen aus dem Ruder und der Grossteil der Community, der einfach nur vernünftig und sachlich diskutieren wollte, konnte sich nicht mehr austauschen, weil zu viel gepöbelt wurde. Wir haben dann unsere Community-Regeln geändert.

Inwiefern?

Nguyen-Kim: Wir haben klargemacht, dass es nur zwei sinnvolle Optionen gibt, wenn mir etwas nicht gefällt. Entweder ein Kommentar verstösst wirklich gegen Guidelines, Richtlinien oder ist strafrechtlich relevant, dann sollte und muss man ihn melden. Wenn man ihn aber einfach nur nicht gut findet, sollte man ihn ignorieren. Denn ohne Aufmerksamkeit hat man auch keinen Einfluss. Und als ich dann auch erwähnt habe, dass ich weiss, dass die allermeisten stille Zuschauer sind, die normalerweise nichts schreiben, hat uns eine Flut von positiven Kommentaren erreicht, in denen sich genau diese Menschen zum ersten Mal zu Wort gemeldet haben. Das hat mich wirklich bewegt.

Wer sucht denn die Themen für die Sendungen der «MAITHINK X - Die Show» aus? Da ist ja wirklich querbeet alles dabei...

Nguyen-Kim: Da es ja meine Sendung ist, habe ich grundsätzlich schon eine gewisse Autorität in der Redaktion und bei diesen Entscheidungen. Aber wir waren uns bisher bei allen Themen einig. Wir suchen immer nach Themen, bei denen viele Fragen und Diskussionen aufkommen. «Querbeet» ist auf jeden Fall eines unserer Ziele. Das ist aber gar nicht so schwer, denn Wissenschaft spielt ja in allen erdenklichen Bereichen unseres Lebens eine Rolle.

In einer Sendung der neuen Staffel wird es um die Kosmetikindustrie gehen. Was erwartet die Zuschauerinnen und Zuschauer?

Nguyen-Kim: Wir werden zeigen, dass viele der Werbeversprechen nichts als «Science Washing» sind. Science Washing ist das Äquivalent zu Green Washing. Ähnlich wie manche Firmen versuchen, sich mit grünen und nachhaltigen Feigenblättern zu schmücken, täuschen Kosmetikfirmen gerne wissenschaftliches Arbeiten oder wissenschaftliche Qualitätskontrolle vor. Inzwischen wird ja häufig nicht mehr nur mit dem Produkt geworben, also beispielsweise, dass das Shampoo glänzendes Haar macht. Wenn dann aber dasteht, das Shampoo macht «laut Studie 62 Prozent glänzenderes Haar», gehen bei mir die Alarmglocken los: Wie sah diese Studie aus? Woher kommt diese konkrete Zahl? Und solche Dinge haben wir dann einfach mal nachgefragt. Insgesamt haben wir 19 Produkte mit konkreten wissenschaftlichen Claims untersucht. Das war sehr spannend.

Von spot on news AG am 18. September 2022 - 14:16 Uhr