In knapp drei Wochen ist es so weit: Malik Harris (24) geht für Deutschland beim Finale des Eurovision Song Contests am 14. Mai an den Start. Er möchte die deutsche Pechsträhne der vergangenen Jahre auflösen und mit seinem Song «Rockstars» überzeugen. «Aber dieser Contest hat natürlich seine eigenen Gesetze, die ich überhaupt nicht einschätzen kann», gibt der 24-Jährige im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news zu. Der Sohn von Moderator Ricky Harris (59) hat nach dem Finale viel vor, wie er verrät. Ausserdem spricht er über die Vorbereitungen für seinen grossen Auftritt und erklärt, warum gerade «Rockstars» den ESC gewinnen sollte.
Noch ein knapper Monat, dann treten Sie beim ESC-Finale auf. Wie aufgeregt sind Sie?
Malik Harris: Tatsächlich noch nicht so sehr. Bei mir kommt die Aufregung immer erst ganz kurz vor dem Auftritt. In den letzten paar Sekunden, bevor es auf die Bühne geht, schlägt es mir total in die Magengrube. Bis dahin bin ich aber ganz entspannt.
Was bedeutet Ihnen die Teilnahme?
Harris: Es macht mich wahnsinnig stolz. Allein bei der Vorstellung, mein ganzes Heimatland Deutschland bald mit meiner Musik und diesem Song, den ich letztes Jahr in meinem Schlafzimmer zu Papier gebracht habe, zu repräsentieren, bekomme ich Gänsehaut.
Welche Vorbereitungen müssen Sie pandemiebedingt treffen, bevor Sie auftreten dürfen?
Harris: Vor allem Testen, Testen, Testen. Das Gute ist, dass ich allein auf der Bühne stehen werde. Dementsprechend sollte zumindest das mit dem Sicherheitsabstand kein grosses Problem werden.
Wie bereiten Sie sich momentan auf den Eurovision Song Contest vor?
Harris: Viel Zeit zum Vorbereiten gibt es tatsächlich nicht, da meine Tage momentan total voll sind mit Interviews, Reisen usw. Aber ab dem 4. Mai bin ich mit meinem Team in Turin und habe dort ein paar Tage für Proben. Bis dahin erarbeiten wir die Inszenierung, auf die ich mich schon wahnsinnig freue. Den Song habe ich inzwischen schon oft genug gespielt, um mir relativ sicher zu sein, dass ich ihn beherrsche.
Haben Sie ein bestimmtes Ritual, bevor Sie auf die Bühne gehen - oder sogar ein spezielles für den ESC?
Harris: Nicht wirklich. Ich muss vor Auftritten immer oft auf Toilette, bin mir aber nicht sicher, ob man das als Ritual werten kann.
Welche Künstler, glauben Sie, könnten Ihre grössten Konkurrenten werden?
Harris: Ich sehe den ESC tatsächlich nicht wirklich als Wettbewerb, sondern eher als ein schönes Zusammenkommen von verschiedensten tollen Künstlerinnen und Künstlern aus ganz Europa. Deswegen würde ich persönlich nicht von Konkurrenten sprechen. Aber am besten gefallen mir die Songs aus Belgien, Grossbritannien und Italien.
Welche Chancen räumen Sie sich selbst ein?
Harris: Deutschland war ja in den letzten Jahren ständig auf den hinteren Plätzen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich das dieses Jahr ändert, da mein Song, wie ich finde, dann doch sehr sehr anders ist als das, was Deutschland zuletzt zum ESC geschickt hat. Aber dieser Contest hat natürlich seine eigenen Gesetze, die ich überhaupt nicht einschätzen kann.
In Ihrem Song «Rockstars» geht es ums Erwachsenwerden. Welche grosse Message steckt dahinter?
Harris: Ich habe «Rockstars» geschrieben, nachdem ich eine Folge der US-Serie «The Office» gesehen habe, und jemand in einer Szene Folgendes sagte: ‹I wish there was a way to know you›re in the good old days before you‹ve actually left them.› (zu Deutsch etwa: «Ich wünschte, es gäbe eine Möglichkeit zu wissen, dass man in der guten alten Zeit ist, bevor man sie verlassen hat.», Anm. d. Red.) Dieses Zitat hat in mir unfassbar viel ausgelöst und mich auch direkt dazu bewegt, «Rockstars» zu schreiben.
Durch diesen Satz habe ich erkannt, wie viel Zeit ich damit verbringe, in der «guten alten Zeit» zu schwelgen und wie sehr ich mir die Unbeschwertheit und Leichtigkeit der Kindheit zurückwünsche. Der Satz hat mir aber auch gezeigt, dass wir Menschen dazu neigen, im Hier und Jetzt sehr oft nur das Schlechte zu sehen und in der Vergangenheit häufig das Gute, nachdem es vorbei ist und wir darauf zurückblicken. Genau das, finde ich, sollten wir ändern, denn es gibt immer schöne Dinge um uns herum. Wir müssen sie nur im Moment suchen und nicht in der Vergangenheit, denn dann hören die «guten alten Zeiten» nie auf.
Warum sollte «Rockstars» den Eurovision Song Contest gewinnen?
Harris: «Rockstars» ist der persönlichste und verletzlichste Song, den ich jemals geschrieben habe. Ich spreche in diesem Song Gefühle an, die, wie ich denke, sehr viele von uns momentan gut nachvollziehen können. Nostalgie, die Sehnsucht nach der unbeschwerten Zeit der Vergangenheit, Ängste und Sorgen. Dennoch kann man in diesem Song sehr viel Hoffnung und Zuversicht finden, und ich glaube, genau das brauchen wir momentan. Trotzdem würde ich der Ukraine den ESC-Sieg gönnen und wäre mit einem zweiten Platz auch sehr zufrieden.
Dürfen Sie schon verraten, was Sie für Ihren grossen ESC-Auftritt auf der Bühne planen?
Harris: Leider nein. Was ich verraten kann, ist, dass ich wie immer alleine auf der Bühne stehen werde und beim Singen Klavier, Drums und Gitarre mithilfe meiner Loop Station spielen werde - das ist einfach mein Live-Stil und das macht so unfassbar viel Spass. Und was ich auch sagen kann, ist, dass die Performance sehr intim und emotional wird, weil ich finde, dass das den Song und dessen sehr persönliche Message am besten rüberbringt.
Die Teilnahme am ESC hat Ihnen weitere internationale Bekanntheit verschafft. Wie gehen Sie damit um?
Harris: Ich geniesse es total! Mein grosses Ziel ist es, weltweit mit meiner Musik bekannt und unterwegs zu sein, und ich habe das Gefühl, dass mich die Teilnahme am ESC diesem Ziel ein Stückchen nähergebracht hat. Ausserdem ist die Vorstellung verrückt, dass es viele Menschen in Ländern gibt, in denen ich noch nie war, die Fans meiner Musik sind. Das ist Wahnsinn und macht mich unfassbar dankbar und stolz.
Was planen Sie für die Zeit nach dem ESC - unabhängig davon, wie es für Sie ausgeht?
Harris: Meine erste grosse Headliner-Tour beginnt zwei Tage nach dem ESC-Finale, darauf freue ich mich wahnsinnig! Diese Tour wurde seit 2020 viermal verschoben und findet jetzt endlich statt! Für mich als Musiker ist das Live-Spielen das absolut Grösste, das es gibt, und dass das jetzt endlich wieder losgeht, bedeutet für mich alles. Deswegen ist der Plan nach dem ESC neben meiner Tour erstmal so viel live zu spielen wie nur menschenmöglich.
Wollten Sie sich nach dem ESC-Finale keine Pause gönnen?
Harris: Auf keinen Fall, Pause hatte ich in den letzten zwei Jahren genug. Ich vermisse es total, so wie noch 2019 ständig unterwegs zu sein und ein Festival oder Konzert nach dem anderen zu spielen. Deswegen war für mich klar, dass ich alles mitnehmen werde, was geht, sobald es die Massnahmen zulassen. Und nachdem meine Tour bereits viermal verschoben wurde, kann ich es erst recht nicht erwarten, endlich loszulegen!
Gerade ist auch der neue Friedenssong «Better Days» von WIER erschienen, an dem Sie mitgewirkt haben - wie war die Arbeit in so einem grossen Künstlerkollektiv?
Harris: Das war total entspannt und hat mega Spass gemacht! Allerdings hatte ich auch einen sehr einfachen Job, da ich eigentlich nur den Song komplett einsingen musste. Die tatsächliche Arbeit war es, all die verschiedenen Künstlerinnen und Künstler zu organisieren, zu kontaktieren und dann am Ende auch noch all unsere verschiedenen Aufnahmen unter einen Hut zu kriegen und homogen klingen zu lassen. Das war sicher ein riesiger Aufwand und ich hab wahnsinnigen Respekt vor denen, die das auf sich genommen und dann auch noch so perfekt umgesetzt haben.
Die Erlöse des aktuellen Songs gehen an Arthelps für Projekte in der Ukraine - sind auch weitere Aktionen geplant, an denen Sie teilnehmen werden?
Harris: Einige - zum Beispiel die Kampagne «Letters for Better Days», die die grösste NFT-Charity-Aktion aller Zeiten werden soll und wie ich finde eine grossartige Idee ist: Sowohl bekannte Persönlichkeiten als auch ganz normale Menschen verfassen handschriftlich je einen Brief, in dem sie über ihre Gedanken, Ängste, Sorgen, aber auch Wünsche, Hoffnungen zur aktuellen Situation reflektieren.
Diese Briefe werden dann digitalisiert und als verschlossene NFTs versteigert, deren Erlös über Arthelps an die Kriegsopfer gespendet wird. Nach 12 Monaten können die Spenderinnen und Spender ihre digitalen Briefe dann öffnen und sich diese Gedanken durchlesen. Wie ich finde eine grossartige Aktion, die zwar aus einem traurigen Grund entstanden ist, mir aber dennoch viel Hoffnung gibt - weil sie zeigt, dass es so wahnsinnig viele tolle, kreative, empathische und hilfsbereite Menschen gibt, die Grösse zeigen und sich für die einsetzen, die ihre Unterstützung brauchen. Das macht Menschlichkeit aus und gibt mir auch in Tagen wie diesen viel Kraft.
Sie sind in einer musikalischen Familie aufgewachsen, Ihr Vater Ricky ist es gewohnt, vor der Kamera zu stehen. Inwiefern hat Sie das für Ihre eigene Karriere geprägt?
Harris: Das Aufwachsen in einer musikalischen Familie hat mich definitiv sehr geprägt - ständig von grossartiger Musik umgeben zu sein, hat es quasi unvermeidlich gemacht, eine Leidenschaft für Musik zu entwickeln. Die Karriere meines Vaters hingegen hat meine eigentlich überhaupt nicht geprägt, da er zum einen in einer ganz anderen Branche tätig war und seine Talkshowzeiten zum anderen schon etwas länger zurückliegen. Ich glaube aber, dass ich es unter anderem seinen Genen zu verdanken habe, dass ich kein Problem damit habe, vor Kameras oder grossen Menschenmassen zu stehen, sondern das sogar eher geniesse. Dafür bin ich sehr dankbar.
Haben Sie den ESC schon immer verfolgt?
Harris: Tatsächlich nein. Aber ich fand, dass der ESC schon immer eine grossartige Veranstaltung war, da er ganz Europa unter dem schönsten Motto der Welt, nämlich Musik, zusammenbringt. Er ist eigentlich das Einzige, das ich mit dem Wort Europa verbinde, das voll und ganz positiv, friedlich und harmonisch ist. Gerade in der momentanen Situation auf diesem Kontinent können wir, wie ich finde, diese einheitliche Friedsamkeit sehr gut vertragen.
Haben Sie einen Lieblingssong aus den vergangenen Jahren?
Harris: Auf jeden Fall «Arcade» von Duncan Laurence. Ich liebe die Intimität und Reduziertheit des Songs und der Performance, weil die Emotionen so perfekt transportiert und keine Ablenkungen geschaffen werden, was, wie ich finde, sehr untypisch für den ESC ist.