Die Münchner Schauspielerin Martina Gedeck (63) startete ihre Filmkarriere Mitte/Ende der 1980er Jahre unter anderem mit «Die Beute» (1988) und «Tiger, Löwe, Panther» (1988), zwei Filmen des Regiestars und «Tatort»–Spezialisten Dominik Graf (72). Es folgten viele verschiedene Rollen in Fernsehserien. Die erste grosse Auszeichnung bekam Gedeck dann für «Hölleisengretl» (1994), gefolgt von Erfolgsproduktionen wie «Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief» (1997), «Das Leben ist eine Baustelle» (1996), «Bella Martha» (2001) oder «Das Leben der anderen» (2006). Doch trotz des grossen Erfolgs geht sie in einem neuen Interview mit vielen ihrer früheren Rollen heute hart ins Gericht.
«Ich habe mit etwa 25 Jahren angefangen zu drehen und immer, immer, immer war so ein kleiner erotischer Kick dabei. Wenn ich mir angucke, wie ich ausstaffiert war: der Lippenstift, die Haare – fürchterlich», sagt Gedeck der «Neuen Osnabrücker Zeitung». «Dabei habe ich mich absolut gleichberechtigt gefühlt. Ich habe das überhaupt nicht überrissen, dass ich als kleines, sexy Überraschungsei eingebaut wurde.»
Manfred Krug und Götz George unterstützten sie
Gedeck nennt Beispiele für Rollen mit einem fragwürdigen Frauenbild – es habe unheimlich viele gegeben, sie habe schliesslich schon in den 1980ern gedreht. «Bei ‹Liebling Kreuzberg› war ich zum Beispiel eine Hospitantin im Anwaltsbüro, immer im kurzen Rock, die Augen schwärmerisch auf Manfred Krug gerichtet», erzählt sie über die Dreharbeiten mit dem Titelstar. In der Anwaltsserie spielte sie 1989 bis 1994 mit.
Hauptdarsteller Krug (1937–2016) nimmt sie aus der Kritik aber ausdrücklich heraus. Im Gegenteil, er habe sie sogar unterstützt und ihr Tipps gegeben, wie sie sich für kommende Projekte positionieren könne. «Der Sexismus ging nicht von den männlichen Kollegen aus. Das waren die herrschenden Strukturen der Fernsehlandschaft zu dieser Zeit», betont Gedeck.
Und sie nennt noch ein rühmliches Beispiel eines männlichen Kollegen. Mit Filmstar Götz George (1938–2016) stand sie für «Schulz & Schulz» (1989), «Das Schwein – Eine deutsche Karriere» (1995) oder «Rossini» vor der Kamera. Als sie beim erst genannten Filmdreh aus der Maske kam, sei dem Schauspieler wegen Gedecks sexistischer Aufmachung der Kragen geplatzt:
«Im Film ‹Schulz & Schulz› habe ich Götz Georges Geliebte gespielt. Ich erinnere mich noch, wie ich aus der Maske kam. Götz ist zusammengebrochen. ‹Wie siehst du denn aus?›, hat er gefragt – und dann die Maske zusammengeschissen: 'Was habt ihr aus der denn Komisches zusammengebastelt? Mach die, wie sie vorher war», erzählt die Schauspielerin der «NOZ».
Ist der Zeitgeist der 1980er und 1990er Jahre überwunden?
Martina Gedeck gibt aber auch zu, dass sie erst mit der Zeit ein Gefühl für die Problematik entwickelt hat. Damals habe sie keinen Sinn für das Geschlechterbild hinter ihren Figuren gehabt: «Ich weiss nur, dass es mir vollkommen egal war. Ich hatte kein Bewusstsein dafür, was wir transportieren. Gar keins. Ich wollte einfach nur spielen», so Gedeck.
Doch wer glaubt, heute ist alles anderes, der irrt laut Gedeck. «Es ist nicht vorbei», sagte die 63–Jährige. «Vor gar nicht langer Zeit hat ein Regisseur mir ins Gesicht gesagt: ‹Es soll ja Leute geben, die an Filme mit Frauen in der Hauptrolle glauben. Ich tu das nicht.›»