Ehrlich, fröhlich, bodenständig, lebensklug. Das sind die Eigenschaften, die man mit Michaela May verbindet. Es sind durchweg verlässliche Sympathiewerte, die das Publikum für die Schauspielerin hegt und die sie seit Jahrzehnten in der ersten Garde der TV-Stars etabliert haben. Am 18. März feiert sie ihren 70. Geburtstag.
Erstmals stand die gebürtige Münchnerin als Zehnjährige in einem Ballettstück auf der Bühne. Da hiess sie noch Gertraud Mittermayr. Zwei Jahre später hatte sie ihr Leinwand-Debüt im Kinofilm «Onkel Toms Hütte», eine tragende Nebenrolle an der Seite des damaligen Stars O.W. Fischer (1915-2004). Auftritte in einem «Jerry Cotton» sowie im Krimi-Dreiteiler «Flucht ohne Ausweg» (1967) folgten und 1970 die erste Bühnenrolle in der Komödie am Kurfürstendamm in Berlin.
«Gertraud war mir zu germanisch»
Da hat sie dann ihren Namen geändert, weil «Gertraud hat mir ohnehin noch nie gefallen, das war mir zu germanisch», sagte sie laut «Stuttgarter Nachrichten» einmal. «Gertraud heisst ja Speerwerferin, diese Bedeutung gefiel mir gar nicht.» Und Mittermayr ging auch nicht, «damals gab's die berühmten Skifahrerinnen, die Heidi, Evi oder Rosi Mittermaier hiessen».
So wurde der Künstlername Michaela May geboren, den sie schnell verinnerlicht hat. «Man muss aber zwei Jahre mit diesem Namen arbeiten, bis der neue Name auch beim Einwohnermeldeamt geschützt wird und man damit unterschreiben darf.» Auch die Mutter nannte sie Michaela.
Es lief also alles auf eine Karriere als Schauspielerin hinaus. Dennoch wollte sie «etwas Anständiges» lernen und machte nach dem Abitur zunächst mal eine Ausbildung zur Kindergärtnerin. Schauspielunterricht nahm sie nebenbei.
Schliesslich übernahm der Zufall die Regie. Sie war gerade auf einer Reise durch Afrika, als sie von einem gewissen Helmut Dietl (1944-2015) das Angebot bekam, eine der weiblichen Hauptrollen in seiner Vorabendserie «Münchner Geschichten» zu spielen. Sie lehnte ab. Als sie wegen einer Fahrzeugpanne den Afrika-Trip abbrechen musste, traf sie sich mit Dietl - und sagte doch zu.
Durchbruch mit den «Münchner Geschichten»
Es war ein Glücksgriff. Michaela May spielte ab 1974 neben dem grossen Theater-Star Therese Giehse (1898-1975) in neun Folgen die Susi Hillermeier, die zauberhafte Verlobte des Serien-Helden Tscharli Häusler (Günther Maria Halmer). Diese Susi war die Tochter eines Gastwirts, eine sexy, dunkellockige Schönheit, die oft vergeblich versuchte, ihren Tscharli auf den rechten gemeinsamen Weg zu führen. Die echte Michaela May war laut eigener Aussage «eher eine Rock-Braut. Ich war ganz früher in einen Schlagzeuger verknallt, bin mit seiner Beatband in München um die Häuser gezogen oder durch Oberbayern getourt, so ein bisschen wie ein Groupie».
Die «Münchner Geschichten» wurden ein Riesenerfolg und begründeten Helmut Dietls Ruf als Kult-Regisseur. Und Michaela May wurde eine gefragte Schauspielerin, die sich ihre Rollen aussuchen konnte.
Auch privat lief alles in wohlgeordneten Bahnen. 1980 heiratete sie den zwei Jahre älteren Wirtschaftsanwalt Dr. Jack Schiffer, ihre Töchter Alexandra und Lilian kamen 1982 bzw. 1988 zur Welt, die Familie wohnte standesgemäss in einer Villa im Münchner Nobel-Stadtteil Nymphenburg. Die Öffentlichkeit, mithin ihr Publikum, nahm die Umgebung der Schauspielerin als eine perfekte Aura wahr, abgeschirmt von allen Widrigkeiten des Lebens. Von den Schicksalsschlägen, die auch eine vom Glück verwöhnte Michaela May heimsuchten, ahnte ausserhalb der Familie niemand was.
Schwere Schicksalsschläge
Ihre drei Geschwister haben sich umgebracht, alle drei hatten unter schweren Depressionen gelitten. 1974 nahm sich ihr Bruder Karl mit 28 das Leben. 1977 ging der älteste Bruder Hans mit 34 in den Tod, und 1980 starb ihre jüngere Schwester Gundi mit 22 durch Suizid, berichtet die Schauspielerin in ihrer aktuellen Biographie «Hinter dem Lächeln» (Piper, 22 Euro).
Fast 40 Jahre hat Michaela May zu diesen Tragödien geschwiegen. «Ich habe das Geheimnis geschützt, um meine Eltern zu schützen», sagte sie der «Gala». Nicht öffentlich über den Tod der Geschwister zu reden, habe sie geschützt, erklärte May «Bild». «Als meine Schwester beigesetzt wurde, war ich mit meiner ältesten Tochter schwanger. Ich schaffte es damals nicht, ans Grab zu gehen.»
Mit ihrer Mutter, die vor zwei Jahren mit 97 gestorben ist, habe sie nie über das Sterben der Brüder und Schwester reden können und wollen. «Doch mit dem Tod meiner Mutter ist die Nabelschnur gerissen, die Fesselung hat sich gelöst, und ich kann zurückblicken.» In ihrer Autobiografie habe sie versucht, ihr Leben zu bilanzieren und dabei die schlimmen Geschehnisse aufzuarbeiten. Das Buch sei für sie wie eine Therapie gewesen.
Ein weiterer dramatischer Lebensabschnitt war das Ende ihrer ersten Ehe. Es geschah um 2003, Michaela May hatte mit den Dreharbeiten zum «Polizeiruf 110: Vater unser» begonnen, wo sie jahrelang neben dem einarmigen Chef-Ermittler Jürgen Tauber (Edgar Selge) mit der selbstbewussten Hauptkommissarin Jo Obermaier eine weitere Kultrolle spielte. Regie führte Bernd Schadewald (71).
Zweite Ehe: «Es hat mich so extrem überrollt»
Während der Aufnahmen verliebte sie sich so heftig in den zwei Jahre älteren, ebenfalls verheirateten Regisseur, dass sie, wie das Frauenmagazin «Brigitte» schrieb, «alles für ihn aufgab - einen Mann, mit dem sie gemeinsam ihre Kinder grossgezogen hatte, eine Ehe, in der sie gut versorgt war, die Rolle der gutbürgerlichen, erfolgreichen Schauspielerin, deren Leben bisher rund gelaufen war, keine Ecken und Krisen kannte».
Sie selbst sagte dazu: «Es hat mich so extrem überrollt, wie mich noch nie etwas überrollt hat.» Nach der Scheidung von Jack Schiffer heiratete sie 2006 Schadewald auf der griechischen Insel Symi. Rückblickend sagte sie «Bild»: «Trennungen sind nie einfach. Aber wir haben unsere schwierigen Jahre hinter uns. Wenn man sich Zeit lässt und die Verletzungen vernarbt sind, dann geht das.»
Das letzte Weihnachtsfest haben alle gemeinsam gefeiert. Michaela May mit ihrem Ehemann Bernd Schadewald und dem Exmann Jack Schiffer in dessen Münchner Wohnung. Mit den Töchtern Alexandra und Lilian und den Enkeln. Eigentlich ein logisches Zusammentreffen, denn die Schauspielerin meint: «Man hat sich ja mal geliebt. Die Kinder sind ein Produkt dieser Liebe und unser Bindeglied, das uns vereint. Das Leben ist so kurz, man muss Barrieren abbauen.»