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So setzt sie sich für mehr Vielfalt ein

Nikeata Thompson: «Ich habe vieles ausgehalten und weggeschoben»

Nikeata Thompson setzt sich seit vielen Jahren leidenschaftlich für Vielfalt und Gleichberechtigung ein. «Es geht darum, einander zu akzeptieren, zu respektieren und im besten Fall auch noch offen für Unterschiede zu sein, die uns definitiv bereichern können», erklärt sie im Interview.

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Nikeata Thompson wünscht sich «eine Kultur, in der Vielfalt nicht nur toleriert, sondern gefeiert wird».
Nikeata Thompson wünscht sich «eine Kultur, in der Vielfalt nicht nur toleriert, sondern gefeiert wird». David Mitzkus/Aktion Mensch

Als Jurorin, Choreografin und Catwalk Coach bei «Germany's next Topmodel» wurde Nikeata Thompson (44) einem breiten Publikum bekannt. Heute arbeitet sie unter anderem erfolgreich als Schauspielerin, Autorin und Entertainerin. «Heidi Klum hat mir Sichtbarkeit geschenkt, die mir Türen in meiner weiteren Karriere geöffnet haben», zeigt sich die 44–Jährige dankbar.

Eine Sichtbarkeit, die Thompson auch für ihren Kampf gegen Rassismus und für mehr Vielfalt einsetzt. Gerade besuchte sie eine inklusive Klettergruppe des Deutschen Alpenvereins, die von der Aktion Mensch gefördert wird. «Wenn wir uns bemühen, Verständnis füreinander zu entwickeln und Empathie zu zeigen, schaffen wir eine Kultur, in der Vielfalt nicht nur toleriert, sondern gefeiert wird», ist sich Thompson sicher.

Sie sind ein echtes Allround–Talent: Choreografin, Autorin und Schauspielerin – in welchem Bereich fühlen Sie sich am wohlsten?

Nikeata Thompson: All diese Bereiche sind für mich Teil einer ständigen Reise, und in jeder Phase meines Lebens hat sich der jeweilige Fokus genau richtig angefühlt. Die Arbeit als Choreografin und der Aufbau meiner Tänzeragentur NT Agency haben mich über viele Jahre begleitet und inspiriert – das tun sie bis heute. Mit meiner Autobiografie «Schwarz auf Weiss – Trau dich zu träumen und schaff das Unmögliche» habe ich mir und der Community Gehör verschafft und zur gesellschaftlichen Sensibilisierung beigetragen. Und auch in der Schauspielerei finde ich eine besondere Leidenschaft. Das Eintauchen in verschiedene Charaktere ist nicht nur abwechslungsreich, sondern auch eine grossartige Möglichkeit, mich selbst weiterzuentwickeln. Jedes berufliche Feld spiegelt eine bestimmte Phase meiner persönlichen Entwicklung wider und zeigt, wie vielschichtig wir als Menschen sind. Diese Vielfalt in meiner Arbeit motiviert mich, weiterhin zu wachsen und immer wieder neue Wege zu erkunden!

Viele kennen Sie vor allem aus «Germany's next Topmodel». Nervt es Sie manchmal, wenn Sie vor allem mit diesem Format in Verbindung gebracht werden?

Thompson: Heidi hat vor vielen Jahren Potenzial in mir gesehen und mir die Möglichkeit gegeben, meine Tätigkeit als Coach auch vor der Kamera zu zeigen. Dadurch hat sie mir Sichtbarkeit geschenkt, die mir Türen in meiner weiteren Karriere geöffnet hat. Dafür bin ich und werde ich ihr immer sehr dankbar sein. Ich glaube, die Menschen verstehen manchmal nicht, was für eine Powerfrau Heidi eigentlich ist. Sie hat es geschafft, sich sowohl in Deutschland als auch in den USA eine erfolgreiche Karriere aufzubauen – und das über Jahre hinweg. Wenn man mich also fragt, ob ich genervt davon bin, mit «GNTM» in Verbindung gebracht zu werden, dann ist meine Antwort ein klares Nein.

Ihre Schauspielkarriere hat in diesem Jahr mit den Serienproduktionen «Where's Wanda?» und «Pauline» richtig an Fahrt aufgenommen. People of Color waren in der deutschen Filmlandschaft lange nicht sichtbar. Nehmen Sie ein Umdenken in der Branche wahr?

Thompson: Lange fehlten die ernsthaften Rollen–Angebote für mich als POC–Frau. Heute, mit Projekten wie «Where's Wanda?» und der Rolle in «Pauline», fühle ich mich dankbar und auch ein Stück weit bestätigt. Es ist der Beweis dafür, dass Veränderung möglich ist, wenn man nicht aufgibt. Ich freue mich sehr darüber, dass es immer mehr POC–Schauspielerinnen– und Schauspieler in der deutschen TV– und Filmlandschaft gibt. Wenn man mich fragt, ob das genügt, dann ist meine Antwort Nein! Ich denke, die Medienlandschaft sollte unsere Gesellschaft widerspiegeln, damit sich auch wirklich alle angesprochen fühlen können und die kommenden Generationen sich darin wiederfinden und sehen, dass es möglich ist, alles zu schaffen. Viel zu lange haben vor allen Dingen POC–Frauen nur sehr bestimmte Rollenangebote bekommen. Teilweise sogar mit Akzent–Wunsch, es war wirklich deprimierend. Mittlerweile hat sich die Filmbranche etwas geöffnet und es gibt immer mehr ernstzunehmende Rollenangebote für POC–Schauspielerinnen – und Schauspieler. Ein positiver Wandel ist also spürbar, auch wenn wir noch am Anfang stehen und es sehr viel Potenzial nach oben gibt.

Auch in Ihrer Autobiografie beschäftigen Sie sich unter anderem mit Themen wie Sichtbarkeit von People of Colour und Vielfalt. Was muss passieren, damit Vielfalt in der Gesellschaft selbstverständlich wird?

Thompson: Wir leben in einer Demokratie, in der jeder Mensch – unabhängig von Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung, mit und ohne Beeinträchtigung – einen Platz verdient. Einen Platz, der Sichtbarkeit in der Gesellschaft bedeutet. Es geht darum, einander zu akzeptieren, zu respektieren und im besten Fall auch noch offen für Unterschiede zu sein, die uns definitiv bereichern können. Wenn wir uns bemühen, Verständnis füreinander zu entwickeln und Empathie zu zeigen, schaffen wir eine Kultur, in der Vielfalt nicht nur toleriert, sondern gefeiert wird. Eigentlich ist es ganz simpel, aber anscheinend doch so schwer: leben und leben lassen! Indem wir einander unterstützen und inspirieren, können wir eine inklusive Gesellschaft aufbauen, in der jeder seinen Platz finden kann und im Frieden mit sich ist.

Gerade haben Sie eine inklusive Klettergruppe des Deutschen Alpenvereins in Berlin besucht. Wie war Ihr Eindruck vom Projekt, das von der Aktion Mensch gefördert wird, und was nehmen Sie mit?

Thompson: Es war beeindruckend zu sehen, wie Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Fähigkeiten zusammenkamen, um gemeinsam zu klettern und einander zu unterstützen. Das Projekt zeigt, wie wichtig Inklusion im Sport ist. Es schafft nicht nur einen Raum, in dem jeder die Möglichkeit hat, seine Grenzen zu erweitern, sondern fördert auch das Gefühl der Gemeinschaft und des Miteinanders. Die Begeisterung und der Zusammenhalt unter den Teilnehmenden waren spürbar und haben mir gezeigt, wie viel Potenzial in solchen Projekten steckt. Was ich mitnehme, ist die Erkenntnis, dass Sport eine Brücke schlagen kann – zwischen Menschen, die sonst vielleicht nie zusammenkommen würden. Diese Erfahrung bestärkt mich in meinem Engagement für Vielfalt und Inklusion, und ich hoffe, dass solche Projekte weiterhin wachsen und immer mehr Menschen erreichen können.

Haben Sie in Ihrem Umfeld Berührungspunkte mit dem Thema Inklusion und Behinderung?

Thompson: Ich habe einen Cousin, der das Down–Syndrom hat. Seine Lebensfreude und seine unerschütterliche positive Einstellung haben mir gezeigt, wie bereichernd eine solche Verbindung ist. Es hat mich sensibilisiert und mir die Augen geöffnet für die Herausforderungen, mit denen Menschen mit Beeinträchtigungen oft konfrontiert sind. Obwohl ich im Alltag nicht viele direkte Berührungspunkte mit dem Thema habe, geniesse ich die Arbeit mit Menschen, die besondere Bedürfnisse haben. Es ist inspirierend zu sehen, wie viel Talent und Potenzial in jedem Einzelnen stecken, unabhängig von seinen Fähigkeiten. Ich glaube fest daran, dass wir alle voneinander lernen können. Wenn wir Empathie und Verständnis zeigen, können wir eine Gesellschaft schaffen, in der jeder seinen Platz hat und sich entfalten kann.

Welchen Rat können Sie Menschen geben, die mit Diskriminierung, Ausgrenzung oder Benachteiligung zu kämpfen haben?

Thompson: Mein ganzes Leben lang musste ich mich mit all diesen Begrifflichkeiten auseinandersetzen und das seit meiner jüngsten Kindheit. Ich habe vieles «ausgehalten» und vieles weggeschoben. Müsste ich jetzt meinem jüngeren Ich einen Rat geben, dann würde ich vielleicht sagen: Finde deine Stimme! Es ist nicht gesund, alles in sich zu behalten und ich glaube fest daran, dass Kommunikation ein Schlüsselfaktor ist. Das bedeutet nicht unbedingt immer in eine direkte Konfrontation zu gehen, sondern vielleicht auch deine Erlebnisse mit deinen Liebsten und Verbündeten zu teilen. Aber wenn du dich danach fühlst, dann erhebe deine Stimme und steh für dich ein. Das tut der Seele oftmals gut. Ich versuche den Hass, den andere Menschen mir entgegenbringen, nicht anzunehmen, denn diese Personen kennen mich überhaupt nicht. Das klappt nicht immer, aber immer öfter.

Haben Sie für die Zukunft neue Pläne und Projekte? Oder einen Traum, den Sie gerne verwirklichen möchten?

Thompson: Für die Zukunft möchte ich mehr Balance in meinem Leben finden. Die letzten Jahre waren intensiv, und ich liebe, was ich tue, aber ich habe erkannt, wie wichtig es ist, auch Zeit für mich selbst zu finden. Ich möchte mein Leben gezielt mit mehr Achtsamkeit und Ausgleich angehen, um weiterhin kreativ und energiegeladen zu bleiben. Ich glaube, dass wahre Erfüllung entsteht, wenn Arbeit und Ruhe im Einklang stehen. Gleichzeitig möchte ich die kommende Generation von Künstlerinnen und Künstlern, besonders People of Color, inspirieren und motivieren, ihre Träume zu leben – auch wenn der Weg nicht immer einfach ist. Der Traum, eine Brücke zwischen Kulturen zu schlagen und Veränderung anzustossen, treibt mich an und bleibt mein langfristiges Ziel.

Von SpotOn am 21. November 2024 - 15:10 Uhr