Gerade noch versetzte sie in der Netflix–Serie «Sex Education» einen Jüngling mit einem Film–Auftritt derart in Erregung, dass der das Kino verlassen musste. Und jetzt gilt sie als «schönste Grossmutter der Welt». Das ist wohl auch bei Ornella Muti der Gang der Dinge: Am 9. März wird die Italienerin 70 Jahre alt.
In der Riege der italienischen Filmdiven
Sie ist wie ihre legendären Kolleginnen und Vorgängerinnen Sophia Loren (90), Gina Lollobrigida (1927–2023) und Claudia Cardinale (86) ein einzigartiges, hocherotisches Markenzeichen des italienischen Films, dessen weibliche Stars nicht nur vom männlichen Publikum wie Göttinnen verehrt wurden/werden.
Wer nach italienischen Filmdiven fragt, bekommt garantiert die Namen Sophia, Gina, Claudia genannt – und Ornella, wenn auch nur an vierter Stelle, sie ist ja mit Abstand die Jüngste dieser Frauen, die – so Wikipedia – als «Inkarnation von Dolce Vita und Amore» gelten.
Wer heute mit ihr spricht, mit dem redet sie am liebsten über ihre drei Enkel, über Meditation und das Leben auf dem Land, doch kaum über Filme und Amore. In dieser Welt jenseits des Sets ist sie nach wie vor Francesca. So will sie angeredet werden, denn so heisst sie: Francesca Rivelli. Ornella Muti ist ihr Künstlername, auf den ihr erster Regisseur Damiano Damiani (1922–2013) gekommen war, weil es schon eine Schauspielerin gab, die Rivelli hiess.
Da war sie 15 Jahre alt und wurde von Damiani für den Film «Recht und Leidenschaft» entdeckt. Damiani war es auch, der sie bei den Dreharbeiten mit einem Holz auf die Knie schlug, damit sie in einer Szene überzeugender geweint hat. Als «Albtraum» zeichnete sie diese Zeit als junge Schauspielerin in einem Interview mit der Zeitung «Corriere della Sera». «Ich wurde von zynischen, trockenen Regisseuren geliebt ... und ich lebte wie in Disneyworld, ich verstand wenig, ich wusste nichts, ich war ein Niemand.»
Vom Model zur Schauspielerin
Vorher hatte die gebürtige Römerin als Model für Fotoromane gearbeitet, dann kam der Film. Weil sie keine Schauspielausbildung hatte, wurde sie bis 1980 von anderen Schauspielerinnen synchronisiert. Das hat ihrer Filmkarriere nicht geschadet. Sie stand mit Stars wie Jeremy Irons, Alain Delon, Gérard Depardieu, Burt Reynolds vor der Kamera, mit Adriano Celentano, Ugo Tognazzi und Marcella Mastroianni, John Malkovich und Javier Bardem, arbeitete überall in Europa und auch in Hollywood.
An die 100 Filme hat sie gedreht, viel Mainstream, aber auch anspruchsvolle Werke wie «Chronik des angekündigten Todes», sie arbeitete mit renommierten Regisseuren wie Volker Schlöndorff, Peter Greenaway, Woody Allen, James Toback und John Landis, doch in den USA konnte sie sich nicht etablieren.
Mit am erfolgreichsten waren die beiden turbulenten Komödien «Der gezähmte Widerspenstige» und «Gib dem Affen Zucker» an der Seite von Adriano Celentano (87). 30 Jahre später verriet er, dass die beiden auch im wirklichen Leben ein heimliches Liebespaar waren, denn Celentano war seit 1964 verheiratet und galt in der Öffentlichkeit als mehr oder minder glücklicher Familienvater.
Wer weiss, was aus ihr geworden wäre, hätte sie 1981 nicht die weibliche Hauptrolle für «In tödlicher Mission» an der Seite von Roger Moore als James Bond abgelehnt, weil ihr Kostümbildner Wayne Finkelman nicht engagiert wurde. «Wenn ich jemanden liebe, bin ich bereit, alles für einen Freund zu tun, sogar auf 007 zu verzichten», sagte sie später dem «Corriere della Sera».
Der Filmstar und die Männer
Ornella Muti und die Liebe – es dürfte das Thema ihres Lebens sein. Auf Facebook hat sie mal gepostet: «Liebe ist doch das Wichtigste im Leben. Jede Art der Liebe. Gegenüber der Welt, den Kindern oder die Liebe für und vom eigenen Mann.» Doch für ihren Ruf als unwiderstehliche Sex–Ikone, die 1999 sogar ihre Brüste für 350.000 Dollar versichern liess, ist die Liste ihrer Männer erstaunlich überschaubar.
Ihre erste Tochter Naike bekam sie schon mit 19, den Vater wollte sie nicht verraten. «Naike ist eines der grössten Geschenke, die mir das Leben bescherte.» Es folgten zwei Ehen, die erste von 1975 bis 1981 mit dem Kollegen Alessio Orano, die zweite von 1988 bis 1996 mit dem Unternehmer Federico Fachinetti, von dem sie Tochter Carolina und Sohn Andrea bekam.
Dann kam der Schönheitschirurg Stefano Piccolo, mit dem sie zehn Jahre zusammen war. Piccolo trennte sich 2008 von ihr mit der Behauptung: «Für mich gab es in ihrem Leben keinen Platz mehr.» Das hat Ornella völlig anders gesehen: «Stefano war mein Leben. Als es vorbei war, dachte ich: Das ist das Ende.» Ein halbes Jahr später präsentierte sie beim Besuch einer Zürcher Kunstgalerie einen neuen Mann an ihrer Seite, den zehn Jahre jüngeren französisch–italienischen Geschäftsmann Fabrice Kerhervé, der allerdings noch verheiratet war. Egal, sie sei «total verliebt», es ging ihr wieder «fantastisch», erklärte sie dem «SonntagsBlick»: «Noch vor Monaten habe ich nicht verstanden, warum ich meine grosse Liebe verlor, und jetzt habe ich einen neuen Partner gefunden, der viel besser zu mir passt.»
Wiederum zehn Jahre darauf war auch diese Beziehung vorbei, und sie sagte ernüchtert dem «Corriere della Sera», sie wisse nicht, ob sie je wieder eine Beziehung haben werde. «Zuerst muss ich verstehen: Was ist Liebe? Die aus den Filmen gibt es nicht. Warum also wieder geistiger Sklave werden, die Fussmatte eines Mannes? Dabei geht es mir nicht um Machotum und Feminismus, sondern darum, dass ich als Frau meine drei Kinder, meine drei Enkelkinder und meine Freundinnen liebe und sie gerne glücklich sehe.»
Blickfang auf dem Wiener Opernball
Ihren letzten grossen Auftritt hatte sie 2020 beim Opernball in Wien. Der Bauunternehmer Richard «Mörtel» Lugner (1932–2024) bat sie in seine Loge. Sie war der Blickfang des Balls, und Lugner konnte sich sogar auf Deutsch mit ihr unterhalten, denn Ornella Muti hat die Sprache als Kind von ihrer estnisch–deutschen Mutter, der Bildhauerin Ilse Renate Krause, gelernt. Sie hat sogar als Kind in Rom die Deutsche Schule besucht. Den Walzer hat sie dem «Mörtel» allerdings verweigert, denn: «Ich tanze nie!»
Von der Mutter, die 2020 im Alter von 91 Jahren gestorben ist, hat sie offensichtlich eine Affinität zum Osten geerbt. Zeitweise hatte sie in Moskau einen Wohnsitz und hat auch mit dem Gedanken gespielt, die russische Staatsbürgerschaft anzunehmen.
Freiheit auf dem Land
Dem Grossstadttrubel von Rom ist sie entflohen, sie lebt in einem kleinen Ort im Piemont, in einem ehemaligen Kloster, mit ihrer Tochter Naike und den Enkeln. Sie kümmert sich um ihre Aktien und Immobilien, denn Ornella Muti gilt als kluge Geschäftsfrau, die ihr selbstverdientes Vermögen auf angeblich 200 Millionen Euro gesteigert hat.
Natürlich ist auch sie älter geworden. Oft trägt sie eine dunkle Hornbrille, was jedoch den Blick ihrer unfassbar grünen Katzenaugen noch verstärkt. Von diesem Blick heisst es, sie könne damit immer noch spielend die Männer ins Land der Tagträume befördern.
Doch will sie das überhaupt noch? Seit Fabrice Kerhervé gegangen ist, lebt sie ohne Mann – und es geht ihr blendend. In einem Interview mit der römischen Zeitung «Il Messaggero» sagte sie im vergangenen November: «Ich bin Single, und das ist besser so. Es reicht mir, super beschäftigt zu sein mit Arbeit, Kindern, Enkeln. Heute müsste ich einen wirklich besonderen Mann finden, um auf meine Freiheit zu verzichten. Einen Partner, der akzeptieren kann, dass ich mein Leben im Dienste meiner grossen, anstrengenden, aber wunderbaren Familie lebe. Und wenn er nicht kommt, macht das nichts. Ich bin schon so sehr glücklich, mir fehlt nichts.»