Schwergewicht. So haben sie ihn immer genannt, sein ganzes Berufsleben lang. Ottfried Fischer war und ist das Schwergewicht. Als Schauspieler, als Kabarettist, als schwerkranker Mensch. Damit muss er leben, ob er will oder nicht. Der Star aus Erfolgsserien wie «Der Bulle von Tölz» und «Pfarrer Braun» sitzt infolge seiner Parkinson–Erkrankung im Rollstuhl.
Er selbst sagt über seinen Gesundheitszustand, er halte sich «im Grossen und Ganzen ganz gut». Mit der Krankheit hat er sich abgefunden, das Sprechen fällt ihm bisweilen schwer. Er nimmt deswegen Gesangsunterricht, weil er eine Logopädie–Therapie langweilig findet. Seinen Humor hat er sich bewahrt, da ist er ganz der Alte geblieben. Am 7. November wird er 70 Jahre alt.
Am Vorabend wurde sein runder Geburtstag bei der Verleihung des Bayerischen Kabarettpreises 2023 mit Freunden und Kollegen im Münchner Lustspielhaus gefeiert. Der bayerische Kult–Regisseur Franz Xaver Bogner (74) erinnerte an die wichtigsten Stationen im Leben des Schwergewichts. Bogner gab «Otti» 1982 seine erste Fernsehrolle in «Zeit genug» und drehte mit ihm die legendären Erfolgsserien «Irgendwie und sowieso» und «Zur Freiheit».
Rollstuhl nicht nur wegen Parkinson
Rein physisch hat Fischer bereits vor Jahren gewaltig an Gewicht verloren. Nach einer Reha 2018 hatte er gut 50 Kilo weniger, war runter von «mehr als 210 Kilo», wie er selbst verriet, auf 160. Den Verlust sieht man ihm an, sein Gesicht wirkt jünger und offener.
Den Rollstuhl benötigt er nicht nur wegen seiner Parkinson–Erkrankung, sondern auch wegen seiner geschädigten Kniegelenke. Anfang 2022 hatte er eine Arthrose–Operation am Knie. Danach sei er sogar gestürzt, sodass er noch im vergangenen Jahr «an den Rollstuhl gefesselt» war. Beim Filmfest München war er immerhin schon wieder mobil, allerdings im Rollstuhl.
Heimat im Bayerischen Wald
Die TV–Autorin Manuela Roppert hatte für das «Lebenslinien»–Format des Bayerischen Fernsehens einen Film mit dem Titel «Ottfried Fischer und Herr Parkinson» (2022) gedreht. Dabei machte sie auch Aufnahmen in dem Bauernhaus im Bayerischen Wald, in dem Fischer mit seinem Bruder Werner aufgewachsen war. Das Team wollte unbedingt in der Bauernstube filmen, in der sie auch als Kinder viel Zeit verbracht hatten. Das Problem: Es waren einige Stufen zu überwinden. Plötzlich stand «Otti» aus dem Rollstuhl auf «und ging langsam und mit sichtlicher Anstrengung, aber unaufhaltsam die Stufen zur Stube hinauf», berichtete Roppert.
Er ist 2022 sogar noch einmal umgezogen. Von Passau zurück nach Oberbayern in sein Haus in Gauting in der Nähe des Starnberger Sees. Erst 2017 ging er von München nach Passau. In ein historisches Stadthaus aus dem 14. Jahrhundert, das ihm seine Grosseltern vererbt hatten. Dort hatte er fast fünf Jahre seiner Kindheit verbracht. Die Wohnung im 3. Stock wurde für seine Bedürfnisse umgebaut.
Aktiv auf der Bühne und vor der Kamera ist er nicht mehr, obwohl er immer noch die alte Leidenschaft fühlt. Sein Rücktritt hat eine Lücke gerissen, die bis heute nicht geschlossen wurde.
Dreiste Provokation oder messerscharfer Humor?
Für sein Publikum war es immer wieder erstaunlich, wie blitzschnell und treffsicher seine gedanklichen Querschüsse daherkamen, wie weltgewandt und frech dieser schwere Mann, der rein physisch die tiefste niederbayrische Provinz – Fischer kommt als Sohn eines Westfalen und einer Bayerin vom Einödhof Ornatsöd (Landkreis Passau) im Bayerischen Wald – verkörpert, seine Pointen galoppieren lässt, ohne Zügel, ohne Zäune. Bisweilen verharrten seine Zuschauer vor der Lachsalve in einer stummen Schrecksekunde: War das nun dreiste Provokation oder messerscharfer Humor?
Rechtsanwalt hätte er werden sollen, war der Wunsch des Vaters. Nach einigen Semestern Jura an der Münchner Universität brach der junge Fischer das Studium ab und gründete mit Freunden das Münchner Hinterhoftheater. Er hat mit seiner satirischen Leichtfüssigkeit ziemlich schnell eingeschlagen und – natürlich – mit seinem Gewicht. «Schwer ist leicht was» hiess 1989 das Soloprogramm als Kabarettist.
Ein Schwergewicht. Er wurde schnell zu einem der wichtigsten Ein–Mann–Darsteller. Und in über 170 Folgen als Gastgeber des Kabarett–Stammtischs «Ottis Schlachthof» im Bayerischen Fernsehen hatte er endgültig einen Kultstatus erreicht.
Vom Bullen zum Pfarrer
Die gleiche schwergewichtige Karriere machte er als Schauspieler. In Kultserien wie «Irgendwie und Sowieso», «Zur Freiheit», «Der Schwammerlkönig» oder «Ein Bayer auf Rügen». Zum grossen Star wurde Ottfried Fischer ab 1995 als «Der Bulle von Tölz». Und ab 2003 war er der populäre «Pfarrer Braun».
Da war der «Otti» auch in den bunten Medien ein Schwergewicht, unter anderem mit seinem Liebesleben. Aus seiner ersten Ehe mit Renate hat Ottfried die beiden Töchter Lara und Nina. 2008 gab er seine Parkinson–Erkrankung öffentlich bekannt, nur wenige Tage danach hatte er einen Kabarett–Soloauftritt, den er mit den Worten eröffnete: «Keine Angst, ich mach keine Schüttelreime.»
Er hat noch mal geheiratet, 2020 seine langjährige Lebensgefährtin Simone, von der er sagt: «Sie hat so viele gute Seiten, dass ich nicht wüsste, was ich ohne sie machen sollte.»
Sein Humor hilft ihm, mit Parkinson zu leben
Die Zeit der Auftritte ist vorbei. Er lebt in Eintracht mit Simone und sich selbst, trotz Parkinson. Sein Humor helfe ihm beim Umgang mit der Krankheit, sagt er in der «Lebenslinien»–Sendung. «Wenn ich könnte, würde ich mich schon gegen Parkinson entscheiden, aber das geht eben nicht». Man müsse den Leuten eben «die Befangenheit nehmen, dass sie sich trauen, normal mit mir umzugehen. Weil jeder meint, beim Ansprechen des Themas breche ich in Tränen aus. Dem ist einfach nicht so.»
Seinen 60. Geburtstag hat er noch mit einem eineinhalbstündigen Bühnenprogramm in der Wiener Volksoper gefeiert. Sein Befinden hat er mit einem mittelalterlichen Vierzeiler von 1498 umschrieben: «Ich leb und weiss nicht, wie lang. Ich stirb und weiss nicht, wann. Ich fahr und weiss nicht, wohin. Mich wundert, dass ich fröhlich bin.» Daran hat sich nichts geändert.