Dass der ab heute 75-jährige Otto Waalkes und sein 77-jähriger Uralt-Kumpel Udo Lindenberg im Jahr 2023 nebeneinander die deutschen Musik-Charts bestimmen, ist nur auf den ersten Blick ein Zufall. Beide stürmten die auf Spotify und TikTok verlagerte Hitparade durch Kooperationen mit rund einem halben Jahrhundert jüngeren Musikern, die zuvor nicht ohne Grund bei den beiden Entertainment-Dinos angeklopft hatten.
Denn sowohl Otto als auch Udo stehen für eine mittlerweile weitgehend ausgestorbene Art von Fame, der nicht nur auf ein klar eingegrenztes Publikumssegment begrenzt ist, sondern sich quer durch alle Bevölkerungsschichten und über mehrere Generationen hinweg ausdehnt. Waalkes und Lindenberg halten sich seit über 50 Jahren konsequent als fester Bestandteil des kollektiven Bewusstseins.
Zeitloses deutsches Kulturgut
Das gelang ihnen nicht etwa, weil sie sich in dieser Zeit immer wieder neu erfunden und wechselnden Trends angepasst hätten. Ganz im Gegenteil - beide machen auf künstlerischem Gebiet im Prinzip immer noch genau dasselbe wie am Anfang ihrer Karriere und sehen - abgesehen von einigen Falten - auch immer noch so aus. Anscheinend verbirgt sich genau in dieser Kontinuität der Schlüssel ihres Erfolgs und ihrer bis heute ungebrochenen Popularität. Beide sind zu zeitlosem deutschen Kulturgut geworden, gleichauf mit Grimms Märchen, Birkenstock-Sandalen und dem Oktoberfest.
Otto umfasst alle Generationen
Dass Otto Waalkes in seinen stets ausverkauften Bühnenshows seit Jahrzehnten noch immer dieselben Holladihiti-Kalauer aus den Siebzigerjahren recycelt, mag ihm selbst der kritischste Kulturredakteur nicht ernsthaft ankreiden. Wie jeder grosse Künstler hat auch Otto seine «Greatest Hits» im Repertoire, die er in jedes neue Programm integriert und immer wieder variiert. Nicht zuletzt dienen diese Gags («Gerichtsverhandlung») und Song-Parodien («Dänen lügen nicht»), die sein Publikum vom Kind bis zum Greis auswendig kann, auch als Bindeglied zwischen den Generationen seiner grossen Fangemeinde.
Lebensaufgabe: Sich zum Otto zu machen
Ottos ausgefeilte Albernheiten standen von Anfang an über den Dingen und über der Zeit. Nie sind seine Parodien darauf angelegt, andere lächerlich zu machen oder zu polarisieren. Vielmehr begreift er als seine ureigenste Lebensaufgabe, sich selber öffentlich zum Otto zu machen. Um alle mitzunehmen und von allen geliebt zu werden, verlegte er sich darauf, niemals politische Aussagen zu treffen oder Tagesaktuelles zu kommentieren. Jeden Versuch, doch eine Stellungnahme aus ihm herauszukitzeln, kontert er, indem er seine Antwort kunstvoll wieder in einen Lacher verwandelt.
«Im Zweifelsfall: The Beatles»
Dass ihm auch in dieser Hinsicht kein anderer deutscher Komiker das Wasser reichen kann, bewies er im Interview mit der «Augsburger Allgemeinen», die ernsthaft von ihm wissen wollte, ob er Angela Merkel oder Horst Seehofer bevorzuge. Seine zeitlos brillante Antwort: «Merkel oder Seehofer? Das ist ja wie früher: Beatles oder Rolling Stones? Meinen Sie jetzt menschlich oder politisch? Beides? Da komme ich ja total durcheinander. Also, ich würde sagen: Merhofer - ne, Seekel... Ja, die beiden haben doch viel gemeinsam. Ist Ihnen das schon mal aufgefallen, dass beide so was Wässriges im Namen haben? See oder Meer? Ach, da kann ich mich einfach nicht entscheiden. Aber im Zweifelsfall: The Beatles.»