Genie, Egoist, Frauenheld. Alle diese Begriffe treffen auf den Maler Pablo Picasso (1881-1973) zu wie auf kaum einen anderen Mann. Sein Name wurde zum Synonym für die Moderne in der Kunst, er selbst wirkt heute «wie das Gegenteil des modernen Mannes» («Süddeutsche Zeitung»).
Das liegt nicht daran, dass Picasso am 8. April seinen 50. Todestag hat, denn als Künstler ist er unsterblich. Die meiste Zeit seines Lebens verkörperte er das, was erst viele Jahre nach seinem Tod zum abwertenden Inbegriff für eine überkommene, traditionell europäisch geprägte Männlichkeit geworden ist: Er war der alte weisse Mann schlechthin. Ein unangefochtener Patriarch auf allen Ebenen.
Picasso war und ist der grösste gemeinsame Nenner in einer divergierenden Kunstwelt: Er war der produktivste, wichtigste Künstler des 20. Jahrhunderts, ein Mitinitiator des Kubismus, der reichste Maler seiner Zeit, dominanter Macho bis ins hohe Alter. Ein faszinierender Mensch mit unterschiedlichen Facetten, die einer fantastischen Literaturvorlage entstammen könnten.
Der Künstler
Geboren wurde er in Malaga. Pablo Diego José Francisco de Paula Juan Nepomuceno María de los Remedios Crispiniano de la Santísima Trinidad Ruiz y Picasso, so sein voller Taufname, kam vorbelastet auf die Welt. Sein Vater José Ruiz Blasco war Maler und Kunstlehrer, der das Talent des Sohns früh erkannt hatte.
Mit neun malt er sein erstes vom Stierkampf inspiriertes Ölgemälde «Der kleine Picador». Mit 14 geht er auf die Kunstakademie in Barcelona, mit 20 signiert er seine Werke mit dem Mädchennamen seiner Mutter, weil der so schön italienisch klingt und ihm viel besser gefällt: Picasso. 1900 reist er erstmals in die Kunstmetropole Paris, wo er ab 1904 endgültig bleibt und rasch Aufsehen erregt.
Picasso ist ungeheuer produktiv. Die Gesamtzahl seiner Werke wird auf 50.000 geschätzt. Er hinterlässt als Maler etwa 16.000 Gemälde und Zeichnungen. In seinem fast manischen Schaffensdrang arbeitet er auch als Grafiker (Tausende von Grafiken) und Bildhauer (ca. 1.200 Skulpturen sowie 3.000 Keramiken). Darüber hinaus hat er Dutzende von Gedichten und die beiden Theaterstücke «Le Désir attrapé par la queue» (1941) und «Les quatre petites» (1948) verfasst, die auch ins Deutsche übersetzt wurden.
Der Multimillionär
Durch die Freundschaft zu den bekannten Malern Henri Matisse (1869-1954) und Georges Braque (1882-1963) lernt Picasso Anfang des 20. Jahrhunderts den Galeristen Ambroise Vollard sowie den deutschen Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler kennen. Vollard kauft ihm alle Bilder seiner «Rosa Periode» (1904-1906) ab, was ihn auf einen Schlag wohlhabend macht.
Kahnweiler makelt den Verkauf des Schlüsselwerks «Les Demoiselles d'Avignon» (1907). Picasso wird zu einem der teuersten Künstler, erst recht nachdem sich seit 1918 auch die Galeristen Paul Rosenberg und Georges Wildenstein um den weltweiten Verkauf kümmern. Auf diesem Niveau wird er bis an sein Lebensende bleiben - als Malerfürst mit Personal und eigenem Chauffeur.
Sein Vermögen, das er hinterlässt, wird auf knapp 700 Millionen Euro geschätzt. Es umfasst neben Grundbesitz, Ateliers und Picassos privater Kunstsammlung mit Bildern von Cézanne, Matisse, Miró, Modigliani und van Gogh auch das Schloss Vauvenargues bei Aix-en-Provence sowie das Herrenhaus Mas Notre-Dame de Vie in Mougins bei Cannes.
Damit die Erben, unter denen ein jahrelanger Streit entbrannt ist, die Erbschaftssteuer zahlen können, behält der französische Staat aus dem Nachlass 3.800 Kunstwerke ein. Sie bilden den Grundstock zum Musée Picasso in Paris, dem grössten Picasso-Museum der Welt. 2015 wird das grosse Picasso-Gemälde «Les Femmes d'Alger» von 1955 in New York versteigert. Es wird mit 179,4 Millionen US-Dollar das bislang teuerste Picasso-Werk.
Der Überzeugungstäter
Picasso war ein politisch denkender Künstler. Während des Bürgerkriegs in seiner spanischen Heimat (1936-1939) unterstützt er die Republikaner. Am 26. April 1937 bombardiert die deutsche Nazi-Legion Condor im Auftrag der verbündeten Faschisten unter General Franco die wehrlose baskische Stadt Gernika, Hunderte Zivilisten sterben. Entsetzt macht sich Picasso in seinem Pariser Exil an die Arbeit zu einem anklagenden Monumentalbild, das sein bekanntestes Werk und eine Ikone des Antifaschismus werden sollte: «Guernica». Es wird bereits am 12. Juli 1937 auf der Weltausstellung in Paris gezeigt.
Während der deutschen Besetzung in Frankreich belegen ihn die Nazis wegen seines Kampfes gegen Franco als «entarteter Künstler» mit einem Ausstellungsverbot, es kursiert die gehässige Aufforderung: «Picasso ins Irrenhaus!» Ein deutscher Besatzer soll ihn in seinem Atelier aufgesucht, auf das Bild «Guernica» gedeutet und gefragt haben: «Haben Sie das gemacht?» Picassos Antwort: «Nein, Sie!» 1944 trat er der kommunistischen Partei Frankreichs bei, er blieb Mitglied bis ans Lebensende.
Mit seinem Ölgemälde «Massaker in Korea», das unter dem Eindruck des Koreakriegs (1950-53) entstand, verärgerte er die Amerikaner. Und als Antwort auf sein entlarvendes Porträt von Stalin (1953) befand die Sowjetunion, dass die Kunst des Genossen Picasso dekadent sei, obwohl die kommunistische Partei Picassos populärstes Werk, die Friedenstaube, für das Plakat des Weltfriedenskongresses in Paris gewählt (1949) hatte.
Der Macho
Picasso und die Frauen - ein endloses Kapitel. Als «herzloses Genie» hat ihn das «St. Galler Tagblatt» bezeichnet. Ein Original-Zitat von Picasso scheint das zu belegen: «Es gibt nur zwei Kategorien von Frauen: Göttinnen und Fussabstreifer!» Der NDR berichtet in einer Dokumentation: «Picasso feierte die Frauen, malte sie, zerstörte sie. Zwei nahmen sich einige Jahre nach seinem Tod das Leben.»
In Picassos Frauenbildern spiegeln sich, wie es der NDR beschreibt, nicht nur seine künstlerischen Phasen wider, sondern auch der Zustand der jeweiligen Beziehung. «Anfangs malt er seine Lieben oft wunderschön ... Bei beginnendem Überdruss eher hässlich, dekonstruiert.» Er selbst hat laut «Spiegel» einmal gesagt: «Es muss für eine Frau sehr schmerzlich sein, anhand eines Bildes festzustellen, dass sie nicht mehr gefragt ist.»
Zweimal war Picasso verheiratet und hatte unzählige Geliebte. Mit 71 Jahren lernt er die damals 26 Jahre alte Keramikverkäuferin Jacqueline Roque, kennen. Sie heiraten 1961, nachdem die erste Ehefrau Olga 1955 an Krebs gestorben ist. Insgesamt malt er 400 Bilder von Jaqueline.
Sie ist die letzte Frau in seinem Leben - und die Erste, die ihn ansatzweise unter Kontrolle hat, womöglich auch nur, weil der Herztod dem Treiben ein Ende setzt. Sie ist bei ihm, als er 1973 in seinem Haus in Mougins mit 91 stirbt. Sie begeht später Selbstmord.
War Picasso besessen von der Macht, die er über Frauen hatte? Oder sah er sie vielmehr als Lebenselixier für seine geniale Malerfantasie? Die Kunstkritikerin Rose-Maria Gropp hat über diese obsessive Seite des Künstlers das Buch «Göttinnen und Fussabstreifer. Die Frauen und Picasso» geschrieben, das im Februar erschienen ist. Sie glaubt eher an die These, dass er die Frauen über seine Kunst brauchte und meint: «Er hat sie sich zurechtgeformt, gar kein Zweifel, und er brauchte dann - das kann man nicht anders sagen - nach einem gewissen Turnus, etwa zehn Jahre, einen Wechsel, er brauchte neues Futter für seine Inspiration».