Für einige stellen Netflix' Werbevariante sowie das Vorgehen des Streamingdienstes gegen das Teilen von Passwörtern die grössten Skandale der zurückliegenden Jahre dar. Doch auch auf andere Arten ist Netflix in die Kritik geraten. In den folgenden zehn Fällen erschien der Streamingdienst–Weltmarktführer aus Kalifornien in keinem guten Licht.
Reale Aufnahmen einer Katastrophe in «Bird Box»
47 Menschen starben im Jahr 2013 bei einem schrecklichen Eisenbahnunfall in der Kleinstadt Lac–Mégantic in der kanadischen Provinz Québec. Ein führerloser Güterzug entgleiste nach einer Verkettung von menschlichen Fehlern und mangelhafter Wartung. In der Folge explodierte Rohöl, neben den Todesopfern wurden auch 40 umliegende Gebäude zerstört.
Aufnahmen dieser schrecklichen, realen Katastrophe waren in mehreren Netflix–Produktionen zu sehen, darunter dem Erfolgsfilm «Bird Box» mit Sandra Bullock (60) und der Sci–Fi–Serie «Travelers – Die Reisenden». Nach Beschwerden von kanadischen Politikern entfernte Netflix die besagten Clips wieder, und liess erklären: «Wir entschuldigen uns für den Schmerz, der der Gemeinde Lac–Mégantic zugefügt wurde.»
Pseudowissenschaftliche Dokumentarprogramme
Heftig in die Kritik geriet Netflix im Jahr 2020 auch für die Dokumentarserie «The Goop Lab» über Gwyneth Paltrows (51) Lifestyle– und Wellness–Unternehmen Goop. So bezeichnete etwa Simon Stevens, der damalige Chef des englischen Gesundheitsdienstes NHS, das Programm als «fragwürdig» und «zweifelhaft». Die Firma Goop vertreibe unter anderem «psychische Vampirabwehrmittel, sagt, dass chemischer Sonnenschutz eine schlechte Idee ist, und wirbt für Darmspülungen und selbstgebaute Kaffeeklistiere, obwohl diese mit erheblichen Gesundheitsrisiken verbunden sind».
Vieles von dem, was in der Sendung gezeigt und beworben wird, sei nicht wissenschaftlich geprüft und für die Allgemeinheit potenziell unsicher. Netflix erklärte diesbezüglich lediglich, dass die Sendung «zur Unterhaltung gedacht ist und keine medizinischen Ratschläge gibt».
Auch andere Netflix–Programme wie etwa «Down to Earth with Zac Efron» oder der Dokumentarfilm «What the Health» gerieten wegen Unwissenschaftlichkeit in die Kritik.
Sexualisierung von Preteens in «Cuties»
Der französische Netflix–Film «Mignonnes» (internationaler Titel: «Cuties») sorgte im Jahr 2020 für einen weiteren, handfesten Skandal. In dem Spielfilm von Regisseurin Maïmouna Doucouré (39) nehmen die elfjährige Protagonistin und ihre gleichaltrigen Freundinnen an einem Tanzwettbewerb teil, bei dem sie aufreizende Tanzschritte vollführen.
Besonders das hypersexualisierte Poster zum Film erregte die Gemüter, zeigt es doch die Darstellerinnen, von denen einige erst zwölf Jahre alt waren, in Hotpants und bauchfreien Oberteilen, während sie provokante Posen einnehmen.
Autorin und Regisseurin Doucouré erklärte, ihr Film sei als sozialer Kommentar zur Sexualisierung von Kindern gedacht. «Wir müssen unsere Kinder schützen. Ich möchte den Menschen die Augen für dieses Problem öffnen und versuchen, es zu lösen», so Doucouré. Auch Netflix stellte sich hinter das Werk.
«Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer»: Opferfamilien beschweren sich
Die Netflix–Miniserie «Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer» erzählt die Geschichte des realen Serienmörders Jeffrey Dahmer (Evan Peters, 37), der auf bestialische Weise 17 Männer umbrachte.
Hauptdarsteller Peters betonte, dass die Netflix–Serie die Geschichten der 17 Menschen, die Dahmer ermordet hatte, beleuchten solle, doch viele der Familien der Opfer empfanden das Programm als zu reisserisch. Daneben verpasste Netflix «Dahmer – Monster» den Tag «LGBTQ+» – wohl der Tatsache geschuldet, dass Dahmer schwul war.
«Ich wurde nie wegen der Serie kontaktiert. Ich habe das Gefühl, dass Netflix hätte fragen sollen, ob es uns stört oder wie wir uns dabei fühlen. Sie haben mich gar nicht gefragt», erklärte etwa Rita Isbell, die Schwester des Dahmer–Opfers Erroll Lindsey.
Die kontroverse LGBTQ+–Kennzeichnung entfernte Netflix klammheimlich wieder. Wohl auch durch die Kontroverse und die Beschwerden der Opferfamilien schaffte es das Programm auf Platz drei der ewigen Netflix–Bestenliste für englischsprachige Serien.
Die angeblich echte Martha aus «Rentierbaby» verklagt Netflix
Die überaus beliebte Netflix–Serie «Rentierbaby» wurde gerade erst mit sechs Emmy–Awards ausgezeichnet. In dem Programm stalkt eine Figur namens Martha Scott (Jessica Gunning, 38) den angehenden Komiker Donny Dunn (Richard Gadd, 35).
Das Netflix–Publikum begab sich in Folge der angeblich auf realen Erlebnissen Gadds basierenden Serie auf die Suche nach der «echten Martha», und glaubte sie in der Anwältin Fiona Harvey gefunden zu haben.
Die echte Martha verklagte Netflix im Anschluss wegen Verleumdung, Fahrlässigkeit und Verletzung der Privatsphäre. Sie verlangt über 170 Millionen US–Dollar Schadensersatz.
Ein CGI–Fötus verurteilt Marilyn Monroe in «Blond»
Der Netflix–Film «Blond» über das Leben von Marilyn Monroe (1926–1962) fiel bei der Kritik durch. Doch neben einer schockierenden Szene mit John F. Kennedy (1917–1963) sorgte besonders ein «verurteilender CGI–Fötus» für Aufsehen.
Monroe wird in einer Szene von ihrem eigenen, ungeborenen Baby verurteilt, nachdem sie dem Film zufolge bereits zwei Abtreibungen gegen ihren Willen vorgenommen hat. Der sprechende, bereits voll ausgebildete Fötus fragt sie: «Diesmal tust du mir nicht weh, oder?»
Den Filmemachern und Netflix wurde in der Folge vorgeworfen, Gesundheitsentscheidungen von Menschen zu stigmatisieren. Den «verurteilenden CGI–Fötus» bezeichnete ein Kritiker als «als Kunst verkleidete Anti–Abtreibungspropaganda».
Schockierender Selbstmord in «Tote Mädchen lügen nicht»
In der ersten Staffel der Serie «Tote Mädchen lügen nicht» schneidet sich die Figur Hannah Baker (Katherine Langford, 28) in einer dreiminütigen Szene die Pulsadern auf. Gegen öffentlichen Widerstand vor Serienstart liess Netflix besagte Sequenz unverändert. Es bestand die Befürchtung, dass derartige Szenen zu Nachahmungstaten führen könnten.
Laut des «Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry» kam es in den USA in dem Monat nach der Veröffentlichung von «Tote Mädchen lügen nicht» zu einem Anstieg der Selbstmorde bei Jugendlichen um 28,9 Prozent, wobei die Studienmacher betonten, dass dieser «signifikante Anstieg» möglicherweise auch auf andere Faktoren als das Netflix–Programm zurückzuführen sein könnte.
Vor Start von Staffel drei der Serie entfernte Netflix die Szene schliesslich.
Autismus als Witzvorlage in «Atypical»
Die Netflix–Serie «Atypical» handelt von einem autistischen Teenager, gespielt von Keir Gilchrist (31). Kritisiert wurde an dem Programm, dass die Macher sich nicht für einen Schauspieler mit Autismus entschieden hatten. Tatsächlich waren lediglich zwei Menschen mit Autismus überhaupt direkt an der Serie beteiligt. Auch viele in der Show dargestellte Situationen, die von Menschen mit Autismus als stereotyp empfunden wurden, lösten Kritik aus.
Showrunnerin Robia Rashid (47) erklärte diesbezüglich, dass die Serie dazu gedacht war, «ein Gespräch darüber zu eröffnen, wie Menschen mit besonderen Bedürfnissen umgehen».
Kevin Spacey muss «House of Cards»–Machern Millionen zahlen
Im Jahr 2017 wurden Vorwürfe gegen den zweifachen Oscarpreisträger Kevin Spacey (65) publik. Bei der Produktion der Serie «House of Cards» soll er «anzügliche» Kommentare gegenüber Mitarbeitern gemacht und Personen am Set nicht einvernehmlich berührt haben. Netflix suspendierte Spacey daraufhin. Die sechste Staffel der Show wurde ohne ihn fertiggestellt, was jedoch zu erheblichen Verzögerungen und Kosten führte.
Die Produktionsfirma MRC verklagte Spacey und zwei seiner Produktionsfirmen daraufhin, um die Kosten für die Arbeiten an der sechsten Staffel zu decken. Die Beklagten wurden schliesslich zur Zahlung von 31 Millionen US–Dollar verurteilt.
Ein per Photoshop bearbeitetes Bild in der Dokumentation «Jennifers Tat»
Der True–Crime–Dokumentarfilm «Jennifers Tat» handelt von Jennifer Pan (38), die im Alter von 24 Jahren Auftragskiller engagierte, um einen Einbruch zu inszenieren und ihre Eltern zu ermorden. Sie sollte die einzige Überlebende sein, doch ihr Vater überlebte seine Schusswunden.
In dem Dokumentarprogramm kam ein Foto vor, das offensichtlich mittels künstlicher Intelligenz manipuliert worden war. Doch Jeremy Grimaldi, die ausführende Produzentin von «Jennifers Tat», beteuerte, dass es sich in der Tat um ein echtes Foto von Jennifer handeln würde. Lediglich der Hintergrund sei anonymisiert worden, um eine Quelle zu schützen.