Der Aperol Spritz ist kaltgestellt, die Italien–Flaggen wehen: Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys (R. B. & D. A. B.) veröffentlichen am 31. Mai ihr drittes Album. Mit «Kult» entführen sie ihre Fans wieder in ihre Welt des Italo–Schlagers. «Einerseits ist es ein extrem sinnbehafteter Begriff, der religiös und spirituell aufgeladen ist, andererseits kann er total sinnentleert und trivial sein», erklärt Roy Bianco im Gespräch mit spot on news über den Albumtitel. Der Sänger, der stets bei seinem Künstlernamen bleibt, ergänzt: «Das ist ein superspannendes Spannungsfeld, in dem wir uns da befinden. Unsere Gruppe selbst wandelt zwischen Religiosität und Trivialität, zwischen lustig und ernsthaft. Eben polarisierend.» Das Wort Kult könne «für eine unfassbare Liebe stehen, andere Leute lehnen es vehement ab – es gibt keinen besseren Titel für ein Album von uns (lacht).»
Zudem sei die Band «natürlich auch immer der Presse voraus», ergänzt Zanti. Der Gitarrist und Sänger, der sich hinter dem zweiten Teil des Bandnamens die Abbrunzati Boys verbirgt, führt aus: «Mit unserem ersten Album wussten wir schon, dass es unsere ‹Greatest Hits› sein werden. Und jetzt wissen wir natürlich auch vorab, dass wir eine Kultband sind. Bevor das jemand anders über uns schreibt, schreiben wir das erst mal selbst.» R. B. & D. A. B. spielen seit jeher mit Selbstironie, dazu gehört nicht nur, dass mit dem Gitarristen nur eine Person hinter dem Plural «die Abbrunzati Boys» steckt, sondern das beginnt bereits mit ihrer fiktiven Bandgeschichte und ihrer angeblichen Gründung 1982 in Sirmione am Gardasee. Nach der «Auflösung» 1997 folgte im Sommer 2016 das überraschende «Comeback». 2020 und 2022 veröffentlichten sie die Alben «Greatest Hits» und «Mille grazie».
Die Band aus Augsburg und München, zu der auch die klangvollen Namen Ralph Rubin (Keyboard), Eisensepp (Bass), Bungo Jonas (Schlagzeug) und Blechkofler (Trompete) zählen, lässt sich bei ihrer Musik «massgeblich von Schlager–Koryphäen inspirieren. Man denkt da nur an Udo Jürgens, Vicky Leandros, Caterina Valente oder Peter Alexander, die uns den Platz bis zu unserem ‹Comeback› auf dem Schlagerolymp warmgehalten haben», erzählt Zanti mit einem Grinsen. «Aber auch aus dem Austro–Rock–Bereich gibt es mehrere Bands, die uns den Weg vorbereitet haben. Man denkt nur an Bilderbuch oder Wanda, die mittlerweile für sich schon beanspruchen können, Kult zu sein. Da reihen wir uns natürlich gerne ein.»
Auf den Spuren von Udo Jürgens
Neben den Schlager–Klängen ist die Liebe zu Italien ein wichtiger Bestandteil des R. B. & D. A. B.–Gesamtkonzepts. Wo sich die Band in dem Land am liebsten aufhält, «ist ganz unterschiedlich und wechselt natürlich auch immer, weil Italien so ein vielfältiges Land mit seinen Landschaften, der Geschichte, der Kultur und dem Essen ist», sagt Roy Bianco. «Aber grundsätzlich sind wird das Yin und Yang wie Italien selbst. Die Abbrunzati Boys verbringt gerne seine Zeit im Süden von Italien, also alles, was unter Rom passiert. Mich spricht eher der Norden an.» Zum richtigen Dolce Vita dürfe bei jedem Italien–Trip natürlich der Aperol Spritz nicht fehlen, dem die Band mit «Sprizz» sogar ein eigenes Lied gewidmet hat.
R. B. & D. A. B., die normalerweise das «Bella Napoli», den «Vino Rosso» oder das «Dolce Vita» besingen, haben für das neue Album mit den Songs «Santorin» und «Goodbye, Arrivederci» Reisen nach Griechenland und Grossbritannien unternommen. «Es darf natürlich kein Kultalbum unserer Gruppe geben, ohne dass wir nicht diesen Ausflug auf die Kykladen wagen und auf den Spuren von Udo Jürgens oder Vicky Leandros wandeln», erzählt Zanti. «Der deutsche Schlager, speziell der 60er– und 70er–Jahre, suchte sich seine Sehnsucht eben nicht nur in Italien, sondern auch in Griechenland.» London habe die Band vor allem aus visuellen Gründen gewählt, sagt Roy Bianco. «Die Stadt findet nur im Video statt, nicht im Song. Wir hatten die Möglichkeit, unseren Song in den Abbey Road Studios noch einmal live einzuspielen. Welcher Musiker würde da nicht den Flieger auf die Insel und an den Ort nehmen, wo Popmusik erfunden wurde, nämlich von der grössten Gruppe der Welt, den Beatles.» Am selben Platz wie John Lennon und Paul McCartney stehen zu dürfen, sei eine «überwältigende Erfahrung» und «ein Privileg» gewesen, sagt der Sänger.
Bei ihren Ausflügen haben sich die Musiker auch modisch angepasst, in London herrschte der Britpop–Stil vor, in Griechenland schlüpften sie wie so oft in Pastell–Anzüge. «Die Mode spielt im Italo–Schlager eine sehr wichtige Rolle», erzählt Zanti. «Also dass wir uns auch den Themen in unseren Songs entsprechend kleiden. Da darf man unseren Bungo Jonas hervorheben, der sehr modisch versiert ist und durch die Zusammenarbeit mit dem Volkstheater in München haben wir mittlerweile auch einen grossen Fundus für die Bühnenauftritte aufbauen können. Da sind wir sehr glücklich darüber.»
Release–Shows in der «Heimat»
«Kult» präsentiert die Band in den kommenden Wochen auf verschiedene Weise. Am 3. Juni wird es zum einen in Dolby Atmos Qualität im Münchner Mathäser Filmpalast erklingen. «Wenn wir schon ein Album in den Abbey Road Studios und in den Trixx Studios in Berlin über ein Jahr lang hinweg hochqualitativ aufnehmen, dann ist doch ein wunderschöner Gala–Abend sehr passend, an dem wir mit unseren Fans das Album wirklich einmal in höchster Qualität geniessen können», sagt Zanti. Zum anderen gibt die Band am 7. und 8. Juni zwei Release–Shows in Italien, an einem Ort, den der Gitarrist als «standesgemäss und einer Italo–Schlager–Kult–Release–Show würdig» bezeichnet. Dass die Konzerte in den Gärten von Schloss Trauttmansdorff bei Meran innerhalb weniger Sekunden ausverkauft waren, habe die Band, trotz Kultstatus, «doch verblüfft», sagt Roy Bianco. «Das ist auf jeden Fall eine Vorschusstreue, die uns immer wieder überrascht von unseren Fans.»
Im Herbst geht es für die Musiker dann in die grossen Hallen, unter anderem sind Shows in der Münchner Olympiahalle oder in der edel optics Arena in Hamburg geplant. Was gehört zu einer perfekten R. B. & D. A. B.–Show? «Unsere Konzerte sind eine 50/50–Veranstaltung. Wenn das Publikum gut performt, dann können wir auch performen», sagt Roy Bianco. «Wenn das Publikum exzeptionell performt, dann tun wir das auch. Es ist eine Formvollendung, wenn beides in Symbiose tritt. Und das ist uns das Wichtigste, dass wir alle gemeinsam einen wunderschönen Moment erzeugen, der unvergesslich bleibt.»
Bei den Konzerten der Band gilt zudem die Devise «Unterhaltung mit Haltung», die sich die Musiker auch von anderen Schlagerkünstlern wünschen. «Es gibt immer wieder Leute, die Haltung zeigen, etwa eine Helene Fischer, die sich dann auch mal klar gegen rechts positioniert, was extrem wichtig ist», sagt Roy Bianco. «Die Schlagermusik, gerade weil sie gesellschaftlich sehr zugänglich ist, muss noch mehr versuchen, an den richtigen Stellen eine Haltung zu beziehen und zu sagen, dass manche Dinge einfach nicht gehen. Man darf sich nicht verstecken hinter Plattitüden oder dem Genre selbst, was vielleicht niederschwelliger ist und das gar nicht so einfordert. Aber es ist wichtig, vor allem auch als grosser Künstler oder grosse Künstlerin, seiner Verantwortung in der Gesellschaft ein Stück weit gerecht zu werden.»
Auch auf der musikalischen Ebene wollen sie dem Schlager wieder «mehr Würde verleihen», sagt Zanti. «Wir sehen uns in der Tradition echter Musiker, handgemachter Musik. Das ist etwas, was im Schlager speziell seit den 80er, 90er Jahren etwas verloren gegangen ist, dass Musik eigentlich nur noch elektronisch erzeugt wird, aus der sogenannten Dose kommt. Und da sehen wir uns eher als Traditionalisten auf diesem Feld.» Bei R. B. & D. A. B. sei alles «handgemacht und live, ob beim Album oder bei Konzerten. Das ist uns sehr wichtig, dass wir da eher die Rockband sind als die Schlagergruppe.» Mit Genrespezifikationen nehme es die Band dann auch nicht so genau, «sondern stehen eher hinter dem Begriff des Italo–Schlagers als Überbegriff für alles Dagewesene von Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys», fügt der Gitarrist an. «Es ist ein weites Feld der Möglichkeiten, da gab es schon die eine oder andere Rockhymne von uns, da ist auch mal eine Samba, ein Ausblick nach Brasilien, dabei. Dann auch mal wieder der eine oder andere ganz klassische Schlager der 50er Jahre.»
Ruft bald der «Fernsehgarten» an?
Abseits der Live–Bühnen ist die Band, die etwa bei der vergangenen ZDF–Silvestershow auftrat, auch für weitere TV–Auftritte bereit. «Wir sind offen für vielerlei Show–Formate», sagt Zanti. «Ich hätte richtig Lust auf den Fernsehgarten in diesem Sommer. Vielleicht ruft Kiwi ja noch durch (lacht).» Roy Bianco ergänzt: «Wir sind auf jeden Fall in der Lage, aufgrund unserer moralischen Mechanismen, Dinge abzulehnen und auch klug auszuwählen, was und wie wir sie machen wollen. Wir nehmen nicht alles an, das haben wir auch gar nicht nötig. Aber so einen Fernsehgarten, da gebe ich dir schon recht, da sehe ich uns auf jeden Fall.»
Wäre die Band mit einer Teilnahme am Eurovision Song Contest auch für die grosse TV–Bühne zu haben? «Es wäre durchaus vielleicht mal eine Möglichkeit, aber wir sind glaube ich auch so schon gut mit Terminen versorgt, dass wir glücklich sind und jetzt erst mal darauf verzichten, solche Sachen zu machen, weil sie doch sehr zeitintensiv sind», sagt Roy Bianco. «Auch wenn wir natürlich extrem an unsere Musik und an unsere Emotionen glauben und denken, dass das auch in Europa gehört werden würde.»
Mitfiebern für Deutschland oder Italien?
Und wie sieht es bei den Italien–Fans mit der Fussball–Heim–EM aus, werden sie die Squadra Azzurra oder Deutschland anfeuern? «Für mich hat sich bei den letzten internationalen Fussball–Turnieren immer gezeigt, dass mir die Vorrunde am meisten Spass gemacht hat», sagt Roy Bianco. «Wenn irgendwelche kleinere Nationen, sage ich jetzt mal ganz salopp, gegeneinander spielen, deren Spiele man sonst nicht anschauen würde. Darauf freue ich mich am meisten, mehr als auf ein Nationalteam per se.» Sein Bandkollege betont zur Heim–EM: «Ich glaube, wir dürfen in diesem Jahr schon mal der deutschen Fussballnationalmannschaft die Daumen drücken nach diesen langen Jahren, wo wirklich gar nichts vor sich ging. Die Italiener haben ja 2021 erst die EM gewonnen. Deswegen können wir guten Herzens hinter Deutschland stehen.»
Hat die Band denn auch Zeit, die EM–Spiele zu verfolgen? «Ich glaube, wir haben das eine oder andere Festival in der Zeit. Aber wenn Deutschland spielt, stehen wir nicht auf der Bühne», erzählt Zanti. «Das hat unser Booking gut gelegt.» R. B. & D. A. B. hatten für ihr neues Album sogar einen EM–Song in der Pipeline, «der hat es dann allerdings aufgrund der Vielzahl an Titeln nicht auf die Platte geschafft», verrät Roy Bianco. «In einer alternativen Welt, in einem parallelen Universum, läuft er ziemlich sicher schon im Radio. Aber in zwei Jahren ist ja WM, vielleicht holen wir ihn dann noch mal raus.»