Ob die Entscheidungsträger der Academy Awards per Münzwurf entscheiden mussten, für welche ihrer eindrucksvollen Darbietungen Sandra Hüller (45) die Oscar–Nominierung in der Kategorie «Beste Hauptdarstellerin» erhalten soll? Neben dem französischen Justizfilm «Anatomie eines Falls», für den ihre Nominierung letztendlich eintrudelte, hätte dies ebenso gut für Hüllers Rolle im britischen KZ–Drama «The Zone of Interest» erfolgen können.
Im Film von Jonathan Glatzer (54), der am 29. Februar in die deutschen Kinos kommen wird, spielt Hüller Hedwig Höss, die Frau des Auschwitz–Kommandanten Rudolf Höss. Noch beim Europäischen Filmpreis im vergangenen Jahr liess man es sich nicht nehmen, die Ausnahmeschauspielerin für ihre Hauptrollen in beiden Filmen zu nominieren: Hüller schlug dank «Anatomie eines Falls» ihre vier Mitbewerberinnen – und sich selbst.
Nur einen Tag später wurde sie von der Los Angeles Film Critics Association mal eben zur «Schauspielerin des Jahres» gekürt, ehe sie trotz dieser Auszeichnung bei den Golden Globes den Kürzeren zog. An ihrer Stelle durfte schliesslich Lily Gladstone (37) dank Martin Scorseses (81) «Killers of the Flower Moon» den Preis in Empfang nehmen.
Was bedeutet das für die Oscar–Chancen?
Hüllers Chancen auf eine Oscar–Nominierung standen dank «The Zone of Interest» und «Anatomie eines Falls» also grossartig. Ohne allzu pessimistisch in Richtung der tatsächlichen Oscarverleihung in der Nacht vom 10. auf den 11. März zu blicken, so muss dennoch festgehalten werden, dass sie eher Aussenseiterchancen auf den Sieg hat.
Zum einen könnte mit Gladstone die erste indigene Person einen Oscar als «Beste Hauptdarstellerin» gewinnen, was in den USA ein wichtiges politisches Statement darstellen würde. Zum anderen hat sich zuletzt «Poor Things»–Hauptdarstellerin Emma Stone (35) immer bessere Chancen bei den Buchmachern erarbeitet. Sollte sich Hüller gegen diese beiden Favoritinnen – sowie gegen die weiteren Konkurrentinnen Carey Mulligan (38, «Maestro») und Annette Bening (65, «Nyad») – durchsetzen, so wäre das durchaus eine kleine Sensation.
Wenn es am Ende nicht für einen Goldjungen für Hüller reicht, so ist es immerhin unwahrscheinlich, dass ihre beiden Werke völlig leer ausgehen werden. «Anatomie eines Falls» und «The Zone of Interest» sind jeweils für fünf Oscars nominiert, darunter beide in den Kategorien «Bester Film» und «Beste Regie». Auch bei «Bestes adaptiertes Drehbuch» («The Zone of Interest») und «Bestes Originaldrehbuch» («Anatomie eines Falls») sind sie im Rennen.
Es wäre ein historischer Triumph
Sollte die «Beste Hauptdarstellerin» 2024 doch Sandra Hüller heissen, ginge eine beinahe 100 Jahre währende Durststrecke vorüber. Erstmals wurde die im heutigen Berlin geborene Marlene Dietrich (1901–1992) für ihre Rolle in «Marokko» in dieser Kategorie nominiert, sie musste sich allerdings der Kanadierin Marie Dressler geschlagen geben.
Wesentlich mehr Glück hatte Luise Rainer (1910–2014), die in Düsseldorf das Licht der Welt erblickte: Sie erhielt die renommierte Auszeichnung gar in zwei aufeinanderfolgenden Jahren – 1936 für «Der grosse Ziegfried» und 1937 für «Die gute Erde». Bis heute ist Rainer die einzige deutsche Schauspielerin, die den Oscar gewinnen konnte – vielleicht aber nur noch bis März ...