Die Herbstferien sind in vielen Schweizer Kantonen mit dem kommenden Wochenende passé und viele Familien müssen sich wieder an mehr Struktur im Tagesablauf gewöhnen. Eine Studie von HelloFresh zeigt, dass die ToDos von Eltern während des Schulbeginns um 44 Prozent steigen. Dabei tragen nach wie vor oft die Mütter die Hauptlast, also den Mental Load, um alle Aufgaben und Termine im Blick und unter einen Hut zu bringen. Die Autorin und Familienexpertin Nora Imlau (41) gibt im Interview Tipps, wie man – vor allem aber nicht nur – die Zeit des Schulanfangs besser und stressfreier strukturiert und wie sich Aufgaben innerhalb der Elternpaare besser verteilen lassen.
Wie können Familien den zusätzlichen Stress nach den Schulferien bewältigen?
Nora Imlau: Am wichtigsten ist, mit viel Nachsicht und Gelassenheit durch die ersten Tage und Wochen nach den Ferien zu gehen. Es ist ganz normal, dass die Routinen noch nicht ganz rund laufen, Kinder nach den Ferien morgens schwer aus dem Bett kommen und alle Fehler machen und Dinge vergessen. Tief durchatmen, in den Arm nehmen, weitermachen – und dieselbe Grosszügigkeit bitte auch bei sich selbst walten lassen.
Welche Tipps haben Sie, um den Familienalltag mit Schulkindern zu strukturieren?
Ein gemeinsamer Familienplaner ist hilfreich, in dem alle anstehenden Aufgaben übersichtlich aufgelistet sind und abgehakt werden können. Hilfreich ist ausserdem, sich selbst die Erlaubnis zu geben, sich Dinge leicht zu machen.
Wie kann man die Aufgaben fairer zwischen den Elternteilen aufteilen, damit nicht alles an einer Person hängen bleibt?
Sehr wichtig ist es, klar die Zuständigkeiten zu verteilen: Wer kümmert sich verlässlich um was, inklusive daran zu denken? In Familien mit zwei Elternteilen kann zum Beispiel ein Erwachsener die volle Verantwortung für die Znüniboxen übernehmen – inklusive Einkauf, Vorbereitung und Reinigung der gebrauchten Boxen – und der andere Erwachsene übernimmt dafür alle Elternabende, Elterngespräche sowie die Kommunikation mit der Schule. Um sich überhaupt erstmal klar zu werden, wer wie viel trägt, kann eine Mental–Load–Checkliste helfen. Davon gibt es viele kostenlos im Internet. Paare können so gemeinsam prüfen: Wie können wir unsere Aufgaben fairer verteilen? Damit geht auch mehr Wertschätzung einher für das, was der andere tut – weil es plötzlich sichtbar wird, wenn man es aufschreibt.
Wie können Familien das Kochen im Alltag integrieren, ohne dass es zur Belastung wird?
Auch hier ist Entlastung das Stichwort. Holt euch Hilfe, wie zum Beispiel mit Kochboxen von HelloFresh mit vorportionierten Zutaten und einfachen Rezeptanleitungen. Die Lebensmittel werden frisch zugeschickt und die Zubereitung geht schnell. Auch kann man Mahlzeiten vorplanen, Lieblingsessen eingefroren in der Tiefkühltruhe haben und schnelle Sattmacher wie Nudeln und Tomatensauce aus dem Glas immer im Vorratsschrank lagern – auch das hilft. Was ebenfalls viel Druck rausnimmt: mit Kindern gemeinsam kochen und sich dabei vom Tag erzählen, naschen und lachen.
Gibt es digitale Tools und Apps, die Sie empfehlen, um den Familienalltag besser zu organisieren?
Mein Mann und ich nutzen einen synchronisierten digitalen Familienkalender sowie eine ToDo–Liste und einen digitalen Einkaufszettel, auf dem wir beide abhaken können, was wir besorgt haben. Unsere wichtigste Organisations–App ist aber unser Messenger. Darüber bleiben wir tagtäglich in Verbindung und teilen uns so die Belastung.
Eltern vernachlässigen oft ihre eigene mentale Gesundheit. Wie können sie im Alltag besser auf sich selbst achten?
Es ist ganz wichtig, dass Eltern sich bewusst machen, dass sie mit Selbstaufopferung niemandem einen Gefallen tun – auch ihren Kindern nicht. Gesunde Selbstfürsorge ist die Basis eines wertschätzenden Familienlebens, denn damit leben wir auch unseren Kindern vor, dass wir selbst Wertschätzung verdient haben. Wie diese Selbstfürsorge aussieht, ist individuell verschieden: Sie beginnt mit einer sanften, grosszügigen inneren Stimme, reicht über ordentliche Mahlzeiten und Pausen, die wir uns nicht verdienen müssen, und hört bei der Unterstützung durch Babysitter und Co. noch lange nicht auf. Alles, was uns guttut, ist gut. Und gleichzeitig hat jede Familie andere Ressourcen und Bedürfnisse, sodass die Möglichkeiten zur Selbstfürsorge eben auch verschieden sind.
Freizeitaktivitäten der Kinder nach der Schule können den Stress weiter erhöhen. Wie lässt sich dieser Bereich des Familienlebens besser organisieren?
Hier gilt es, eine gute Balance zu finden: Wie viele Hobbys packt jedes Kind, und was schaffen auch wir als Eltern? Grundsätzlich sind die besten Freizeitaktivitäten für ein entspanntes Familienleben die, zu denen Kinder eigenständig hingehen können. Ist das nicht möglich, kann man sich die Hol– und Bringdienste mit anderen Familien aufteilen. Es ist auch in Ordnung, wenn Eltern sagen: pro Kind ein Hobby, mehr können wir nicht leisten. Kinder entwickeln sich auch sehr gut, wenn sie nachmittags einfach Zeit zum freien Spielen haben.
Wie wichtig ist die Kommunikation innerhalb der Familie, um Alltagsaufgaben zu meistern?
Die Kommunikation ist das Herzstück eines zugewandten Familienlebens. Wichtig dabei ist, nicht in Vorwürfe und Aufrechnungen zu verfallen, sondern klar und konstruktiv zu benennen, wer welchen Beitrag leisten muss, damit das Familienleben funktioniert. Dabei ist es wichtig, sensibel zu sein.
Haben Sie konkrete Tipps?
Wenn ein Kind seine Aufgaben nicht erfüllt, wäre es ungerecht, ihm gleich Faulheit zu unterstellen. Vielleicht fühlt es sich damit überfordert, vielleicht braucht es eine kleinteilige Anleitung, mehr Unterstützung? Auch in einer Paarbeziehung gilt es, wertschätzend hinzusehen, wenn eine Person ihre Pflichten immer wieder vernachlässigt: Müssen die Aufgaben nochmal neu verteilt werden? Liegt eventuell ein gesundheitliches Problem vor, etwa eine psychische Erkrankung? Tägliche Gespräche – zum Beispiel beim gemeinsamen Kochen und Essen – helfen dabei, als Familie in Verbindung zu bleiben und gemeinsam alle Aufgaben zu bewältigen.
Welche langfristigen Strategien können Eltern entwickeln, um den Mental Load im Familienleben nachhaltig zu reduzieren?
Es geht dabei vor allem um Routinen und Verantwortung. Beide Elternteile müssen sich darüber im Klaren sein, dass in einer Familie nichts von selbst passiert und dass sie beide hundertprozentig dafür verantwortlich sind, dass der Laden läuft. Dann müssen Aufgaben nachhaltig so verteilt werden, dass ganze Aufgabenbereiche komplett bei einer Person liegen. So kann etwa eine Person die komplette Verantwortung für den Bereich Hausaufgaben übernehmen, oder für den Bereich Wäsche. Nur das bringt der anderen Person einen echten Mehrwert. Jemanden ständig an seine Aufgaben erinnern zu müssen heisst, immer noch den Mental Load zu tragen. Deshalb sind Routinen so wichtig: Wenn ich jeden Tag für die Spülmaschine zuständig bin, denke ich irgendwann gar nicht mehr darüber nach, sondern räume sie wie selbstverständlich ein und aus.
Eltern fühlen sich oft durch die idealisierte Darstellung von Familienleben in den sozialen Medien unter Druck gesetzt. Wie können sie sich von unrealistischen Erwartungen lösen?
Indem sie sich bewusst machen, dass auf Social Media Inszenierungen stattfinden, die lebensecht wirken, es aber oft nicht sind. Viele bekannte Influencer leben zudem sehr privilegierte Leben mit jeder Menge Personal – natürlich sieht es bei ihnen dann anders aus als bei anderen Familien. Für die eigene mentale Gesundheit ist der wirksamste Tipp, sich seine Timeline gut zu kuratieren: Wer ganz unterschiedlichen Menschen folgt, die auch die unperfekten Seiten des Familienlebens zeigen, merkt schnell, dass wirklich jede Familie ihre eigenen Herausforderungen hat und dass es kein perfektes Familienleben gibt.