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Frauenärztin im Interview

Superheldinnen: Warum der weibliche Körper mehr Anerkennung verdient

Tabus, Mythen und Missverständnisse: Eine Frauenärztin erklärt, warum der weibliche Körper oft falsch verstanden wird und mehr Anerkennung verdient.

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Noch immer finden Frauenkörper in der Medizin nicht genügend Aufmerksamkeit.
Noch immer finden Frauenkörper in der Medizin nicht genügend Aufmerksamkeit. PeopleImages/iStock via Getty Images

Der weibliche Körper ist ein wahres Wunderwerk – von der einzigartigen Fähigkeit, Leben zu erschaffen, bis hin zur bemerkenswerten Resilienz, sich über verschiedene Lebensphasen hinweg anzupassen. In der Medizin wird er jedoch nach wie vor oft benachteiligt. Lange Zeit konzentrierte sich die Forschung hauptsächlich auf Männer, weibliche Besonderheiten und Bedürfnisse wurden vernachlässigt. Diese Ungleichbehandlung setzt sich noch heute fort – sei es in der unzureichenden Berücksichtigung hormoneller Unterschiede oder der Stigmatisierung weiblicher Körper.

In ihrem Buch «Wir Superheldinnen: Eine Frauenärztin verrät, was du schon immer über deinen Körper wissen wolltest» (ab 12. März, Penguin Random House) räumt Dr. Dorothee Biener mit Mythen auf und gibt einen umfassenden Einblick in die wahre Stärke des weiblichen Körpers. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erklärt sie, wie wir als Gesellschaft Scham und Tabus überwinden können und warum es an der Zeit ist, den weiblichen Körper in der Medizin endlich gleichwertig zu berücksichtigen.

Ihr Buch zeigt, wie viel Kraft im weiblichen Körper steckt. Was macht Frauen zu Superheldinnen?

Dr. Dorothee Biener: Ihre schier unbeschränkte Fähigkeit, mit und in ihrem Körper auf ganz unterschiedliche Herausforderungen zu reagieren und sie zu meistern. In diesem Punkt sind Frauen wirklich absolute Superheldinnen. Natürlich macht auch ihre einzigartige Fähigkeit, Kinder zu bekommen, Frauen zu echten Superheldinnen, da das ein perfektes Zusammenspiel aller weiblichen Organe und Systeme erfordert.

Was ist die faszinierendste Superkraft, die viele Frauen gar nicht über sich wissen?

Dr. Biener: Vielen Frauen ist nicht bewusst, dass sie körperlich in der Lage sind, sich perfekt an jede Lebensumgebung von Arktis bis Wüste und jeden Lebenszeitpunkt von Kindheit bis zum Greisenalter anzupassen. Und bei allen Herausforderungen lächeln Frauen mehr als Männer, haben eine engere Bindung an ihre Bezugspersonen, bekommen seltener einen Herzinfarkt oder Krebs und leben auch insgesamt länger.

Was ist die grösste Lüge, die Frauen über ihren Körper erzählt wird?

Dr. Biener: Dass sie nur glücklich sein dürfen, wenn ihr Körper perfekt ist. Diese Lüge hat sehr viele Gesichter und noch mehr Stimmen. Egal, ob es um die Figur geht, die Grösse des Busens, um die Länge und Breite der Schamlippen, der Farbe des Intimbereichs und endlose viele andere Dinge, immer wird suggeriert, es gäbe etwas zu verbessern. Dadurch entsteht der falsche Eindruck, der Frauenkörper wäre so, wie er ist, nicht schön. Das ist absoluter Unsinn. Wirklich jede Frau ist grossartig und hat ihre ganz eigenen, wunderschönen und bezaubernden Seiten.

Scham und Tabus rund um den weiblichen Körper sind in unserer Gesellschaft generell nach wie vor verankert. Wie können wir offener darüber sprechen?

Dr. Biener: Offen über den weiblichen Körper zu sprechen, ist etwas, das man üben kann. Dabei hilft es ungemein, die richtigen Begriffe zu kennen und zu benutzen. Gute, sachlich richtige Information ist also eine gute Ausgangsbasis für mehr Offenheit. Frei zu sprechen, kann jede Frau (und jeder Mann) zunächst im geschützten Rahmen mit den liebsten Menschen oder aber mit einer professionellen Gesprächspartnerin wie der Frauenärztin des Vertrauens ausprobieren. Wenn diese erste Hürde gemeistert ist, kann frau versuchen, mit mehr und anderen Personen offen über sich und ihre Bedürfnisse zu sprechen.

Ganz wichtig ist es auch, Kindern und Jugendlichen von Anfang an die richtigen Begriffe beizubringen, möglichst ohne falsche Scham. Ausserdem sollten wir ihnen keine Lügen oder Halbwahrheiten erzählen. Denn die Weitergabe überholter, falscher Information von Generation zu Generation hält den Kreislauf von Scham und Tabus am Laufen.

Welche Rolle spielt die Medizin bei der Emanzipation von Frauen – und wo gibt es noch Nachholbedarf?

Dr. Biener: Ich glaube, dass der Medizin hier eine Schlüsselrolle zukommt. Frauen zu ermächtigen, sich für sich, ihren Körper und ihre eigene Gesundheit einzusetzen, sollte ein mächtiger Pfeiler unserer Krankenversorgung sein.

Nachholbedarf haben wir dabei nicht nur in der medizinischen Kommunikation, sondern besonders auch in der Forschung. Bis vor relativ kurzer Zeit wurden nur Männer und ihre Erkrankungen untersucht. Aber Frauen werden anders krank als Männer und ihre Körper reagieren anders auf Stress, Behandlung und Medikamente. Frauen benötigen also ihre eigene Medizin. Für eine gute medizinische Betreuung von Frauen müssen wir unsere Wissens– und Versorgungslücken in diesem Bereich unbedingt schliessen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Frauenmedizin?

Dr. Biener: Ich wünsche mir einen noch grösseren Fokus auf Prävention und die Gesunderhaltung für Frauen. Frauen dabei zu unterstützen, gesund und glücklich zu leben, finde ich den besten Auftrag, den Medizin haben kann.

Von SpotOn vor 21 Stunden