Heimat, Brauchtum, bayerische Folklore – und mittendrin ein schonungslos dargestellter, ekelerregender Missbrauch eines mächtigen, altbackenen Mannes, der sich an jungen Frauen vergeht. Der neue München–«Tatort: Königinnen» (29.10., 20:15 Uhr, das Erste) entführt den Zuschauerinnen und Zuschauer nicht in die bayerische Landeshauptstadt, sondern aufs bayerische Land.
Udo Wachtveitl (65) und Miroslav Nemec (69) bekamen in ihrem 94. Fall namhafte Unterstützung: Veronica Ferres (58) und Wolfgang Fierek (72) übernehmen die Episodenhauptrollen. Der international renommierte Musiker Stefan Dettl (42) sorgte mit seiner Band LaBrassBanda für die Filmmusik – inkl. Cameo–Auftritt auf einer Stadl–Bühne. Doch kam bei so viel bayerischem Tamtam auch ein guter Krimi heraus?
Darum geht's im «Tatort: Königinnen»
Weisswurst–Königin meets Kartoffel– und Honigkönigin: Während des bayerischen Spitzentreffens zahlreicher junger, hübscher Frauen, die jeweils ihr Landwirtschaftsprodukt mithilfe ihres weiblichen Charmes repräsentieren, ereignet sich ein Attentat: Der Vorsitzende des Bavaria–Verbandes (Fierek) wurde durch ein Bolzenschussgerät schwer verletzt und befindet sich nun in kritischem Zustand in einer Klinik. Die Ermittler Batic (Nemec) und Leitmayr (Wachtveitl) entdecken, dass der Verletzte zuvor seine Machtposition für völlig unangemessene Annäherungen und sexuelle Übergriffe bei den Frauen missbraucht hat:
Kaum eine der Königinnen blieb von seinen Avancen und abstossenden Aktionen verschont. Somit könnte jede von ihnen einen Grund haben, sich zu rächen – natürlich auch die Koordinatorin Sylvia (Ferres). Das Ermittler–Duo begibt sich in die scheinbar idyllische Kulisse der Ernte–Adligen und sucht nach Hinweisen zwischen Stroh, Landmaschinen und bayerischen Fahnen. Sie bewegen sich unter Spargel–, Hopfen– und Weisswurst–Vertreterinnen von Aschaffenburg bis Berchtesgaden, von Lindau bis Hof. Zum Glück bekommen die beiden allerdings schnell Unterstützung: Ausgerechnet die Zwiebelkönigin aus Nördlingen (Daria Vivien Wolf, 22) ist in ihrem Alltag Polizeianwärterin und versucht den erfahrenen Kommissaren zu helfen...
Lohnt sich das Einschalten?
In jedem Fall, ein «Tatort» von der Sorte «sehenswert». Der neueste Münchner–Tatort «Königinnen» schafft spielend leicht den Spagat zwischen Witz, Spannung und aktuellem Bezug. Mittendrin die immer noch überzeugenden Nemec und Wachtveitls als Ermittlerteam Batic und Leitmayr. Flankiert werden sie in dem guten Sonntagabendkrimi von einer starken Ferres und dem zeitlos eindrucksvollen Vierek. Auch tut es den Granden der «Tatort»–Reihe durchaus gut, mal wieder ihre gewohnte Münchner–Grossstadt–Umgebung zu verlassen, um in einem idyllischen Dorf ihre Ermittlungen durchzuführen.
Einziges Manko: das etwas plumpe Ende. Die Wendung, die der Film am Ende nimmt, wirkt dann doch irgendwie etwas arg konstruiert und wird dem ganzen Film, dem Setting und der Atmosphäre nicht wirklich gerecht. Zu unrealistisch hat hier ein Mensch sein gesamtes Leben aufgrund einer überhaupt nicht nachvollziehbaren Haltung über Bord geworfen. Hier hätte etwas mehr Tiefe und Innovation dem Drehbuch gutgetan.