Selten war der Einstieg eines «Tatort»-Films aktueller als die ersten Minuten von «Tyrannenmord»: In einer Schulklasse wird diskutiert, ob die Tötung eines Diktators Schlimmeres verhindern kann und ob die Tat moralisch verwerflich wäre. Wer hätte noch vor wenigen Wochen gedacht, dass diese Frage inmitten Europas plötzlich so aktuell werden könnte.
Doch im weiteren Verlauf des Films hat der neue Fall von Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring, 54) und Julia Grosz (Franziska Weisz, 41) nichts mit den brandaktuellen Entwicklungen in der Weltpolitik gemein, aktuell und politisch ist er dennoch in jeder Sekunde. Wer allerdings grosser Fan von Schauspielerin Weisz ist, wird etwas enttäuscht: Ihre Rolle ist in «Tyrannenmord» sehr überschaubar. In weiten Teilen des Films ermittelt Falke ohne seine Stammpartnerin.
Darum geht es im «Tatort: Tyrannenmord»
Thorsten Falke und Julia Grosz werden unter strengster Diskretion mit einer heiklen Aufgabe betraut: Der 17-jährige Juan Mendez ist aus einem feinen Internat verschwunden, in dem Berühmtheiten und Eliten aus Wirtschaft und Politik ihre Kinder erziehen lassen. Sein Vater ist Botschafter eines autoritär regierten Landes, dessen Präsident gerade im Begriff ist, für einen Staatsbesuch nach Deutschland zu kommen. Ein fragwürdiger Despot, der mit Verhaftungen und Folterungen von Oppositionellen und Journalisten zur Berühmtheit wurde.
Während Juans Freundin Hanna die schlimmsten Befürchtungen hat, vermutet Juans bester Freund August, dass sich Juan lediglich den offiziellen Feierlichkeiten bei dem bevorstehenden Staatsbesuch entziehen wollte. Was auch immer dahintersteckt, Juans Verschwinden bringt das Lehrerehepaar, das die Schule leitet, in grosse Bedrängnis, denn der gute Ruf der Schule ist ihr wichtigstes Kapital. Im Zuge der Ermittlungen gerät der Personenschützer des Jungen in Verdacht, vor allem als ein Erpresserschreiben auftaucht: Versuchen Juans Entführer, inhaftierte Regimegegner und Journalisten freizupressen?
Lohnt sich das Einschalten?
In jedem Fall. «Tyrannenmord» ist ein grundsolider Film mit einem einmal mehr extrem souveränen Wotan Wilke Möhring als Kommissar, dem die Rolle immer mehr auf den Leib geschnitten zu sein scheint. Man könnte fast schon von einer Paraderolle sprechen, wenn Möhring den wortkargen, zweifelnden Polizisten mimt, der milchtrinkend und Punk-Rock-hörend inklusive kauziger Art seine Fälle ohne grosses Tamtam löst und trotz offener Worte sogar von höchster Stelle immer wieder gelobt wird.
Der Fall selbst tröpfelt in weiten Teilen sehr vor sich hin, ohne eine echte Spannungskurve aufzubauen. Auch der etwas weit hergeholte Realitätsbezug mit einem fernen, spanisch sprechenden Land, das autoritär geführt wird und seinen Jungen im hohen Norden Deutschlands zur Schule schickt, wirkt etwas konstruiert. Auch wenn es natürlich Parallelen mit der Wirklichkeit gibt, so wird vermutet, dass der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un (38) unter falschen Namen in der Schweiz zur Schule ging. Egal: Kurzweilige Unterhaltung bietet «Tyrannenmord» für 90 Minuten dennoch.