Das letzte Mal, wirklich das letzte Mal! Das allerletzte Mal! Thomas Gottschalk (73) wird nicht müde zu verkünden, dass für ihn endgültig Schluss sei mit «Wetten, dass..?». Jetzt käme nur noch die Sendung am 25. November (20:15 Uhr, ZDF) aus Offenburg, seine 154. «Wetten, dass..?»–Show. Das war's dann! Sagt er.
Nicht der erste Abschied von «Wetten, dass..?»
Schluss gemacht hat er schon öfter. 1992 hat er – fünf Jahre nach seinem Start und 36 Sendungen – zum ersten Mal aufgehört. Er war 42 und wechselte zu RTL, aus Karrieregründen oder weil (noch) mehr Geld im Spiel war oder beides. Da war es ihm ernst, aber es war nicht so ernst zu nehmen, denn 1994 kam er wieder zurück.
Am 1. April 2006 kündigte er abermals seinen Rücktritt an. Das Publikum war geschockt und atmete auf, als das ZDF meldete, es habe sich um einen Aprilscherz gehandelt.
Dann erklärte Gottschalk im Februar 2011, dass er aufhöre. Und dieses Mal war es ihm bitterernst. Es läge «ein Schatten auf der Sendung», der es ihm nicht erlaube, «zu der guten Laune zurückzufinden». In einer seiner Shows war ein schwerer Unfall passiert, doch davon später.
Zehn Jahre später tauchte er wieder auf. «Wetten, dass..?» hatte mit seinem Nachfolger Markus Lanz (54) einen beispiellosen Quotenabsturz hinter sich und war inzwischen eingestellt worden, da fiel den ZDF–Machern ein, man könne doch zum 70. Geburtstag von Gottschalk noch einmal eine Show über die Bühne gehen lassen. Nur eine einzige, zu Ehren ihres genialen Moderators. Die wurde am 6. November 2021 ausgestrahlt und hatte die Sensationsquote von 14,46 Millionen TV–Zuschauern. Die ZDF–Gewaltigen waren aus dem Häuschen.
Und weil's so schön war, kam dann noch eine am 19. November 2022, die hatte auch wieder eine Sehbeteiligung von über zehn Millionen Zuschauern. Jetzt also wirklich zum allerletzten Mal «Wetten, dass..?» mit Thomas Gottschalk.
Jahrzehntelange Traumquoten für das ZDF
Wenn er diese Sendung hinter sich hat, waren es 154 Shows, die insgesamt über zwei Milliarden Fernzuschauer angeschaut haben. Er bescherte seinem Sender ZDF jahrzehntelang Traumquoten, die zwischen 20 und zehn Millionen Zuschauern lagen, wenngleich er den «Wetten, dass..?»–Rekord des Show–Erfinders Frank Elstner (81) von 23,8 Millionen nie erreicht hat. Mehr ging eben nicht, darüber kam (früher) nur die deutsche Fussball–Nationalmannschaft mit Spielen wie dem WM–Finale 2014 (34,65 Mio.) oder dem WM–Finale 1990 (28,66 Mio.).
Thomas Gottschalk ist jetzt 73. Man mag es gar nicht glauben, dass Deutschlands frechster Sunnyboy in die Jahre kommt. Ist aber leider so. Als er 1987 von Frank Elstner übernahm, war er Deutschlands blondgelockter Charmeprinz. Seine Schlagfertigkeit, «eine Art rhetorischer Cunnilingus» («Der Spiegel»), verzauberte Jung und Alt, die «FAZ» ernannte ihn zum «Liebling der Grossmütter und der Teenager».
«Wetten, dass...?» wurde ein Triumphzug für die nächsten Jahrzehnte, die Thomas Gottschalk als grösster deutscher Entertainer prägte, weil er es schaffte, ganze Familien am Samstagabend vor dem Fernseher zu versammeln wie vor einem Lagerfeuer, weil er beste Unterhaltung lässig aus dem Ärmel schüttelte.
Alle wollten bei ihm auf der Couch sitzen
Als man ihn mal nach dem Geheimnis seiner Vorbereitung fragte, sagte er der «Abendzeitung»: «Ich habe fünf Wettkandidaten, die Dinge tun, die keiner braucht. Habe fünf Gäste, die jeder gerne sieht. Und ich habe einen lustigen Anzug mit Trachtentouch, daraus machen wir eine Sendung. Worauf soll ich mich da vorbereiten?» So hat er es von Anfang durchgezogen seit seinem Start 1987: «Ich war bescheuert angezogen und hatte eine dämliche Frisur. Daran hat sich bis heute nichts geändert. So was nennt man Kontinuität.»
«Wetten, dass..?» hatte bereits Frank Elstner zu einer Supershow hochgepusht. Thomas Gottschalk musste nur die Glanzlichter aufsetzen, und das tat er mit leichter Hand. Alle wollten bei ihm auf der Couch sitzen und – wenn es sein musste– mit ihm herumblödeln. So kamen unter anderem Weltstars wie Michael Jackson, Mariah Carey, Robbie Williams, Céline Dion, Tina Turner, Bryan Adams, Cher, Michael Bublé, Lionel Richie, Madonna, Arnold Schwarzenegger, oder Politiker wie Bill Clinton, Michail Gorbatschow oder Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Wetten, die bis heute unvergessen sind
Das Publikum liebte die skurrilen Wetten, wie die eines Landwirts, der 2007 seine Kühe allein an den Schmatzgeräuschen beim Fressen von Äpfeln erkannte. Oder der eines kräftigen Österreichers, der es innerhalb von 2:30 Minuten schaffte, 50 Wiener Telefonbücher, jedes 1.000 Seiten stark, zu zerreissen. 1987 konnte ein Mann mit seinen drei Freunden einen VW–Bus umblasen. Oder ein Wettkandidat stapelte innerhalb von fünf Minuten 55 Waschmaschinen zu einer Pyramide hoch. Und bei der Wette eines Mannes, der einen Hundenapf voller Wasser schneller ausschlabbern wollte als sein Labrador, gewann der Hund ...
Ein Wetteinsatz des Entertainers Stefan Raab (57) hatte Folgen: 2003 versprach er, im Falle der verlorenen Wette auf einem Wok eine Bobbahn hinunterzufahren. Zwar gewann er seine Wette, löste sein Versprechen aber dennoch ein. So entstand aus dieser Idee die bis heute stattfindende Wok–WM.
Auch Gottschalks Wetteinsätze, wenn er mal wieder eine Saalwette verloren hatte, werden in Erinnerung bleiben: Er ging als Nikolaus in ein Bordell, liess sich von Kopf bis Fuss in Senf eintunken oder stieg im Januar 2007 in einem giftgrünen Borat–String in den eiskalten Bodensee.
Nicht so lustig war 1998 der Talk mit Götz George (1938–2016), der Gottschalk anpflaumte: «Es kommt immer wieder der Oberlehrer durch bei dir. (...) Komm auf den Film zu sprechen, der ist mir wichtiger als das, was du redest (...) Ich muss ja einen Film vertreten, der passt eigentlich in diese Runde nicht.» Das wollte das Saalpublikum nicht hören und buhte George aus.
2003 kam es erneut zum Schlagabtausch. George: «Du verstehst wenig von der Schauspielerei.» Gottschalk: «Wollen wir jetzt schon wieder anfangen, uns zu streiten?» George: «Ich sitz halt nicht 40 Jahre auf einer Couch und nerve Leute.» Gottschalk: «Es kann nicht sein, dass du als ernster Schauspieler hier die Stimmung vermiest.» Diesmal war das Geplänkel inszeniert.
In die Annalen der Show wird auch die Buntstift–Wette eingehen. 1988 wettete ein verkleideter Redakteur des Satiremagazins «Titanic», er könne die Farbe von Buntstiften am Geschmack erkennen. Er gewann – und gestand den Schwindel noch in der Sendung ein. Er hatte unter dem Rand der Verdunklungsbrille hindurch gelinst.
Ein Unfall, der alles veränderte
Der tragische Tiefpunkt von «Wetten, dass..?» war der Unfall des Schauspielstudenten Samuel Koch (36), der im Dezember 2010 beim Versuch, auf Sprungstelzen mit einem Salto über ein fahrendes Auto zu springen, schwer stürzte. Die Sendung wurde abgebrochen, Koch ist seit dem Sturz vom Hals abwärts gelähmt. Das Unglück veranlasste Thomas Gottschalk zu seinem Rücktritt von 2011. Er ist dann doch noch mal zurückgekommen, aber nur für drei Shows.
In einem Interview mit der «Zeit» erklärte er, es sei «nicht so, dass das ZDF mir jetzt hinterherläuft und sagt, um Gottes willen, du kannst dich doch noch nicht verabschieden. Wenn das passiert wäre, hätte ich vielleicht gesagt: Also gut, dann mache ich noch eine Sendung.» Diesmal sei es ein Abschied für immer, auch ein bisschen eine «Flucht. Bevor ich nur noch Shitstorms erzeuge, weil ich Frauen ans Knie fasse, höre ich lieber auf.»
Er empfinde «eine gewisse Ängstlichkeit», gegen den Zeitgeist zu verstossen. «Ich gelte ja inzwischen als der Vater des Herrenwitzes, was ich nie sein wollte. Seit einer gewissen Zeit werde ich als alter, weisser Mann gesehen, der nichts begriffen hat. Ich will nicht auffällig werden auf meine alten Tage. Nach dem Motto: Er hat wieder dummes Zeug erzählt.»
Früher hat er mal gesagt: «Wenn sich meine Frisur noch hält, dann habe ich keinen Grund aufzuhören, auch wenn ich mein eigenes Verfallsdatum längst überschritten habe.» Mittlerweile sind die Locken altersmässig zurechtgestutzt. Eigentlich sehr schade!