Er gilt als das «enfant terrible» der Modeszene. Jean Paul Gaultier ist kein Fan der Konventionen. Lange bevor Heidi Klum (48) bei «Germany's next Topmodel» die Diversity auf dem Laufsteg zu predigen begann, praktizierte Gaultier diese längst. Zwar feiert er seinen 70. Geburtstag am 24. April bereits in Mode-Ruhestand, doch sein Erbe ist noch kein bisschen eingestaubt, seine tabubrechenden Looks unvergessen. Unwillkürlich verbindet man den Modeschöpfer bis heute mit ikonischen Designs wie Madonnas (63) Kegel-BH aus dem Jahr 1990 - doch diesen fertigte er zuvor bereits für eine ganz andere Muse an...
Jean Paul Gaultiers erste Muse: sein Teddybär
Seine erste Kreation entwarf Gaultier als Kind für seinen Teddybär. Im Interview mit Muse und guter Freundin Erin O'Connor (44) für die «Vogue» erzählte der Designer 2015, dass er sich im Kindesalter eine Puppe gewünscht habe. Da dies zu dieser Zeit für Jungen allerdings zu ungewöhnlich gewesen sei, kauften seine Eltern ihm stattdessen einen Teddybären. Unzufrieden mit dem männlichen Geschlecht des Bären, verpasste Gaultier diesem Brüste aus Papier sowie einen Rock, den er an dem Tier festnähte.
«Er war meine erste Muse», erinnerte sich Gaultier auch im Gespräch mit Showmaster Graham Norton (59) zurück. Der britische Moderator hatte das besagte Spielzeug sogar in seiner Show «zu Gast». Was die Zuschauer zu sehen bekamen: Bis heute trägt der Teddybär, der mittlerweile zum Ausstellungsstück in Museen wurde, kegelförmige Brüste - eine Form, die durch Madonna Jahre später legendär werden sollte.
Seine Grossmutter weckt die Liebe zum Korsett
Doch noch bevor Jean Paul Gaultier Stars und Models einkleidete, liess er sich modisch von seiner ersten grossen Liebe inspirieren - seiner Grossmutter. Während sie als Krankenschwester bei Patienten auf Visite war, hatte er die Möglichkeit, ihren Kleiderschrank zu durchwühlen. O'Connor berichtete er im Gespräch, dass er von der Mode seiner Grossmutter fasziniert war und sein Blick vor allem an einem ganz aussergewöhnlichen Kleidungsstück hängengeblieben sei.
«Sie war immer in schwarz angezogen, aber sie hatte ein Kleidungsstück, das lachsfarben und ungewöhnlich und mit Bändern zum Ziehen war», erinnerte er sich. «Ich habe mich gefragt, was das ist. Das sah für mich so ungewöhnlich aus.» Seine Grossmutter erklärte ihm später, dass es sich bei dem Fund um ein Korsett handle, das die Taille der Frau schmaler ziehen sollte. Das Kleidungsstück liess Gaultier seitdem nicht mehr los - später sollte es Einzug in zahlreiche seiner Kollektionen halten.
Das grosse Umstyling von Yvette Horner
Ohne formelle Ausbildung - rückblickend nennt er Modemagazine seine Schule - startete Gaultier seine Karriere im Alter von 18 Jahren als Praktikant bei Pierre Cardin (1922-2020). Der Designer erkannte das Talent des Jugendlichen und förderte ihn in den nächsten Jahren. 1976 veröffentlichte Gaultier seine erste Kollektion -heute hält er diese allerdings für «katastrophal». Dennoch überzeugte er Modekritiker und -journalisten bald mit seinem Talent und sorgte mit seinen Laufstegshows immer wieder für Aufsehen.
Typisch für Gaultier: Kollektionen fernab der Geschlechterrollen präsentiert von ungewöhnlichen Models. Tattoos, graue Haare, kurvige Frauen, ältere Männer - sie alle fanden in den Laufstegshows des Designers ein Zuhause. So überraschte es kaum, dass die französische Akkordeonistin Yvette Horner (1922-2018) eine der Musen der 1980er Jahre für Jean Paul Gaultier wurde.
Zusammen mit dem Designer wandelte die Musikerin damals dramatisch ihren Look - ihre braunen Haare färbte sie rot, die klassischen Petticoats tauschte sie gegen Gaultiers aufregende Designs ein. Er kleidete seine Muse in Kostüme in französischen Nationalfarben, bunte Kleider und unvergessen: das ikonische Eiffelturmkleid. Bis zu ihrem Tod 2018 verband die Musikerin und den Designer eine enge Freundschaft.
Von Madonna bis Björk - Jean Paul Gaultier und die Musik
Selbst ein grosser Musikfan - er veröffentlichte 1988 sogar seine eigene Single -, arbeitete Gaultier in seiner Karriere mit den grössten Musikerinnen der Zeit zusammen. Neben Horner galt auch Madonna als eine der wichtigsten Musen des Designers. Schon in dem Film «Susan ... verzweifelt gesucht» (1985) zog die Sängerin mit einem Rock mit Trägern von Gaultier die Blicke auf sich. Zu Beginn der 1990er Jahre wurde Gaultier dann beauftragt, die Kostüme ihrer anstehenden «Blond Ambition World Tour» zu entwerfen. Anfangs hielt der Franzose den Auftrag sogar für einen Scherz, wie er später «The Guardian» im Interview verriet. «Ich habe sie bewundert», schwärmte er. Das wohl ikonischste Kostüm der Tour: Das goldene Korsett mit Kegel-BH-Element. Es sollte den Beginn einer jahrelangen Zusammenarbeit darstellen.
Aber auch für Künstlerinnen wie Björk (56), Kylie Minogue (53) und Mylène Farmer (60) entwarf der Designer über Jahre zahlreiche Bühnenoutfits. Als grosser Fan des Eurovision Song Contests kleidete Gaultier zudem einige der französischen Teilnehmer und Teilnehmerinnen für den Wettkampf ein. 2014 traf er dort dann auf eine neue Muse: Siegerin Conchita Wurst (33). Noch im selben Jahr durfte die Drag-Künstlerin die Show der Winterkollektion für Gaultier schliessen.
Gaultiers Liebe zur Popkultur
Nicht nur in der Musik fand der Designer Menschen, die ihn inspirierten. Schon immer waren es die Popkultur und deren aussergewöhnliche Persönlichkeiten, die Gaultier faszinierten. So fand er etwa in Burlesque-Tänzerin Dita von Teese (49) seine Seelenverwandte, wie er im gemeinsamen Interview mit «Vogue» 2011 verkündete. Immer wieder schwebte die US-Amerikanerin für ihren guten Freund über den Laufsteg - auch bei seiner grossen Abschiedsshow im Januar 2020.
Carla Bruni Sarkozy (49), Bella Hadid (25), Eva Herzigova (49), Amanda Lear oder Rossy de Palma (57) inspirierten den Modeschöpfer während seiner Karriere ebenfalls immer wieder. Die Liste der Models, die er bewunderte, ist lang. Aber noch länger ist wohl die, die ihn bewundern. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jean Paul Gaultier jemals aufhören kann», sagte etwa Bruni Sarkozy bei der letzten Modeschau des 70-Jährigen. «Er ist mehr als lebendig.»
Und doch ging er 2020 in den Mode-Ruhestand. Mit seiner weltberühmten Marke wird es dennoch weitergehen. Auch für Gaultiers Schaffen wird dies wohl nicht das Ende bedeuten. Er wolle sich etwas Neuem widmen, erklärte er zum Ende seiner finalen Kollektion. So ist wird wohl auch mit 70 Jahren noch einiges von Jean Paul Gaultier zu erwarten sein.