Weihnachten ist die Zeit der Traditionen – aber jede Tradition hat mit einem ersten Mal angefangen! Wer Rolf Zuckowskis «In der Weihnachtsbäckerei» und «Oh, du Fröhliche» in der Klassikversion nicht mehr hören kann, der sollte vielleicht mal versuchen, sich mit diesen äusserst ungewöhnlichen Weihnachtsalben in Stimmung zu bringen.
Flake: «Flake feiert Weihnachten»
Ganz neu im weihnachtlichen Repertoire ist Rammsteins Keyboarder Flake (58). Nach dem Skandal um den Sänger seiner Hauptband wandelt der Berliner nun erstmals auf Solopfaden. Dass sein Solodebüt ausgerechnet Coverversionen von bekannten Weihnachtsliedern beinhalten würde, hätte wohl nicht mal Flake selbst erwartet. Mit Weihnachten kann der «Tastenficker», so der Titel seiner Biografie, eigentlich nämlich nichts anfangen. Für ihn ist das Fest eine Analogie zur DDR: «Alle wollen nur das Beste, aber keiner weiss genau, was das alles soll.» Ungefähr so dürfte man sich auch die Studioaufnahmen von «Flake feiert Weihnachten» vorstellen. Ins Studio gekommen sind unter anderem Farin Urlaub (61), Käptn Peng (40), Doro Pesch (60) und Joey Kelly (51). So entstand das wahrscheinlich schrägste Weihnachtsalbum aller Zeiten, das unter anderem eine deutsche Minimal–Electro–Version von «Last Christmas», eine Interpretation von «Süsser die Glocken nie klingen» mit Reden von Erich Honecker und John F. Kennedy und eine jazzige Version von «Schneeflöckchen, Weissröckchen» mit entferntem Kriegslärm enthält. Das perfekte Weihnachtsalbum für alle, die Weihnachten hassen.
Sia: «Everyday is Christmas»
Wer in den Feiertagen Energie und gute Laune möchte und auch nichts gegen ein Tänzchen um den Weihnachtsbaum hat, der könnte zu diesem Pop–Album greifen: «Everyday is Christmas». Offenbar ist die Australierin Sia, eigentlich bekannt für melancholische Pophymnen wie «Chandelier», grosser Fan der grün–roten Jahreszeit. Auf ihrem Album versammeln sich anstatt von Coverversionen gut gelaunte Uptempo–Nummern und nachdenkliche Balladen, die alle aus der Feder von Sia stammen. Eigentlich ist dieses Weihnachtsalbum ein normales Sia–Album, erweitert um ein paar Glöckchen und einen minimal festlichen Unterton. Ein Weihnachtsalbum für alle, die Weihnachten prinzipiell mögen, aber die Klassiker nicht mehr hören wollen.
She & Him: «A Very She & Him Christmas»
Auch kein klassisches Weihnachtsalbum, aber klassisch weihnachtliche Musik, die so besinnlich wie ein Kaminfeuer neben dem Weihnachtsbaum klingt, liefern She & Him. Das Duo besteht aus Schauspielerin und Sängerin Zooey Deschanel (44) und dem Musiker M. Ward (51) und macht liebliche Musik, die man Indie, Folk und Pop zuordnet. Vor allem tut ihr Album «A Very She & Him Christmas» niemandem weh. Deschanels Stimme klingt süsser als die Glöckchen es jemals werden, die weiche Gitarre ist eine Traumreise für gestresste Nerven und jeder Song so unaufgeregt arrangiert, dass man trotz Weihnachtsstress endlich so tief durchatmen kann wie Ben Affleck (52) auf seinem Raucherpausen–Meme. Zudem ist dieses Album so angenehm unaufdringlich, dass es kaum auffällt, wenn man es heimlich statt der Helene–Fischer–CD von Tante Erna abspielt.
Cher: «Christmas»
Wer genügend Glühwein auf Vorrat hat, im Besitz einer blinkenden Weihnachtsbaumbeleuchtung ist und über die Feiertage komplett ausrasten will, der wird mit dem «Christmas»–Album von Cher gut bedient sein. Die Pop–Ikone tanzt auf ihrem 2023 erschienenem Weihnachtsalbum mit Gästen wie Stevie Wonder (74), Tyga (35), Michael Bublé (49), Cyndi Lauper (71) und neuerdings auch Giovanni Zarrella (46) um den Baum, als wäre es schon Silvester. Besinnlich geht es hier kaum zu, stattdessen gibt es gute Laune und viel Energie, um das gemeinschaftliche Vorbereiten in der Küche zum Highlight zu machen. Von klassischem Rock‹n›Roll wie in «Run Rudolph Run» bis zum discotauglichen Synthpop wie in «DJ Play A Christmas Song» gibt Cher auf ihrem ersten Weihnachtsalbum alles. Genauso war es auch gedacht: Ihre Bedingung war es, nach sechs Jahrzehnten andauernder Karriere ohne Weihnachtsalbum, nur eines zu machen, wenn sie keine traditionellen Songs singen müsse und das Album Spass machen dürfe. So ist «Christmas» laut eigener Aussage von Cher sogar das einzige Album, dass sich die Sängerin von sich selbst anhört.
James Brown: «James Brown's Funky Christmas»
Ein Klassiker, der alles andere als klassisch ist – das ist James Browns (1933–2006) Compilation «James Brown's Funky Christmas». Der Godfather of Soul war offenbar ein grosser Weihnachtsfan – er hatte zwischen 1966 und 1970 bereits drei Weihnachtsalben veröffentlicht. «Funky Christmas» ist eine Zusammenstellung der besten Songs von diesen drei Alben und bietet genau das: Funky Weihnachten. Das Beste an Funk an diesem Album ist, dass man zu dieser lebensbejahenden Musik einfach nicht streiten kann, im Gegensatz zu den bierernsten Kirchenchor–Variationen von «Ave Maria». Wenn der Bass unaufhörlich im Kreis groovt, das Saxophon ein Tänzchen hinlegt und Brown sich krächzend des Lebens freut, kann man die beleidigte Leberwurst nicht lange aufrechterhalten. Das richtige Album für den Moment, wenn alle dachten, dass der Abend schon gelaufen ist.