Hella von Sinnen (63) gilt eigentlich als lebensfroher Mensch. Die Moderatorin, Komikerin, Schauspielerin und Aktionskünstlerin, die sich selbst als «eckige, nervende und dominante Persönlichkeit, mit einer grossen Portion Herz und Mut, streitsüchtig und warm, mütterlich besorgt und väterlich resolut» beschreibt, betont aber immer wieder: Sie kommt einfach nicht über den Tod von Dirk Bach (1961-2012) hinweg.
Der Entertainer war vor zehn Jahren im Alter von 51 Jahren überraschend gestorben. Er wurde am 1. Oktober 2012 in einem Berliner Apartmenthotel tot aufgefunden. Die mutmassliche Todesursache: Herzversagen.
«Kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich diesen Mann vermisse»
Diesen Verlust hat Hella von Sinnen offenbar bis heute nicht verwunden: «Er war mein absoluter Lebensmensch und ist nicht ersetzbar», sagte sie zu «Bild». Und in einem Interview mit dem Magazin «Bunte» erklärte sie: «Ich bin jetzt 63 Jahre und habe 30 Jahre meines Lebens mit Dirk verbracht ... Wir haben zusammen gewohnt, zusammen gearbeitet. Die Welt ist so scheisse geworden, seit er weg ist. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich diesen Mann vermisse.»
Sie hatte Dirk Bach Ende der 70er-Jahre an der Studio-Bühne der Kölner Universität kennengelernt - «ein Glücksmoment», wie sie später sagte. 1980 gründeten sie mit der späteren Schauspielerin, Kabarettistin und Regisseurin Dada Stievermann (67) das Kabarett «Die Stinkmäuse».
Dirk Bach und Hella von Sinnen zogen zusammen in eine Kölner WG. Die beiden teilten die Vorliebe für Comic und Nonsens. Sie stand mit ihm in unzähligen Shows auf der Bühne, er gehörte zu ihrem Leben. Und ja: Sie liebten sich, doch sie wurden nie ein Paar, denn er war schwul, sie ist lesbisch. Wenn sie miteinander turtelten, nahmen sie das Balzverhalten heterosexueller Paare auf die Schippe.
Star mit Kultstatus
Sein plötzlicher Tod offenbarte, wie beliebt der kleine, rundliche Mann (1,68 Meter, 110 Kilo), den seine Freunde «Dicki» nannten, auch bei seinem Publikum war. Dirk Bach hatte eine ganze Generation als Schauspieler und Komödiant begleitet, von der «Sesamstrasse» (als Pepe) und seinen Auftritten als «Urmel» bis zur «Dirk Bach Show» (RTL und Super RTL) und den Hauptrollen in den ZDF-Serien «Lukas» und «Der kleine Mönch».
Zum Star mit Kultstatus wurde Dirk Bach als Moderator des Dschungelcamps «Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!» an der Seite von Sonja Zietlow (54): Bach im Buschhemd und mit Tropenhelm, eigentlich eine Schiessbudenfigur - wäre da nicht der verschmitzte Augenausdruck und sein charmantes, bisweilen auch teuflisch-boshaftes Lächeln. Selbst für kritische Zuschauer war er der Lichtblick dieser erfolgreichen Fremdschäm-Show.
«Wir amüsieren uns lediglich ein wenig über elf Menschlein, die hier bei uns im australischen Regenwald zurzeit ein paar Urlaubstage verbringen, und zeigen uns als distanzierte, aber durchaus wohlmeinende Gastgeber», sagte «der Majordomus des Dschungels», so der «Spiegel», «dessen Talent zur Ironie selbst beim Anblick von übelstem Gewürm nicht versagte. Er hatte die Sache im Griff, als sei's das Leichteste, Beifälliges locker zu bringen - er beliess den Kandidaten das, was man als Würde bezeichnen kann».
«Kein Lachen kann so mitreissend sein wie deines»
Wie Hella von Sinnen war auch die Co-Moderatorin Sonja Zietlow untröstlich, als sie die Nachricht von Dirk Bachs Tod erhielt. «Kein Lachen kann so mitreissend sein wie deines», schrieb sie auf ihrer Homepage in einem Brief an den Verblichenen, «kein Herz so tiefgründig und kein Fazit so treffend sein wie deines.»
Als Zietlow ein Jahr später mit ihrem neuen Partner Daniel Hartwich (44) für die Moderation des Dschungelcamps mit dem Deutschen Comedy-Preis geehrt wurde, lehnten beide die Auszeichnung aus Respekt für Bach ab. Zietlow nahm die Trophäe entgegen, sprühte sie rosa an und stellte sie neben «Dickis» Grabstein.
Es ist ein Doppelgrab, neben Dirk Bach ruhen die sterblichen Überreste des Computerfachmanns Thomas G. Er war «Dickis» grosse Liebe. Sie hatten sich 1995 kennengelernt. «Mit ihm ging alles ganz schnell», soll Bach gesagt haben. «Da begegnet man einem Menschen, und der bleibt's dann. Da kam jemand, der mich mit aller Kraft liebt.»
17 Jahre waren sie zusammen. Zwar hatten sie 1999 in Key West (USA) geheiratet, doch diese Ehe hatte in Deutschland keine Gültigkeit. Nach Dirks Tod kümmerte sich Thomas G. um die Bestattung, er suchte den Stein aus, pflegte das Grab ¬ bis zu seinem eigenen Tod im Frühjahr 2019. Thomas G. wurde nur 51 Jahre alt.
Erinnerung in Köln
Die Kölner Vereine «Aidshilfe Köln» und «Centrum Schwule Geschichte» haben den Vorschlag gemacht, einen Platz nach dem Künstler Bach zu benennen. Die Begründung: «Als offen lebender Homosexueller» habe sich Dirk Bach «schon frühzeitig für die Gleichberechtigung von Homosexuellen» eingesetzt. Im Sommer 2022 beschloss die Kölner Bezirksvertretung Innenstadt einen kleinen Platz am Schauspielhaus, in dem Bach ab 1992 festes Ensemblemitglied war, als Dirk-Bach-Platz zu benennen.
Neben seinem Grab auf dem Kölner Melaten-Friedhof, auf dem berühmte Kölner wie Willy Millowitsch, Alfred Biolek oder der Maler Sigmar Polke beigesetzt sind, hatte Hella von Sinnen schon vor Jahren eine rosa Bank gestellt, auf der sie Gespräche mit ihrem toten Freund führte. Da wird sie ihm auch von dem neuen Projekt anlässlich des zehnten Todestages erzählt haben.
«Weil du ihnen auch so brutal fehlst»
Hella von Sinnen gibt zusammen mit ihrer ehemaligen Lebenspartnerin Cornelia Scheel und Pelle Pershing das Buch «Dear Dicki - Erinnerungen an Dirk Bach» (Rowohlt, 25 Euro) heraus. Zahlreiche Freunde, Weggefährten und Kollegen erinnern in persönlichen Beiträgen an den kleinen grossen Comedian, u.a. Hape Kerkeling, Bastian Pastewka, Gerhard Polt, Olli Dittrich, Udo Lindenberg, Anke Engelke, Hugo Egon Balder, Tom Gerhardt oder Margie Kinsky.
Hella von Sinnen schreibt in einem rührenden Brief an ihren «Dicki»: «Ich denk eh jeden Tag an dich. Aber ich MUSS nicht an dich denken, weil wir ne DEADline für dieses Buch einhalten müssen ... Nach dem 1. Oktober 2012 hatte ich ja wenigstens den Schock! Die Fassungslosigkeit! Den Alkohol! Jetzt zog zehn Jahre später mein Leben und meine Liebe an mir vorbei, und ich musste nüchtern bleiben und kreativ sein. Na bravo. Jetzt konnte ich mich nicht mehr nur high pathetic im Selbstmitleid suhlen - jetzt taten mir auch noch alle andren leid!!! Weil du ihnen auch so brutal fehlst.»
Als Herausgeberin musste Hella von Sinnen 100 Beiträge und Grussworte lesen, «diese wunderbaren, zärtlichen, klugen, witzigen Briefe an dich. Von Menschen, die über deine Güte und Grosszügigkeit schwärmen. Über deine Kollegialität und dein Jahrhunderttalent. Die sich an deinen Geruch erinnern, an gemeinsame Musicalbesuche und Urlaube, an deine schönen Augen und dein Lachen.»
Trauern um «Dicki» wolle sie nun nicht mehr, denn «Helli», so ihr Spitzname, «will lieber verdrängen. Verdrängen ist Hellis Kernkompetenz.» Wenn sie von ihm träumt, «dann lebt er immer». Dann schreit sie ihn an: «Hast du sie noch alle? Findest du das witzig? Uns hier zu lassen?»