Angela Merkel (70) hat im Interview mit dem «Spiegel» über ihre Autobiografie «Freiheit» gesprochen, die am 26. November erscheint. Auf den rund 700 Seiten geht es nicht nur um ihre Kanzlerschaft: «Ich bin jetzt 70 Jahre alt, 35 Jahre im Osten, 35 Jahre in der Politik, scheinbar zwei Leben, in Wahrheit aber ein Leben, und die zweite Hälfte ist ohne die erste nicht zu verstehen.» Bei dem gemeinsam mit ihrer langjährigen politischen Beraterin Beate Baumann (61) verfassten Werk wollten sie «unbedingt zwei Bände vermeiden, sonst hätten die einen nur die DDR–Zeit gelesen und andere nur die politische Zeit». Das Buch hätten die beiden «nicht allein für Historiker geschrieben. Der Anspruch ist, um historische Fakten herum Politik so zu erzählen, dass es auch ein normaler Mensch versteht.»
Auf dem Programm stehen Reisen und Freunde
In der Ankündigung zu Merkels Memoiren «Freiheit» heisst es: «Persönlich wie nie zuvor erzählt sie von ihrer Kindheit, Jugend und ihrem Studium in der DDR und dem dramatischen Jahr 1989, in dem die Mauer fiel und ihr politisches Leben begann.» Angela Merkel selbst sagt unter anderem über ihr Buch: «Freiheit ist für mich, nicht aufzuhören zu lernen, nicht stehen bleiben zu müssen, sondern weitergehen zu dürfen, auch nach dem Ausscheiden aus der Politik.»
Auf die Frage, wie es nach ihrer Autobiografie für sie jetzt weitergehe, erklärte Merkel dem «Spiegel»: «Es gibt viele schöne Dinge: Reisen, Freunde treffen, Lesen, Relaxen.» Sie könne sich auch gut vorstellen, ihr Buch als Ausgangspunkt zu nehmen, «mit jungen Leuten über Demokratie zu sprechen, über die Geschichte der Bundesrepublik, über die Bedeutung von Kompromissen. Ich finde, jede Politikerin und jeder Politiker muss sich fragen: Wie tolerant bin ich gegenüber anderen Meinungen, ob vom politischen Gegner oder in meiner eigenen Partei?» Nur wenn Politiker es vorleben, könne die Bereitschaft der Menschen wachsen, einander wieder zuzuhören. «So ein dickes Ding» wie Obama, gemeint ist die Stiftung von Barack Obama (63), werde sie jedoch nicht aufziehen können. «Aber schauen wir mal.»
«Mein spontaner Gedanke: Männer!»
Am 2. Dezember 2021 verabschiedete die Bundeswehr Angela Merkel mit einem Grossen Zapfenstreich nach 16 Jahren aus dem Kanzleramt. Die promovierte Physikerin, die 2005 als erste Frau ins Kanzleramt einzog, gab in dem «Spiegel»–Gespräch auch an, dass sie sich nicht gross darüber Gedanken gemacht habe, «dass mit mir als Frau eine tolle Symbolik verbunden wäre. Ich war manchmal auch enttäuscht von Frauen. Dass wir untereinander immer solidarisch sind, ist nicht meine Erfahrung.» Dass sie sich nie demonstrativ als Frau präsentiert habe, sei keine bewusste Strategie gewesen. Da sie in der DDR die einzige Wissenschaftlerin in ihrer Arbeitsgruppe gewesen sei, habe sie sich schon früh «ganz natürlich zwischen vielen Männern» bewegt.
Auf das männliche Geschlecht kam Merkel auch angesichts des «Dramas» beim Bruch der Ampelkoalition zu sprechen. Auf die Frage hin, was Merkel darüber denkt, erklärte sie: «Mein spontaner Gedanke: Männer!» Als «typisch männlich» habe sie dabei zum Beispiel empfunden, «Dinge zu persönlich zu nehmen. Das sollte man in der Politik tunlichst vermeiden».