Donna Leon (80) ist nicht begeistert von der derzeit gängigen Praxis, rassistische Begriffe aus Buchklassikern zu tilgen. «Im Namen von Werten und Moral redigieren die Leute die Vergangenheit um», sagte die Autorin der «Brunetti»-Krimis der «Neuen Osnabrücker Zeitung».
Die US-Amerikanerin, die seit 2020 die Schweizer Staatsbürgerschaft hat, fühlt sich an die Zeit des Kommunismus in der Sowjetunion erinnert. «Wer eben noch am Tag des Sieges mitmarschierte, wurde im nächsten Jahr schon wieder aus dem Foto retuschiert.»
In den letzten Jahren sorgte in der Literaturwelt die Debatte für Kontroversen, ob heute als beleidigend wahrgenommene Begriffe ersetzt werden sollen, etwa aus Kinderbüchern wie «Pippi Langstrumpf» und «Die kleine Hexe». Kürzlich hat der Verlag Ian Fleming Productions bestätigt, rassistische Begriffe in den Büchern über James Bond zu ersetzen.
«Ich kann verstehen, warum Menschen Bücher überarbeiten wollen», sagte Donna Leon. «Wir alle würden gern die Grausamkeiten vergessen, die zu uns gesagt wurden. Viele von uns würden sicher auch gern die Grausamkeiten vergessen machen, die sie selbst gesagt haben. Aber es ist eben geschehen.»
«Das nennt man Zensur»
Darüber hinaus kritisiert Leon Tendenzen, aus vorauseilendem Gehorsam Inhalte zu vermeiden, die für manche unbequem oder verletzend sein könnten. «Wir leben jetzt in einer Welt, in der man nichts schreiben darf, was Leser kränkt, überrascht, verletzt, verstört oder in irgendeiner anderen Weise Empfindlichkeiten berührt». Diese Entwicklung gefalle ihr «ganz und gar nicht»: «Das nennt man Zensur.»
Ihre Bücher um Commissario Brunetti wurden noch nie aus politisch-korrekter Warte aus kritisiert. Nur einmal gab es einen Aufschrei. Als sie einen Hund sterben liess, bekam sie böse Briefe. «Wahrscheinlich habe ich in meinen Krimis an die 50 Menschen sterben lassen», sagte sie. «Das stört keinen. Aber bei einem Golden Retriever hört der Spass auf.»