Es ist wieder Opernball. Nicht irgendein Opernball in X oder Y, sondern das Original in Wien. Geschniegelte Herren im Frack werden ihre herausgeputzten Damen wieder auf dem Parkett drehen beim grossen «Staatsgewalze», wie die «Kronen–Zeitung», das mächtige Zentralorgan für den robusteren Wiener Schmäh, den Opernball gern bezeichnet.
Der Begriff «Staatsgewalze» trifft es ganz gut. Selbstredend sind die Spitzen der österreichischen Politik, repräsentiert durch Bundeskanzler Karl Nehammer (51) und Bundespräsident Alexander Van der Bellen (80), mit dabei, wenn das Kommando ertönt: «Alles Walzer!» Unter diesem Motto wird der Opernball am Donnerstag vor Aschermittwoch Punkt 22:00 Uhr eröffnet.
Die Ursprünge des Opernballs
Der Befehl «Alles Walzer!» soll auf den Wiener Musiker und Komponisten Johann Strauss (1825–1899) zurückgehen, der um 1867 die Walzer–Hymne «An der schönen blauen Donau» in die Welt gesetzt hat.
Die Ursprünge des Opernballs reichen bis zum Wiener Kongress zurück, bei dem 1814/15 das alte Europa nach der endgültigen Niederlage von Napoleon neu geordnet wurde. Abends haben sich dann die gekrönten Staatsoberhäupter und ihre Diplomaten aus dem Hochadel beim Tanz entspannt.
Es heisst, die Herrscher der österreichisch–ungarischen k.u.k–Monarchie haben den neuen Modetanz Walzer zunächst argwöhnisch beäugt. Die Dynamik der Drehungen war offenbar zu ekstatisch, ausserdem wollten alle den Walzer tanzen: reiche und arme Schlucker, Mächtige und Ohnmächtige, hoher und niederer Stand. Das roch schon sehr nach «egalité» und Revolution.
1877 fand der Ball erstmals als Hofopern–Soirée am heutigen Standort statt. Schirmherr war Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916), seine Majestät wollte aber nicht, dass getanzt wurde, weil er aufrührerische Tumulte wie bei den Opernbällen von Paris befürchtete.
Allerdings dirigierte der legendäre Johann Strauss das Hofopernorchester, und als sein Bruder Eduard (1835–1916) erstmals eine Opern–Soiree–Polka aufführte, gab es kein Halten mehr. Die Sessel wurden beiseite geschoben, und die Paare wiegten sich im Takt der Strauss–Musik. Seitdem wird auf dem Opernball getanzt.
Der Kraftakt hinter dem Opernball
Seit 1936 heisst die sagenumwobene Veranstaltung Wiener Opernball, ein «Staatsgewalze», bei dem «Glanz und Schmäh ungebremst» aufeinander treffen und die Wiener Staatsoper zur «perfekten Bühne der Selbstinszenierung» («Die Welt») wird.
Der Monumentalbau im Stil der Neorenaissance, eines der bekanntesten Opernhäuser der Welt mit täglichem Spielplan, wird in 30 Stunden vom Theater zum Ballsaal umgebaut. 350 Facharbeiter und 150 Hilfskräfte entfernen die Bestuhlung, verlegen Tanzparkette, errichten Bühnenlogen und Bars. Nach der Veranstaltung brauchen sie noch mal 21 Stunden für den Rückbau. Insgesamt erledigen 50 Firmen die Auf– und Umbauarbeiten, Auftragsvolumen: 1,5 Millionen Euro. Darin enthalten sind auch 171 festliche Blumenarrangements und 480 Blumengestecke.
Dann ist alles feier– und festlich angerichtet für den gesellschaftlichen Höhepunkt einer langen, kräftezehrenden Saison von über 450 Bällen in Österreichs Metropole. Wien feiert sich, und die Welt darf zuschauen, wie die Stadt dem Ballrausch entgegenfiebert.
Tatsächlich die ganze Stadt? Wien hat rund 1,7 Millionen Einwohner. Zum Opernball dürfen aber nur 5.150 Ballgäste, plus 320 Personen Bewirtungspersonal und 150 Musiker. Der grosse Rest bleibt an der frischen Luft (oder am Fernseher), tut aber so, als würde er dazugehören. Das ist Wien seiner Haute–Volée seit Kaisers Zeiten schuldig.
Gäste müssen tief in die Tasche greifen
Wer zum Opernball will, sollte über ein gut gefülltes Konto verfügen und Vitamin B zufüttern, denn auch auf die Beziehungen kommt es bei der Kartenverteilung an. Für 2024 sind alle Plätze restlos ausverkauft, man kann sich ab dem 3. Juni für 2025 bewerben.
Die aktuelle Eintrittkarte kostet 385 Euro pro Person (inkl. 35 Euro Spende für die Aktion "Österreich hilft Österreich), dann hat man aber noch keinen Platz. Der billigste Tischanteil kostet hoch oben in der Galerie 110 Euro (pro Person), das ist laut Webseite der Wiener Staatsoper «etwas abseits vom allgemeinen Ballgeschehen im 6. Stock.»
Will man dem Geschehen etwas näher sein, muss man für einen Tischanteil von zwei Personen 440 Euro zahlen. Ein Tisch für vier Personen kostet 880 Euro, für sechs 1.320 Euro. Das sind die Preise fürs Fussvolk. Wer was auf sich hält, mietet eine Loge. Ein Tisch in einer einfachen Bühnenloge kostet für sechs Personen 14.000 Euro, eine Doppelloge 24.500 Euro, ebenso viel wie eine Rangloge.
Dann hat man aber noch keinen Bissen gegessen und keinen Schluck getrunken. Ein kleines Bier kostet 14,40 Euro, ein Glas Wein ab 16 Euro, Sekt gibt es für 21 Euro und für Champagner, eigentlich das einzige adäquate Getränk, muss man 39 Euro fürs Glas zahlen. . Billiger sind die heissen Würstchen, die in Wien keineswegs «Wiener», sondern «Frankfurter» heissen: 16 Euro, die Gulaschsuppe gibt's zum gleichen Preis.
Richtig «Gschtopfte», wie man in Wien die Besserbetuchten zu nennen pflegt, geniessen vorher im benachbarten Hotel Sacher das fünfgängige Opernball Gala Dîner Menü für 425 Euro pro Person. Dazu werden Champagner, korrespondierende Weine und Mineralwasser gereicht.
Wer anschliessend noch kann, wälzt sich zum grossen Staatsgewalze, wo sich üblicherweise Film– und Musikstars sowie Berühmtheiten aus Politik, Kunst und Wirtschaft die Ehre geben, aber auch jede Menge «Adabeis», wie der Wiener Volksmund Herrschaften zu bezeichnen pflegt, die stets dabei sind, wo die Scheinwerfer des Fernsehens die Szene ausleuchten.
Diese Stars werden erwartet
Gekrönte Häupter schwingen aber schon lange nicht mehr das Tanzbein im Opernhaus. Aus Deutschland kommen Promis wie der professionelle Spassvogel Oliver Pocher (45), der Modedesigner Harald Glööckler (58) oder der betagte Volkssänger Heino (85), der nach dem Tod seiner Frau Hannelore, die übrigens in erster Ehe mit dem österreichischen Adelsmann Alfie Auersperg verheiratet war, mal wieder unter die Leute soll.
An dieser Stelle wird gern der Satiriker Karl Kraus (1874–1936) zitiert, der über seine Heimatstadt gesagt hat: «In Wien stellen sich die Nullen vor die Einser.» Dazu passt, dass schon vor Jahren Lotte Tobisch–Labotýn (1926–2019), die unvergessene Grande Dame der Wiener Society, den Opernball als «Faschingsfest» bezeichnet hat, was er strenggenommen auch ist. Es sei «traurig, dass auf dem Ball immer weniger Brillanz ist.» Keine richtig grossen Namen mehr, kaum Salonlöwen alten Schlages.
Richard Lugner und der Opernball
Dafür ist ein ehemaliger Baulöwe zum eigentlichen Star des Opernballs avanciert. Richard Lugner (91) machte einst als Bauunternehmer sein Vermögen, weshalb ihn der Wiener Volksmund, der durchaus bissig sein kann, nur kurz «Mörtel» nennt. Seit vielen Jahren bittet er Weltberühmtheiten wie Dita von Teese, Brigitte Nielsen, Sophia Loren, Paris Hilton, Pamela Anderson oder Brigitte Nielsen in seine Loge. Der Lugner sei «a Wurschtel», hat die legendäre Salondame Tobisch–Labotýn einst gesagt. Das war überhaupt nicht bös' gemeint, denn «der passt mit seinen Gästen so gut auf ein Faschingsfest.»
Mittlerweile ist «Mörtel» in die Jahre gekommen. Jetzt will er mit 91 seinen diesjährigen Gast Priscilla Presley (78) auf einen Walzer auf das Parkett führen, er hat schon fleissig geübt. So geht's dahin bis morgens um fünf die traditionelle Abschiedsweise «Brüderlein fein, Brüderlein fein, musst mir ja nicht böse sein» erklingt. Und «Mörtel» ausharrt, solange der Frack ihn aufrecht hält.