«Mein Job ist real, aber er ist auch zerbrechlich. Die Wahrheit ist, obwohl ich gerade zutiefst glücklich bin und weiss, wie privilegiert ich bin, so habe ich auch Angst. Ich habe Angst vor der Aufdringlichkeit, dem Hass, den Witzen und vor Gewalt.» Mit diesen Worten outet sich Elliot Page, 33, auf Instagram als transgender.
Der kanadische Schauspieler, der gerade noch als Vanya Hargreeves in der Netflix-Serie «The Umbrella Academy» zu sehen ist, ahnt, dass da wohl noch einiges auf ihn zukommen wird. Seine Unsicherheit hängt vielleicht auch damit zusammen, dass Frau-zu-Mann-Transsexualität noch um einiges seltener vorkommt als umgekehrt – eine niederländische Studie spricht von einem Verhältnis von 1:30'500, bei Mann-zu-Frau-Transsexualität von 1:12'000.
Einer, der vor über zehn Jahren mit der Anpassung von der Frau zum Mann begann, ist Schauspieler und Autor Chaz Bono, 51. Der Sohn des berühmten Pop-Duos Sonny und Cher wurde als Chastity geboren und lebt seit 2010 offiziell als Chad.
Seine berühmte Mutter unterstützte ihn immer, gestand aber 2011 in einer Talkshow: «Irgendwie muss ich damit anfangen, sie er zu nennen, aber ich kann mich wirklich nicht daran gewöhnen. Das ist total nervig, und ich will es nicht wirklich.»
Dass sie anders ist, merkte auch Yvonne Buschbaum, 40, schon als kleines Mädchen. Die Stabhochspringerin holte für Deutschland EM-Bronze und einen sechsten Platz bei Olympia.
Glücklich ist sie nicht. Erst 2008, nach ihrer aktiven Karriere, beginnt sie mit der Geschlechtsangleichung und nennt sich fortan Balian. Einem breiten Publikum wird Balian Buschbaum durch seine Teilnahme bei der TV-Show «Let’s Dance» bekannt. Er hält heute Vorträge über Homophobie und Transfeindlichkeit im Sport.
Eine der bekanntesten Transfrauen der USA ist Schauspielerin Laverne Cox. Die 48-Jährige «Orange Is The New Black»-Darstellerin war die erste transsexuelle Schauspielerin, welche für einen Emmy nominiert wurde. Sie erzählt immer wieder von negativen Erfahrungen.
Vergangenes Wochenende postete sie ein Instagram-Video, in dem sie erzählt, dass ein Mann, mit dem sie unterwegs war, immer wieder fragte, ob Cox ein Mann oder eine Frau sei – und dann auf ihn losging. «Der Typ wollte mich wirklich als transsexuell demaskieren», sagt Cox. «Ich weiss nicht, warum das eine Rolle spielt. Ich meine, wen interessierts?»
Es gibt aber auch positive Beispiel. Zum Beispiel Model Valentina Sampaio. Die 23-jährige Brasilianerin war dieses Jahr das erste transgender Model, das in der «Sports Illustrated» posierte, nachdem sie bereits für «Victoria’s Secret» gemodelt hatte.
Sie wurde bereits im Alter von acht Jahren von einem Psychologen als transgender identifiziert und erzählte in Interviews, dass sowohl ihre Eltern als auch ihre Mitschülerinnen und Mitschüler nie ein Problem damit gehabt haben. Für «Sports Illustrated» gebucht zu werden, sei ein Traum, so Valentina. Gleichzeitig hoffe sie, dass es irgendwann keine Rolle mehr spiele, ob jemand transsexuell sei oder nicht.
Sehr öffentlich geschah die Geschlechtsanpassung von Caitlyn Jenner, 71. Als Bruce Jenner geboren wurde der Olympiasieger im Zehnkampf Mitglied der wohl berühmtesten TV-Familie der Welt: den Kardashian-Jenners.
2015 eröffnete der Vater von Kendall und Kylie Jenner der Öffentlichkeit, fortan als Frau leben zu wollen. «Ich bin so glücklich, nach einem so langen Ringen mein wahres Ich zu leben», schreibt Caitlyn als erstes auf ihrem Instagram-Profil unter ihrem neuen Namen. Im Interview mit «Vanity Fair» gestand sie: «Bruce musste immer eine Lüge erzählen. Er lebte diese Lüge. Caitlyn hat keine Geheimnisse.»
In der Schweiz wurde Transsexualität erstmals anfangs der Neunziger Jahre zum öffentlichen Thema. 660'000 Zuschauer verfolgten den Dok-Film «Traum Frau Coco» in der Erstausstrahlung. Kindheit und Jugend sind schwierig für das Mädchen im Bubenkörper, und auch als endlich Eve-Claudine Lorétan in ihrem Pass steht satt Marc-Patric findet Coco keinen Frieden.
«Ich weiss nicht, warum die Menschen immer zwischen Geschlechtern unterscheiden», sagt sie in einem Interview. Und: «Erst wenn ich Gras fresse, komme ich zur Ruhe.» 1998 nahm sich Coco im Alter von 29 Jahren das Leben.
Auch Nadia Brönimanns, 51, Weg war alles andere als einfach. Auch sie und ihre Geschichte wurden durch einen Dok-Film und ihre Autobiografie «Die weisse Feder» bekannt. Nach unzähligen Operationen, physischen und psychischen Problemen zog sie sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück.
Dass sie damals, mit 29 Jahren, niemandem in ihrem Umfeld von der Geschlechtsangleichung erzählte, bezeichnet Nadia heute als grossen Fehler. «Ich habe erwartet, dass mein Umfeld mein neues Ich sofort akzeptiert. Doch dies ist auch für die Angehörigen ein Prozess, der Zeit braucht», erzählte sie kürzlich in einem Interview. Sie kritisiert, dass Transmenschen oft auf das Sexuelle reduziert werden, dabei geht es um viel mehr, nämlich um eine Identität.
Dass sie lieber ein Mädchen statt ein Junge sein möchte, wusste Social-Media-Star Raffaela Zollo, 27, mit dreizehn – nachdem sie eine TV-Sendung zum Thema Transsexualität gesehen hat. Mit 18 begann sie, Hormone zu nehmen, mit 19 fand die Geschlechtsanpassung statt. Vorher sei das nicht gegangen, da sie noch in der Lehre war: «Mein Chef wollte das nicht».
Heute ist Raffa eine der wenigen, welche auch ganz offen über ihre Sexualität spricht: «Es funktioniert alles normal. Ich habe eine Klitoris und Schamlippen. Es ist also alles so wie bei einer normalen Vagina. Das ist aber nicht immer so. Jeder Fall ist anders, bei mir funktioniert aber alles blendend.»
An Silvester 2011 fasste der Hotelier des «Schwefelbergbad» in Rüschegg BE, Andreas Heribert Meier, endlich den Mut, zu seinem wahren Ich zu stehen – und informierte nicht nur sein engstes Umfeld und seine Mitarbeitenden, sondern auch die Gäste, per Flyer.
Aus Andreas wurde Claudia Sabine Meier, 52. Sie sorgte als erste Transfrau bei der Schweizer Armee für Schlagzeilen. Heute hält sie unter anderem Vorträge an Schulen: «Wenn das Thema selbstverständlich wird, erledigen sich die Vorurteile von selber.»
Im Gegenteil zu vielen anderen hat sich SRF-Korrespondentin Valentina De Vos, 46, dazu entschieden, über das Thema zu schweigen. Sie war bereits als Mann fürs SRF tätig – damals hiess sie Reto Stutzer – und machte nach der Anpassung einfach als Frau weiter, ohne grosses Aufheben. Interview-Anfragen sagt sie genauso ab wie ihr Arbeitgeber, das SRF, welches jeweils mitteilt, dass über das Privatleben von Mitarbeitenden keine Auskunft gegeben wird.
Ob man nun darüber redet oder nicht. Eines ist klar: Bis wir in unserer Gesellschaft Transmenschen vorurteilsfrei begegnen, ist es noch ein langer Weg. Aber Menschen wie Elliot Page helfen sicher ein kleines bisschen mit, dass dies irgendwann möglich ist. Oder, wie es Nadia Brönimann ausdrückt: «Ich will mein Leben in erster Linie als Mensch führen und nur an zweiter Stelle als Frau.»