Die «Handelszeitung» nannte das «Haus der Freiheit» in Ebnat-Kappel SG den «Monte Verità der Aufrechten vom Lande in Auflehnung gegen die städtische Obrigkeit». An diesem Morgen wird aber keine Revolution angezettelt, sondern am SI-Stammtisch über die brisante Aktualität gesprochen. Neben dem Wirtepaar, Nationalrätin Esther Friedli, 44, und Toni Brunner, 47, dem früheren SVP-Präsidenten, nehmen Armin Landerer, 60, CEO der Stiftung DEAR Foundation-Solidarité Suisse sowie als Vertreter der SI-Leserschaft das Ehepaar Gabi und Josef Andres, beide 68, aus Rafz ZH Platz. Moderator Stefan Regez orientiert sich zunächst an der hausinternen Rollenverteilung – und will bereits die Hochzeitsglocken läuten hören.
Toni, wann heiratet ihr?
Toni Brunner (lacht): Das lest ihr dann in der Schweizer Illustrierten. Aber wir sind hier doch sehr zurückgezogen. Deshalb werdet ihr es im Flachland wohl erst mit Verzögerung erfahren. Geplant ist noch nichts, aber die Option ist definitiv vorhanden.
Esther Friedli: Dem gibts nichts beizufügen.
Was ist mit der SVP los? Nun äussert sich schon Adolf Ogi im «Blick» und sagt: Ich verstehe den Kurs der Chefs nicht mehr …
Brunner: Ich weiss, wie das Spiel läuft. Dölf hat auch schon bei uns vorbeigeschaut. Seine Worte haben Wirkung, und darum zitiert der «Blick» ihn. Es ist eigentlich einfach: Wir haben unverrückbare Grundsätze. Die ewig währende bewaffnete Neutralität sowie die Selbstbestimmung, also die Souveränität des Volkes. Der Kompass der SVP ist gut eingestellt. Einzelnen Aussagen von Exponenten zum Trotz: Die SVP ist während Jahrzehnten immer gewachsen. Und die Schweizer haben es nicht gern, wenn jemand zu dominant wird. In einer grossen Volkspartei darf es aber unterschiedliche Meinungen geben. Beim Ukraine-Russland-Konflikt muss sich auch nicht jeder äussern. Aber ich finde es traurig, dass die diplomatischen Verhandlungen in der Türkei stattfinden und nicht in der Schweiz.
In Bern und Zürich erlitt die SVP zuletzt deutliche Verluste. Frau Friedli, wie beurteilen Sie das als Politologin?
Friedli: Da lässt sich einiges auch relativieren. Im Kanton Bern sind es 0,9 Prozent Wähleranteil, den wir verloren haben. In den Kantonen Obwalden und Nidwalden haben wir sogar zugelegt. Leider hatten wir in Obwalden Proporzpech und Sitze verloren. Die SVP ist nach wie vor die wählerstärkste Partei, auch in vielen Kantonen. Es ist immer einfacher zu wachsen, als zu konsolidieren. Die SVP wird die Wahlresultate genau analysieren. Oft gibt es auch sehr lokale Gründe für Sitzverluste.
Der SI Stammtisch ist eine publizistische Initiative der Schweizer Illustrierten und Illustré in Zusammenarbeit mit DEAR Foundation-Solidarité Suisse und UBS Schweiz.
Wir sind hier im Haus der Freiheit – und derzeit kämpft die Ukraine verzweifelt um ihre Freiheit. Gleichzeitig irritiert die SVP mit unverständlichen Positionsbezügen – Exponenten wie Grüter, Glarner oder Köppel irrlichtern.
Brunner: In der Schweiz haben wir die freie Meinungsäusserung. Aber in der Ukraine-Frage könnte doch das Schweizer Modell eine Lösung sein. Ich weiss nicht, wie es mit den Friedensverhandlungen läuft. Aber wenn man die Lage beruhigen will, muss man eine diplomatische Lösung finden. Und die könnte so aussehen, dass die Ukraine ein unabhängiger und neutraler Staat wird – ausserhalb der Nato. Selenski hat etwas Ähnliches vorgeschlagen. Er will eine Abstimmung und eine demokratische Legitimation dafür.
«Ich weiss nicht, ob es Sinn macht, die Neutralität in dieser Situation hochzuhalten»
Armin Landerer
Armin Landerer: Ich weiss nicht, ob es Sinn macht, die Neutralität hochzuhalten. Die Verflechtungen sind zu gross. Wir können nicht sagen, dass uns das alles nichts angeht. Jetzt müssen wir Farbe bekennen – und auch moralisch klar Stellung beziehen.
Friedli: Man kann an der Tradition der Neutralität festhalten, auch wenn man gewisse Wirtschaftssanktionen mitträgt – das haben wir in der Vergangenheit immer gezeigt. Im aktuellen Fall handelt es sich für mich um einen Kommunikationsflop. Wenn der US-Präsident sagt, die Schweiz habe die Neutralität aufgegeben, ist das nicht gut. Deshalb spielen wir in den Verhandlungen keine Rolle mehr. Wenn sich der Bundespräsident auf dem Bundesplatz wie ein Demonstrant verhält, ist dies unhaltbar.
Brunner: Das letzte Mal, dass sich Putin und Biden die Hand gaben, war in der Schweiz. Man kann Sanktionen mittragen, ohne dies an die grosse Glocke zu hängen. Der türkische Präsident Erdogan ist kein Putin-Freund, die Türkei ist sogar Nato-Mitglied, aber er hat es geschickter gemacht und den Kriegsparteien eine Verhandlungsplattform geboten. Nochmals: Man kann die Sanktionen mittragen, ohne sich aber so dilettantisch wie Cassis anzustellen. Er liess sich unter Druck setzen.
Landerer: Es war der Druck aus Brüssel – und der öffentliche Druck von den Fernsehbildern.
Josef Andres: Und auch die Amerikaner erzeugen Druck – mit ihrer Wirtschaft.
Brunner: Das ist unappetitlich. Als Kleinstaat von sogenannten Freunden erpresst und gezwungen zu werden, die Neutralität an den Nagel zu hängen. Dass sich das Volk in Umfragen für den Regierungskurs ausspricht, liegt auch an der Fragestellung. Hätte man gefragt, ob die Schweiz als neutraler Staat Friedensverhandlungen durchführen soll, hätte wohl kaum jemand Nein gesagt.
Viele SVP-Exponenten positionieren sich als Putin-Versteher …
Friedli: Die SVP steht zur Neutralität. Ich verurteile diesen Krieg und unterstütze, dass man den Kriegsvertriebenen rasch vor Ort und in der Schweiz hilft. Zudem ist zentral, dass wir uns auf die Sicherheits- und die Versorgungspolitik konzentrieren. Dort gibt es grossen Handlungsbedarf.
Brunner: Da bin ich derselben Meinung. Ich kann mich an sicherheitspolitische Diskussionen mit Cédric Wermuth erinnern. Wenn es um die Erhöhung des Armeebudgets ging, bezeichnete er uns stets als Hinterwäldler, die ernsthaft das Gefühl haben, dass feindliche Panzer auf die Schweiz zurollen könnten. Aber nun sehen wir: Den ewigen Frieden wirds nicht geben. In den vergangenen Wochen ist etwas passiert, das niemand so erwartet hätte.
Josef Andres: Die aktuelle Lage führt uns schonungslos vor Augen, was passieren kann. Wir müssen die Armee wieder auf Vordermann bringen. Und dazu gehört die Anschaffung des Kampfjets F-35.
Friedli: Mit einer Initiative will die Linke eine Volksabstimmung über diesen Jet erzwingen, obwohl das Schweizer Stimmvolk der Beschaffung vor Kurzem bereits zugestimmt hat. Ihnen geht es aber nicht um den Typ des Jets, sondern sie sind im Grundsatz gegen Kampfflieger. Die Initiative ist daher heuchlerisch und schadet der Schweiz.
Brunner: Wir haben in den vergangenen Jahren bei der Armee immer gespart und gekürzt. Andere Ausgaben dagegen gehen ab durch die Decke. Wir müssen über den Personalbestand der Armee sprechen. Ich habe nicht das Gefühl, dass die Armee momentan in der Lage wäre, unser Land zu verteidigen.
Landerer: Vielleicht ist das unpopulär. Aber ich wäre für die Dienstpflicht der Frauen. Die Frauen in Israel machen es vor – und sie fühlen sich in dieser Rolle wohl.
Brunner: Das ist ein interessanter Punkt, den man anschauen sollte. Man kann nicht sagen: Wir sind alle gleich – und dann nicht das Gleiche von den Geschlechtern verlangen.
Josef Andres: Definitiv, wenn man für die Gleichberechtigung einsteht, muss man auch diesen Punkt diskutieren.
Friedli: Der Konflikt in der Ukraine zeigt uns, dass wir in der Lage sein müssen, das Land im Ernstfall selber zu verteidigen. Wir dürfen uns nicht auf andere verlassen.
Brunner: Auch bei einem anderen Punkt müssen wir genau hinschauen. Wenn Ausländer eingebürgert werden, sollen sie auch nach dem 20. Geburtstag noch Dienst leisten müssen.
«Als ich hörte, wer neue Programmchefin der SVP wird, sagte ich: Das kommt gut»
Toni Brunner über die neue Rolle seiner Partnerin
Zurück zur SVP. Es scheint, dass in der Partei ein Führungsproblem besteht. Herr Brunner, Sie müssten zurückkommen.
Brunner (lacht): Der Toni bleibt in den Bergen. Wir sind in einer Konsolidierungsphase. Bald haben wir in Graubünden Wahlen. Und da werden wir auf der Siegerseite stehen. Die Führung muss schauen, dass man verlässlich ist und einschätzbar. Als ich hörte, wer Programmchefin wird – nämlich Esther –, sagte ich: Das kommt schon gut.
Friedli: Wir müssen bei unseren Grundsätzen und bei den Kernthemen bleiben: der Freiheit unserer Bürger und unseres Landes sowie der Sicherheit. Dazu gehört zum Beispiel auch die sichere Energieversorgung. Die Energiewende 2050 erweist sich im-mer mehr als Luftschloss. Wir wollen unsere AKWs abstellen – und importieren gleichzeitig Atomstrom, das ist inkonsequent.
Landerer: Da gebe ich Ihnen vollauf recht. Die Abkehr von der Kernenergie im Zuge der Fukushima-Katastrophe war ein überemotionaler Entscheid. Wir müssen den Selbtsversorgungsgrad steigern und Abhängigkeiten minimieren. Es darf kein No-Go sein, dass man die AKW-Diskussion neu lanciert.
Brunner: Das Schlimmste, was wir uns in dieser Sache erlaubten, war ein Technologieverbot. So nahmen wir uns freiwillig aus dem Rennen. Wenn wir über eigene Technologie verfügen würden, wäre alles leichter. Jetzt aber werden wir die alten Kernkraftwerke laufen lassen, solange es zulässig ist. Und wir importieren zu den uns diktierten Preisen fremden Strom. Man muss leider sagen: Die Energiestrategie von Doris Leuthard ist gescheitert.
Reden wir noch über die ukrainischen Flüchtlinge in der Schweiz. Engagieren Sie sich auch?
Gabi Andres: Im näheren Umfeld haben wir Leute, die Menschen aufgenommen haben. Das ist schön. Aber ich erlebe auch, wie die Gastgeber an ihre Grenzen kommen. Fremde Menschen aufzunehmen, ist nicht so einfach, wie man es sich vorstellt.
Landerer: Wir erleben gerade eine Riesentragödie. Im Umgang damit braucht es professionelle Unterstützung. Die Menschen aus der Ukraine sind traumatisiert – und müssen betreut wer-den. Es ist gut, dass sie registriert werden. Aber die private Aufnahme kann die Menschen schnell überfordern. Eigentlich wäre das eine staatliche Aufgabe.
Friedli: Die Solidarität der Schweizer ist riesig. Die vorübergehende Aufnahme der Kriegsvertriebenen ist richtig, aber man muss auch schauen, dass dies nicht zu Missbräuchen führt. Bei der privaten Aufnahme und raschen Integration bin ich eher zurückhaltend.
Gibt es keine Grenzen der Solidarität?
Brunner: Doch. Irgendwann müssen die Leute zurückkehren. Die Ukrainer sind ein stolzes Volk und brauchen ihre Leute.
Friedli: Daher ist wichtig, dass sich die Schweiz wieder als Vermittlerin ins Spiel bringt. Wir verfügen über grosses Know-how – und können auch beim Wiederaufbau vor Ort helfen.
Vielfalt und moderne Infrastruktur
Der Kanton St. Gallen zeichnet sich durch eine abwechslungsreiche, starke Branchenlandschaft und gesunde Staatsfinanzen aus.
Der Kanton St. Gallen verfügt über ein solides langfristiges Wachstumspotenzial. In vielen wettbewerbsrelevanten Dimensionen ist er durchschnittlich positioniert. Besonders zeichnet er sich jedoch durch eine vielfältige, stark aufgestellte Branchenlandschaft sowie gesunde Staatsfinanzen aus.
Dabei weist er regionale Vielfalt auf. Der Kantonshauptort punktet mit einer Fokussierung auf den wachstumsstarken Dienstleistungssektor, einer modernen Infrastruktur und einer international renommierten Universität. Die benachbarte Region Wil macht sich dies und die Zugewandtheit zur Metropolregion Zürich zunutze. Das Rheintal trumpft mit seinen starken Industrie- und Handelsbranchen auf.
Verhältnismässig tiefe Büromieten und ein geringes Lohnniveau schaffen gute Voraussetzungen, wären da nicht die vergleichsweise hohen Steuern auf Unternehmensgewinne und natürliche Einkommen. Auch im Bereich Innovation gibt es Luft nach oben, wobei mit geplanten Investitionen in den Innovation Park Ost der Grundstein für Fortschritt gelegt wird.