Die grossartige Adele, 31, war ihr ganzes Leben «zu». Am Anfang ihrer Karriere war sie das zu dicke Wunderkind. Sogar Karl Lagerfeld fühlte sich berufen einen Kommentar über den Körper der Sängerin abzugeben: «Sie hat ein hübsches Gesicht, aber sie ist etwas zu fett. Ihre Stimme aber, die ist göttlich.»
Adele hatte die einzig richtige Antwort: «Ich sehe aus, wie ein Grossteil von Frauen und darauf bin ich stolz. Für mich war das nie ein Problem und ich umgebe mich nicht mit unhöflichen Menschen, die das zum Problem machen. Natürlich habe ich Unsicherheiten, aber Menschen, die sie mir unter die Nase reiben, haben in meinem Umfeld nichts zu suchen.» Well played, Adele, well played.
Die Mutter eines Sohnes hat immer betont, dass sie erst dann etwas an ihrem Lebensstil ändern will, wenn sie sich gesundheitlich beeinträchtigt fühlt. Und neue Bilder auf ihrem Instagram-Account zeigen, dass die Sängerin wirklich viel abgenommen hat. Die Gründe sind ihre eigenen und darüber spricht sie, bis jetzt, auch nicht. Warum sollte sie auch? Denn es ist ziemlich klar, was passieren wird, sobald Adele ihren ersten öffentlichen Auftritt hat. Egal, was sie verkündigt, es wird nur und einzig um ihren Körper gehen. Neues Album: Guckt, wie schlank die ist. Welttournee? Egal: Sie hat krass abgenommen. Bein amputiert: who cares? Sie ist zu dünn.
Aber mal ehrlich, warum muss eine Frau, nein, eine Sängerin, überhaupt ihr Aussehen rechtfertigen? Ihr Job ist es zu singen – nicht, ein Körper zu sein.
Und es braucht nicht einmal einen öffentlichen Auftritt. Ein Instagram-Post reicht. «Gefährlich» sei ihr Gewichtsverlust. «Gefährlich» war ihr Übergewicht. «Sie ist kein gutes Vorbild, wenn sie so viel abnimmt.» «Sie ist zu fett – schlechtes Vorbild.» «Deine Kurven sind so heiss.» «Ich wusste, dass du unter all dem Fett heiss bist.» Das sind alles Kommentare, die man unter Posts von Adele lesen kann.
Immer sind Frauen «zu». Lara Gut ist «zu direkt», weil sie ihre Meinung sagt. Beatrice Egli ist «zu fröhlich», weil sie viel lacht. Lady Gaga ist zu extrem, weil sie sich gerne ausprobiert. Und alle prominenten Frauen sind entweder zu dünn oder zu dick. Selten ist eine von ihnen richtig.
Die ewige Kritik trieb nicht wenige in die Essstörung. So enthüllte Taylor Swift erst kürzlich, dass sie immer wieder mit ihrem Körperbild kämpft. «Es tut mir nicht gut, wenn ich zu viele Bilder von mir sehe oder zu viele Kommentare über meinen Körper lese.» Wenn sie auf Bildern ihren Bauch zu dick finde, oder Medien behaupten sie sei schwanger, könne es sein, dass sie aufhöre zu essen, sagt Taylor weiter.
Vor einigen Monaten schrieb ich in einem Artikel darüber, dass ich aufgrund meines Bauches manchmal für schwanger gehalten werde. Meine Antwort jeweils: «Ich bin nicht schwanger – ich bin nur fett». Und so lustig das klingen mag, das über mich selbst zu sagen, ist nicht einfach.
Ich selber finde mich nämlich wirklich nicht fett. Klar, allermeistens mag ich meinen Körper wirklich sehr gern. Ausser, wenn mich jemand anschaut, fragt, ob ich schwanger bin und damit impliziert, dass mein Körper nur richtig ist, wenn entweder ein Baby drin ist oder dünner wäre. Dann beginne auch ich zu zweifeln, betrachte mich im Spiegel und bin wirklich nicht sehr nett zu mir.
Aber lassen wir uns das mal auf der Zunge zergehen: Taylor Swift hat dieselben Probleme mit ihrem Bauch wie ich Normalo. Mit dem Unterschied, dass ich nicht aufhöre, zu essen und mir schade, weil sich hie und da jemand berufen fühlt, über meinen Körper zu urteilen. Bei Taylor, Adele, Gaga und so vielen anderen urteilen diese Jemands millionenfach. Öffentlich und für jeden lesbar.
So ist es auch kein Wunder, dass sich Frauen fragen: «Wenn die grossartige Adele, Taylor, Lara, Beatrice oder Gaga ‹zu› ist, was bin dann ich?»
Alles sind wir, alles nur nicht «zu».