Seit Mitte April ist es minutiös und schonungslos vor der Öffentlichkeit seziert worden, das gemeinsame Privatleben von Johnny Depp (58) und Ex-Ehefrau Amber Heard (36). Wer durch das Gerichtsurteil als Sieger triumphiert hat und wer als Verlierer hervorging, wurde allein durch die Körpersprache der beiden Stars vermeintlich klar. Während Heard mit gesenktem Kopf und leerem Blick aus dem Gerichtssaal schritt, gingen von Depp hingegen Aufnahmen um die Welt, die ihn ausgelassen beim Feiern mit Freunden zeigen.
Dass Depp in Feierlaune ist, erscheint verständlich. Schliesslich habe er nun ja sein Leben zurück, seinen Ruf wiederhergestellt und folglich auch wieder eine blühende Karriere vor sich, oder? Doch beim genaueren Blick auf die vergangenen sechs Wochen und auch auf die nahe Zukunft relativieren sich mitunter die scheinbar klaren Verhältnisse. Ja, Amber Heard ist Stand jetzt die grosse Verliererin des Rechtsstreits. Johnny Depp aber unter Umständen nicht zwangsläufig der grosse Gewinner.
Haben die Enthüllungen beide verbrannt?
Während des aufsehenerregenden Prozesses sind über beide Streitparteien Dinge ans Tageslicht geraten, die sicherlich nicht ruffördernd gewesen sind. Verwerfliche Gewaltfantasien, exzessiver Drogenmissbrauch und selbstzerstörerische Tendenzen von Depp. Ein vermeintlich gigantisches Lügenkonstrukt und ebenfalls toxisches Verhalten von Heard.
Dass auch die Jury nicht zu 100 Prozent auf Depps Seite war, beweisen die blanken Zahlen. Zur Erinnerung, Depp hatte Heard eigentlich auf 50 Millionen Dollar wegen Verleumdung verklagt, sie ihn auf 100 Millionen. Am Ende wurde sie aber «nur» zu einer Strafe von 15 Millionen Dollar verurteilt - jedoch muss auch Depp blechen. Zwei Millionen Dollar von Heards Strafe wandern sogleich wieder an sie zurück, weil auch sie als Opfer angesehen wurde - wenn auch als das deutlich kleinere.
Vergessen werden darf auch nicht die Tatsache, dass nur kurze Zeit vor dem Gerichtsurteil in den USA jenes aus Grossbritannien zugunsten von Heards Vorwürfen ausfiel. Dort sah man es noch als legitim an, Depp als «Frauenschläger» bezeichnen zu dürfen, wie durch «The Sun» geschehen. Und auch die Berufungsbemühungen von Depp gegen dieses Urteil verliefen im Sand.
Noch nicht ausgestanden?
Apropos Berufung: Die erwägt Amber Heard nach dem US-Urteil und diversen Berichten zufolge einzulegen. Sollte sie sich zu diesem Schritt entscheiden, so würde das Verfahren zunächst vor einem Berufungsgericht landen, das sich ebenfalls im US-Bundesstaat Virginia befindet. Dort könnten sich diverse Konsequenzen ergeben. Die zuständigen Richter (drei Stück) könnten die Strafe gegen Heard reduzieren, so belassen oder gar noch erhöhen. Ohne Risiko wäre die Berufung also auch für Heard nicht.
Aber auch abseits eines potenziellen Berufungsverfahrens könnte Depp neuer Gerichtsärger ins Haus stehen. Denn wie «The Sun» berichtet, hat sich bereits eine andere Person gegen ihn in Stellung gebracht. Ein Mann namens Gregg Brooks, der in der Filmindustrie tätig ist, behauptet, 2017 am Set des gemeinsamen Films «City of Lies» von Depp geschlagen worden zu sein. Schon 2018 habe er deswegen gegen Depp geklagt, ein Verfahren soll zu einem noch nicht festgelegten Termin in Los Angeles stattfinden.
Zurück zu alter Strahlkraft?
Durch die schweren Vorwürfe seiner Ex-Frau soll Depp lukrative Angebote in Hollywood verloren haben. Etwa seine Paraderolle als Pirat Jack Sparrow in der «Fluch der Karibik»-Reihe sowie seinen Part als Schurke Grindelwald im «Harry Potter»-Ableger «Phantastische Tierwesen». Nach dem Urteilsspruch wolle Depp nun wieder an seine glorreichen Zeiten anknüpfen - und das nicht ausschliesslich in der Traumfabrik.
So plane er Berichten zufolge auch seine Musikkarriere neues Leben einzuhauchen. Sogar noch in diesem Jahr werde ein gemeinsames Album mit Rock-Gitarrist Jeff Beck (77) erscheinen, schreibt «Daily Mail». So etwas Konkretes gibt es im Hollywood-Business noch nicht zu vermelden. Es wird sich erst zeigen müssen, ob die Filmstudios dank des Urteils und trotz der Enthüllungen wieder erpicht darauf sind, Depp zeitnah Angebote zu schicken.
Die Filmkarriere von Amber Heard mag im direkten Vergleich deutlich überschaubarer sein, auch sie ist aber schon seit rund 18 Jahren im Geschäft. Den grössten Erfolg feierte sie erst 2018 dank des DC-Streifens «Aquaman», auch in Teil zwei der Comic-Verfilmung, der 2023 ins Kino kommen soll, wird sie wieder die Figur Mera verkörpern. Mit Ausnahme dieses Blockbusters ist aber auch ihr Terminkalender recht leer. Ein Independent-Film namens «In The Fire» befindet sich laut Branchenseite «IMDB» in der Postproduktion, ein weiterer («Run Away with Me») in der frühen Planungsphase.
Wie sieht es mit der Finanzlage der beiden aus?
Wie während des Prozesses offengelegt wurde, verdiente Heard durch die beiden «Aquaman»-Filme drei Millionen Dollar. Satte sieben Millionen Dollar wurden ihr zudem nach der Scheidung von Johnny Depp zugesprochen. Die wollte sie eigentlich spenden, tat dies eigener Aussage nach bislang aber noch nicht, weil sie sich der Millionenklage von Depp gegenübersah. Und sollte es beim derzeitigen Urteil bleiben, wird Heard das Geld wohl zum Begleichen ihrer Strafe brauchen.
Die vollen 15 Millionen muss sie aber auch Stand jetzt nicht zahlen. Zwei Millionen davon werden mit der Strafe von Depp verrechnet. Und bei weiteren fünf Millionen davon handelt es sich um eine sogenannte «Entschädigung mit Strafcharakter» («Punitive Damages»). Weil diese im Bundesstaat Virginia aber maximal 350.000 Dollar betragen dürfen, steht für Heard de facto eine Strafzahlung von rund acht Millionen Dollar im Raum. Sollte sie diese Summer nicht auf einmal begleichen können, so sei es laut «CBS News» möglich, dass zukünftige Gagen zur Tilgung einbehalten werden.
Dass Depp trotz seiner unfreiwilligen Schaffenspause in den vergangenen Jahren auf dieses Geld angewiesen ist, darf hingegen bezweifelt werden. Was er damit machen wird, sollte es bei dem Urteil bleiben, hat er bislang noch nicht mitgeteilt.